Dachau:Herzblut für die Müllerei

Der traditionsreiche Familienbetrieb Kraus empfängt am Tag der offenen Tür tausende Besucher in der Würmmühle

Von Andreas Förster

Manchmal hat man halt einfach Glück. Das Glück, in diesem verregneten Frühling einen Wohlfühltag fürs Mühlen-Fest zu erwischen. Das Glück, eine große Familie zu haben, die überall mit anpackt. Das beginnt schon vorne an der Alten Römerstraße: Rudolf Kraus und seine Frau weisen geduldig die Autos ein, Parkplätze sind rar rund um die Würmmühle. Sein Bruder Ludwig übernimmt die Führungen durch den traditionsreichen Familienbetrieb. Als Geschäftsführer in der dritten Generation weiß er den vielen Besuchern jeden Arbeitsvorgang bildhaft zu erklären. Die jüngste Tochter, Christine, empfängt die Besucher und kassiert, falls sie im Verkaufsraum bei den Cerealien und Reiswaffeln zuschlagen. Und das tun sie reichlich. Die Mama bestückt die Körbe zur Verkostung der mühleneigenen Leckereien.

Dachau: Müller Rudolf Dech (rechts), seit 30 Jahren in der Würmmühle beschäftigt, erläutert die Kontrolltafel, auf der ein Mal pro Woche Proben aus der Produktion überprüft und verglichen werden.

Müller Rudolf Dech (rechts), seit 30 Jahren in der Würmmühle beschäftigt, erläutert die Kontrolltafel, auf der ein Mal pro Woche Proben aus der Produktion überprüft und verglichen werden.

(Foto: Jørgensen)

Dann ist da ja noch die amtierende Mehlkönigin: Stefanie, die älteste Tochter vom Chef, präsentiert und repräsentiert in schicker Robe und mit strahlendem Lächeln. Obwohl sie eigentlich krank ist und ins Bett gehört. Das ist das Herausfordernde an einem Familienbetrieb, besonders an so einem Tag: Alle werden wirklich gebraucht. Auch Opa Ludwig senior ist mit dabei. Der 84-Jährige lässt es sich nicht nehmen, täglich auszuhelfen, wo er kann. Die dritte Generation, dasselbe Herzblut für die Müllerei. "Jeder isst Brot und kennt den Bauern oder den Bäcker - aber der Müller und sein Einsatz wird oft vergessen", bedauert Stefanie. Der Tag der offenen (Mühlen-)Tür hat deshalb eine sehr wichtige Funktion.

Und die Menschen nehmen ihn seit nunmehr 16 Jahren dankbar an. Auch am Pfingstmontag kommen Tausende Besucher, die Schlange am Eingang zur kostenlosen Führung ist teilweise 50 Meter lang. Das kann Ludwig Kraus unmöglich allein bewältigen. Einer, der ihn seit 30 Jahren unterstützt, ist der Müllermeister Rudolf Dech. Eine Führung dauert 20 Minuten, beginnt im Getreidesilo und endet im Kontroll- und Steuerungsraum. Hier werden alle Arbeitsvorgänge teils elektrisch, teils elektronisch und per Computer gesteuert und überprüft. Vieles in der Mühle läuft vollautomatisch, 24 Stunden lang rattern die Maschinen. So sorgt etwa der Plansichter für die Trennung der Kornbestandteile. Dech lässt die Kinder in weißen und braunen Häufchen panschen: Sie sollen die unterschiedliche Beschaffenheit von Kleie, Gries und Mehl erspüren. Im Erdgeschoss stehen die Walzenstühle, in denen das Getreide zwischen rotierenden Walzen aufgebrochen und zerrieben wird. Das Besondere an der Würmmühle ist die Mischung aus alten und neuen Maschinen, manche stammen noch aus den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als Simon Kraus die Mühle vom Freistaat übernommen und aufgebaut hat. Bestens in Schuss, verleihen sie der letzten an der Würm verbliebenen industriellen Mühle ihren musealen Charme.

Auch heute noch ist die Müllerei kein leichtes Brot. Damit die 140 Tonnen Mehl die Mühle täglich verlassen können, ist Ludwig Kraus persönlich jede Nacht bis 2.30 Uhr vor Ort, um den Betrieb zu überwachen. Zwar laufen die Maschinen von allein, aber wehe, wenn die Technik streikt. Da braucht es einen Experten, der weiß, welchen Knopf er drücken muss.

Draußen haben sich alle Tische gefüllt, die Blaskapelle aus Schönbrunn spielt zünftig auf und die Gäste lassen sich Ochsen- und Schweinsbraten und eine kühle Maß Bier schmecken. Auch wenn's am Nachmittag wieder nach Regen aussieht, lassen sich die Leute nicht vertreiben. Sie sind hier ein bisschen aus dem Holz geschnitzt wie die Familie Kraus: Tradition verpflichtet.

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