Stipendiatin der Rukteschell-Villa:Die Musik fest im Fokus

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Die neue Rukteschell-Stipendiatin Hayley Reardon probt bereits neue Melodien in ihrem Appartment. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Hayley Reardon begann mit elf Jahren, Songs zu schreiben. In der Ruckteschell-Villa will sie sich nun weiter entfalten und ihr Repertoire erweitern.

Von Eva Waltl, Dachau

Hayley Reardon war elf Jahre alt, als ihr Vater ihr erste Akkorde auf der Gitarre beibrachte. Sie beherrschte nur einige wenige, aber diese genügten, um den Gesang der damals Elfjährigen zu begleiten. "Ich hatte schon immer eine große Begeisterung für Musik und habe schon als Kind immer Gedichte und Briefe geschrieben", erinnert sich die heute 25-jährige Sängerin an ihre ersten Begegnungen mit der Musik und dem Schreiben von Liedtexten. Heute kennt sie weit mehr als drei Akkorde und gibt sich nicht mehr damit zufrieden, kurze Briefe zu verfassen. Im Juli konnte sie ihr Stipendium in der Ruckteschell-Villa antreten. Im Gepäck hat Reardon unbegrenzt Tatendrang und Pläne, die darauf warten, von ihr umgesetzt zu werden - und ihre Gitarre.

Das Zuhause von Reardon war während ihrer Kindheit stets mit Musik erfüllt: Der Onkel, der in einer Band spielte und die Schwester, die in einem A-cappella-Chor sang. "Ich war immer von Musik umgeben", schwärmt sie. Reardon begann früh, ihre eigenen Lieder zu schreiben und nahm mit bereits 14 Jahren ihren ersten Song auf. Das forderte viel von dem Teenager. Vor allem die Musik, das regelmäßige Üben und das Zusammensein mit Freunden unter einen Hut zu bringen, sei nicht immer einfach gewesen, erinnert sich die Sängerin. "Heute bin ich dankbar dafür, dass mein jüngeres Ich so fokussiert war." Das zahlt sich jetzt aus: In den vergangenen drei Jahren spielte die junge Sängerin allein in Europa mehr als 90 Auftritte und hat seit Beginn ihrer musikalischen Laufbahn bereits sechs Alben veröffentlicht. Jahre voller "magischer Momente, neuer Freundschaften und prägender Begegnungen", die ihren Blick auf die Welt erweitert hätten, beschreibt Reardon ihre Erfahrungen während der Tourneen.

Die 25-Jährige erzählt mit ihren Songs ehrliche und persönliche Geschichten ihres Lebens: "Meine Art zu schreiben, ist sehr poetisch." Es gibt ihren Folkgesang und ihre Gitarre, auf großen Firlefanz verzichtet sie. Und genau das zeichnet ihre Musik aus. Der Song "Bethany" beispielsweise, den sie 2019 veröffentlichte, repräsentiert genau das: Reardon erzählt mit zarter und gleichzeitig wuchtiger, manchmal souliger Stimme das Leben der besten Freundin ihrer Mutter, Beth. Eine Frau, die während der 1970er Jahre ein freies und furchtloses Hippiedasein lebte und gleichzeitig viel Herzschmerz erleiden musste, ja von zerbrochenen Träumen gequält war. Es sind jene intimen Geschichten, die der Sängerin selbst so nahe sind und die sie am besten in ihre Lieder zu verpacken weiß. "Meine Lieder sollen Hoffnung verbreiten."

Doch auch ein Energiebündel wie Reardon musste in den vergangenen eineinhalb Jahren anhalten: "Corona hat meine Pläne durchkreuzt und ich konnte mit meiner Musik nicht mehr rausgehen. Das war hart." Die junge Sängerin verbrachte die meiste Zeit während der Pandemie in ihrem Heimatort, einer Kleinstadt in Massachusetts, mit ihrer Familie. Das Wohnstipendium in Dachau, das eigentlich bereits im April 2020 hätte beginnen sollen, musste wegen der damals geltenden Ausreisebeschränkungen erst einmal verschoben werden und die Sängerin musste sich in Geduld üben. "Ich musste so lange warten", klagt sie. Reardon suchte nach einer alternativen Möglichkeit, ihre Lieder trotz Isolation mit der Welt zu teilen. Sie veranstaltete kleine Live-Konzerte auf Zoom und nutzte die Zeit, um neue Texte zu verfassen. Mit Erfolg: Reardon realisierte gemeinsam mit zwei spanischen Musikern das Album "In the good light", bestehend aus fünf Songs, das sie nun im Juli in Barcelona aufgenommen hat. Es soll ausdrücklich kein Coronaalbum sein, erklärt Reardon. Einzig im Song "Alive" besingt die 25-Jährige den Zustand während der Pandemiezeit, als nichts weiter möglich war, als zu existieren und beschreibt, an welche Grenze dies die Menschen trieb: "Ich bemerkte, dass alle um mich herum begannen, aufmerksamer zu leben, weil sie die Dinge nicht mehr kontrollieren konnten."

Noch in diesem Jahr werden die ersten Songs des Albums veröffentlicht. Ein erstes Video einer Live-Session des Songs "the little sadness" erschien kürzlich, in der Reardon die Zuhörer in weniger als vier Minuten auf eine melancholische Reise der Einsamkeit, des Vermissens und des Traurigseins mitnimmt.

Für ihre Zeit in Dachau plant die Stipendiatin, weitere Songs zu schreiben und sich "voll und ganz auf die Musik und ihre Karriere zu fokussieren." Ihr Ziel: Vollständig von der Musik leben zu können. "Es ist wirklich schwer und man muss immer am Ball bleiben", sagt Reardon mit Blick auf ihren vollen Terminkalender. In den kommenden Monaten warten einige kleinere und größere Konzerthallen in Deutschland, Österreich und der Schweiz darauf, mit ihrem Gesang gefüllt zu werden. Aber ein wenig Zeit will sie sich auch nehmen, um ihre eingerosteten Deutschkenntnisse während des Aufenthalts in der Ruckteschell-Villa wieder etwas aufzufrischen. "I'll try", sagt sie und grinst.

Hayley Reardon spielt am Samstag, 25. September, im Dachauer Café Gramsci. Alle Informationen hierzu und zu weiteren Auftritten findet man auf ihrer Homepage hayleyreardon.com.

© SZ vom 18.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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