Dachau:Holocaust-Überlebende fordern NPD-Verbot

Max Mannheimer und Abba Naor halten einen kritischeren Umgang mit Rechtsextremen und Neonazis für längst überfällig.

Helmut Zeller

Die Debatte über ein neues NPD-Verbotsverfahren weckt unter KZ-Überlebenden die Hoffnung auf einen grundsätzlichen Wandel im Umgang mit Rechtsextremen und Neonazis: Seit Jahren warnt etwa Max Mannheimer, Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau und Vizepräsident des Comité International de Dachau (CID), vor den Gefahren eines erstarkenden Rechtsextremismus. Der Auschwitz-Überlebende erklärt: "An einem Verbot der NPD führt kein Weg mehr vorbei." So sehen das auch andere Holocaust-Überlebende wie Abba Naor, einer der zwei Vorsitzenden der israelischen Vereinigung der Kaufering-Überlebenden. Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten und CSU-Landtagsabgeordneter, unterstützt die Forderung der Holocaust-Überlebenden nach einem Verbot der rechtsextremen NPD.

Dachau: Lange schon warnt Max Mannheimer davor, das Ausmaß rechtsextremer Gewalt zu unterschätzen.

Lange schon warnt Max Mannheimer davor, das Ausmaß rechtsextremer Gewalt zu unterschätzen.

(Foto: DAH)

SPD, Grüne, und Linkspartei, ostdeutsche Länder sowie die bayerische Staatsregierung befürworten einen neuen Verbotsantrag. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) äußerte in einem Interview mit der SZ allerdings Bedenken. Das lässt Max Mannheimer jedoch nicht gelten: "Hinweise darauf, wegen der Existenz von V-Leuten in der NPD riskiere man eine neues Scheitern, halte ich für vorgeschoben." Auch ohne V-Männer gebe es genügend Aussagen und Beweise für die Verfassungswidrigkeit dieser Partei, die den demokratischen Verfassungsstaat abschaffen wolle.

Abba Naor, der als Kind das Ghetto Kaunas, das KZ Stutthof und die Dachauer Außenlager Utting und Kaufering I überlebt hat, sagte der SZ: "Wenn die Politiker wirklich dazu bereit sind, dann wird sich ein Weg finden lassen. Die NPD muss nicht nur verboten werden, sie hätte nie auferstehen dürfen. Ich verstehe nicht, warum man diese Partei zugelassen hat." Stiftungsdirektor Freller fühlt sich, wie er sagt, durch die Diskussion bestätigt: Auf der 65-Jahrfeier der Befreiung des KZ Dachau im Mai 2010 hatte Freller im Beisein des damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler ein Verbot der rechtsradikalen Partei gefordert. Dafür erhielt er breite Zustimmung von den KZ-Überlebenden; fast tausend ehemalige Häftlinge und Angehörigen hatten an der Gedenkfeier teilgenommen. "Es sollte unbedingt ein neuer Anlauf genommen werden, diesen politischen Arm der rechtsextremen Szene aufzulösen", verlangt Freller nun erneut.

Die Debatte über ein NPD-Verbot hat sich nach dem Bekanntwerden einer rechtsextremen Mordserie entzündet. Mehr als zehn Jahre lang hat die Zwickauer Terrorzelle in ganz Deutschland ausländische Bürger ermordet, ohne dass die Sicherheitsbehörden einen Zusammenhang mit Rechtsextremismus hergestellt haben oder gar eingeschritten sind. "Das ist für Überlebende des Holocaust geradezu schockierend", erklärt Max Mannheimer. "Seit langem warne ich davor, dass das Ausmaß rechtsextremer Gewalt bei uns gefährlich unterschätzt wird und genau so lange wurden mitunter diese entsetzlichen Gewalttaten als bedauerliche Einzelfälle verharmlost." Abba Naor befürchtet, wie er sagt, dass das vertuscht werden sollte, um dem Ansehen Deutschlands im Ausland nicht zu schaden.

Der Skandal wird deshalb gerade auch in Dachau mit Sorge verfolgt. Abba Naor und Max Mannheimer setzen sich seit langem für die Versöhnung ein. Sie unterstützen Dachaus Oberbürgermeister Peter Bürgel (CSU) bei der Suche nach einer Partnerstadt in Israel. Dachau, dessen Name im Ausland für die Nazigräuel steht, bemüht sich um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit und wirbt dafür in Israel und den USA um Unterstützung.

Die Holocaust-Überlebenden kritisieren den Umgang nicht nur mit der NPD, sondern mit Neonazis und rechtsextremen Gruppierung allgemein: "Ich bin immer schockiert, wenn ich Neonazi-Aufmärsche sehen, und eine Stadt keine rechtliche Möglichkeit hat, sie zu verbieten. Aber nicht nur mir, sondern jedem Demokraten in Europa muss es schockieren, dass in Deutschland so gleichgültig darauf reagiert wird, dass solche Aufmärsche gerade hier wieder möglich sind." Max Mannheimer hält es für "eine Farce, dass eine rechtsextremistische Partei wie die NPD Wahlkampfkosten erstattet bekommt und, wie auch die neonazistischen Kameradschaften, die gleiche Meinungsfreiheit genießt wie demokratische Bürger". Sie verbreiteten menschenunwürdiges, volksverhetzendes und rassistisches Gedankengut - dem müssten die Gerichte einen Riegel vorschieben und Versammlungsverbote verhängen.

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