Dachau:Gruppentherapie

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Stadträte und Verwaltung ringen darum, den Haushalt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Dafür diskutieren sie in nicht-öffentlichen Treffen, an welchen Stellen in Zukunft gespart werden muss. Die Aufgabe hat die Fraktionen offenbar zusammengeschweißt.

Von Julia Putzger und Jacqueline Lang, Dachau

Vollkommene Einigkeit, erst recht bei Haushaltsthemen, ist unter den Dachauer Stadträten eher selten. Besonders wenn es ums Sparen ging, gab es in der Vergangenheit heiße Debatten, für welche Projekte man in nächster Zeit Geld zur Verfügung stellt und für welche nicht. Eine Arbeitsgruppe zur Konsolidierung des Haushalts, bestehend aus je einem Vertreter der politischen Gruppierungen im Stadtrat und den Sachgebietsleitern der Verwaltung, sollte nun Vorschläge für Sparmaßnahmen erarbeiten. Schon im Vorfeld ahnten viele: Das wird nicht einfach, geschweige denn harmonisch. Umso erstaunlicher ist deshalb, was die Stadträte aller Gruppierungen nun aus der Arbeitsgruppe berichten: Unisono ist nämlich von "konstruktiven", "wohltuenden" und "erfreulichen" Diskussionen die Rede.

Woher rührt der plötzliche Sinneswandel? Einerseits scheint mittlerweile allen Stadträten der Ernst der Lage bewusst geworden zu sein - in Folge der Coronapandemie sinken die Steuereinnahmen, gleichzeitig müssen kostenintensive Pflichtaufgaben ebenso wie politisch gewollte Großprojekte gestemmt werden. Andererseits scheint sich das Format der Arbeitsgruppe, bei der nicht in aller Öffentlichkeit debattiert wird, bewährt zu haben. Niemand habe sich profilieren wollen, sagt etwa Stadtrat Thomas Kreß (Grüne). Die CSU, auf deren Antrag die Haushaltskonsolidierung zurückgeht, hatte sich zwar weniger eine AG, sondern konkrete Vorschläge von Oberbürgermeister und Verwaltung gewünscht, Fraktionsvorsitzender Florian Schiller (CSU) muss letztlich aber zugeben: "Das Format ist schon gut." Eine gewisse Skepsis ist bei ihm dennoch nicht zu überhören: "Ob sich das Zeitinvestment gelohnt hat und ob die Maßnahmen weit genug gehen, wird sich erst nach den Beschlüssen zeigen."

Peter Gampenrieder wünscht sich mehr "unternehmerisches Denken"

Denn trotz der von allen gepriesenen konstruktiven Diskussionen sind sich die Stadträte längst nicht einig, was der Sparkurs im politischen Alltag bedeutet. Dabei im Fokus: Die Anträge. Erst vor einigen Wochen tat etwa die CSU in ihrem Stadtratsblog ihren Unmut über Anträge anderer Parteien kund, von denen schon im Vorfeld klar sei, dass ihre Umsetzung aktuell nicht leistbar sei. Auch Peter Gampenrieder (ÜB) wunderte sich jüngst beim Beschluss der Baumschutzverordnung, warum an einer Stelle munter Mehrausgaben beschlossen werden, während man sich in der Arbeitsgruppe den Kopf über Einsparungen zerbreche. Er gibt zwar zu, dass auch seine Fraktion viele Anträge einbringt und "die Politik von Anträgen lebt", wünscht sich jedoch mehr "unternehmerisches Denken" und die Einsicht, dass nicht alles umsetzbar sei.

Der Kritik an den Anträgen, explizit auch denen seiner Fraktion, kann Bündnis-Stadtrat Michael Eisenmann nicht folgen: "Das sind wichtige Themen für die Zukunft unserer Stadt." Jürgen Henritzi (AfD) findet ebenfalls "legitim", Anträge zu stellen. Gleichwohl wünscht er sich "weniger ideologisch motivierte Anträge" von seinen Stadtratskollegen. Stadtkämmerer Thomas Ernst mahnt beim Thema Anträge: "Haushaltsdisziplin sollte sich nicht nur auf die Phasen der Konsolidierung und der Haushaltsaufstellung beschränken, sondern auch auf die Zeit dazwischen."

Stadtrat Wolfgang Moll (Wir) kann sich dem nur anschließen: "Es ist noch nicht bei allen angekommen, dass wir aus der Komfortzone raus müssen." Er erklärt weiter: "Wenn wir irgendwo Millionen einsparen könnten, dann hieße das ja, dass wir in den letzten Jahren verschwenderisch waren. Aber alle Ausgaben waren gerechtfertigt." An manchen Stellen müsse man nun jedoch weniger "großzügig" sein, denn "von selber ändert sich nichts".

Langwieriger Prozess

Dazu ergänzt Florian Schiller von der CSU: "Das ist jetzt ein Prozess über mehrere Jahre und nicht so schnell abgeschlossen." Man dürfe die wenigen kleinen Spielräume, die sich bieten würden, nicht allzu sehr ausnutzen - "sonst stehen wir sehr schnell wieder an dem gleichen Punkt", so Schiller.

Peter Gampenrieder betont diesbezüglich: "Wir müssen es aus eigener Kraft schaffen." Nur auf die Konjunktur zu hoffen, sei naiv. Stattdessen brauche es ein Gesamtpaket, um die Blockade im Verwaltungshaushalt zu lösen. Stadtrat Michael Eisenmann (Bündnis für Dachau) sieht dabei auch den Freistaat in der Verantwortung: Würde dieser die Kosten für die Kinderbetreuung tragen, gäbe es die finanzielle Misere in Dachau überhaupt nicht, ist er überzeugt.

An welchen Stellen genau es künftig weniger Geld gibt, das ist aktuell noch nicht in Erfahrung zu bringen. Die Stadträte zeigen erneut Geschlossenheit und halten sich an ihre interne Abmachung: Selbst auf Nachfrage will keiner der politischen Vertreter Genaueres aus den bisher drei Sitzungen preisgeben, die letzte findet an diesem Dienstag statt. Außerdem erarbeitet die Arbeitsgruppe nur Vorschläge, über die dann die Stadträte im Haupt- und Finanzausschuss entscheiden - dann allerdings in öffentlicher Sitzung. "Ich hoffe, dass das sehr sachliche Arbeitsklima auch auf den letzten Metern anhält", sagt Stadtkämmerer Thomas Ernst. Er geht jedoch davon aus, dass die Stadträte den Vorschlägen "überwiegend zustimmen" werden. Vorerst bilden die Vorschläge der Arbeitsgruppe aber ohnehin nur Rahmen, wo genau und wie viel dann gespart wird, müsse erneut diskutiert werden, erklärt Ernst. Fest steht für den Kämmerer jedoch schon jetzt: "Wir werden dieses Jahr anders in die Haushaltsaufstellung gehen."

© SZ vom 08.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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