Süddeutsche Zeitung

Dachau:Hoher Preis für eine knappe Stunde Spaß

Lesezeit: 2 min

Die Silvester-Knallerei schädigt Menschen und Tiere und hat vor einem Jahr zwei Brände ausgelöst

Es geht auch ohne: Roderich Zauscher, der Kreisvorsitzende des Bundes Naturschutz (BN), hat vor fünf Jahren den Böllern endgültig abgeschworen. Man kann, wie er sagt, Silvester auch ohne Knallerei feiern und das viele Geld sinnvoller ausgeben. Es ist ein Riesengeschäft für die pyrotechnische Industrie: Die Deutschen stecken 133 Millionen Euro in das Silvester-Feuerwerk. Naturschützer und Tierschützer im Landkreis fordern wieder Silvesterfeiern ohne Kracher. Wieder verhallen die Appelle aber ungehört - für viele gehört das Feuerwerk einfach zum Jahreswechsel. Doch die knappe Stunde Freude an Lärm und Lichterglanz hat einen hohen Preis.

Feuerwerkskörper explodieren in weniger als zwei Meter Nähe mit einer Lautstärke von bis zu 160 Dezibel; das entspricht ungefähr der Geräuschkulisse eines Presslufthammers oder eines startenden Düsenjets. Jedes Jahr erleiden Tausende Menschen dauerhafte Gehörschäden, aber auch Verletzungen an Augen und Händen. "Wir wollen den Menschen nicht ihren Spaß verderben, aber was sich inzwischen tut in den Städten, das ist einfach viel zu viel", sagt Richard Mergner vom Bund Naturschutz in Bayern. "Der Rauch der abgebrannten Feuerwerkskörper enthält derartig viele Chemikalien. Das ist wirklich gravierend." Es handelt sich um einen Mix aus Kalium-Nitrat, Holzkohle, Schwefel, Strontium und Kupfer. Bei der Knallerei entsteht flächendeckend, also nicht nur in den Städten, eine enorme Feinstaubkonzentration. Sie schädigt Menschen, die ohnehin Atemwegserkrankungen oder ein Asthmaleiden haben. In einer Stunde Knallerei werden Zauscher zufolge im Landkreis Feinstaubkonzentrationen im Umfang von sonst gemessenen Halbjahreswerten erreicht. Es ist grotesk: Sonst gehe man, sagt Zauscher, zu Recht gegen den gefährlichen Feinstaub vor. In der Silvesternacht aber spielt dann diese Umweltbelastung keine Rolle mehr.

Silvia Gruber, Vorsitzende des Tierschutzvereins Dachau, und ihren Mitarbeitern im Tierheim in der Rosswachtstraße graut schon vor der Knallerei. Hunde und Katzen, die über ein viel feineres Gehör als Menschen verfügen, drehen völlig durch. Die Zahl der entlaufenen Haustiere steigt in der Silvesternacht rapide an. Die Tiere erleiden einen Schock, der auch tödlich verlaufen kann. Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) warnt: Tausende von Vögeln steigen vor Schreck innerhalb von Minuten von ihren Schlafplätzen in den Luftraum auf. Durch den Aufstieg in Höhen von mehr als 1000 Metern verlieren sie Energie, die sie im Winter zum Überleben brauchen. Nicht selten verlieren die Vögel auch die Orientierung, fliegen gegen Häuser, Autos oder andere Hindernisse und sterben. Es kann Tage und Wochen dauern, bis die Tiere sich erholt haben. In dicht besiedelten Gebieten, in der Umgebung von Gewässern, Feucht- und Schutzgebieten sollte auf die Tiere Rücksicht genommen werden. Auch Feuerwehren und andere Rettungsdienste sehen der Silvesternacht mit gemischten Gefühlen entgegen. Durch Feuerwerkskörper ereignen sich jedes Jahr Brände und Unfälle, erklärt Kreisbrandinspektor Maximilian Reimoser. In der Silvesternacht auf 2016 haben verirrte Raketen zwei Brände ausgelöst. Dann bleibt vom vermeintlichen Spaß nicht mehr viel übrig.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3315981
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 31.12.2016 / hz
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.