Süddeutsche Zeitung

Stadthaushalt:Ein Resultat gemeinsamen Ringens

Der Dachauer Haushalt ist eine Kompromisslösung, an der alle Fraktionen mitgewirkt haben. Trotz Kritik im Detail tragen fast alle Stadträte den Entwurf mit. Nur ÜB und FDP stellen sich quer: Sie hätten sich mehr Geld für die Sportvereine gewünscht.

Von Jacqueline Lang, Dachau

Vor ziemlich genau einem Jahr hatte man sich im Stadtrat darauf geeinigt, die Haushaltsreden den anderen Fraktionen und der Presse nur schriftlich zu übergeben, der Pandemie wegen. Man sei damals, so sagte es Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) bei der letzten Stadtratssitzung in diesem Jahr, davon ausgegangen, dass man "heuer, ein Jahr später, wieder eine normale Haushaltsdebatte führen" würde können. Das ist jedoch nicht der Fall. Und so hatten sich die Gremiumsmitglieder sozusagen auf einen Kompromiss geeinigt: Jeder bekam nur fünf Minuten Redezeit. Für die meisten reichte das, um gewohnt scharf gegen politische Kontrahenten zu schießen. Die Fraktion aus ÜB und FDP ging sogar noch einen Schritt weiter: Peter Gampenrieder und Ingrid Sedlbauer (beide ÜB) sowie Jürgen Seidl (FDP) kritisierten den Haushalt nicht nur, sie lehnten ihn komplett ab.

Das mag insofern überraschen, als im Vorfeld besonders intensiv über den Haushalt für das Jahr 2022 gerungen worden war. Angesichts der angespannten Lage hatte sich eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aller Fraktionen zusammengefunden, um Konsolidierungsgespräche zu führen. Fragte man in den vergangenen Wochen nach, hieß es bei den Parteien und Gruppierungen immer, die Gespräche seien sehr konstruktiv verlaufen. In Teilen wiederholen das die Rednerinnen und Redner auch in ihren kurzen Beiträgen noch einmal. Andere wiederum üben heftige Kritik. Ein Überblick über die einzelnen Positionen:

OB Florian Hartmann (SPD)

Auch in fünf Minuten könne man "mächtig Kritik üben", so Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann in seiner Rede. Doch angesichts der Pandemie verspüre er nicht "geringste Lust dazu". Bei dieser Haushaltskonsolidierung habe man festgestellt, "dass es kaum Stellschrauben gibt, an denen Einsparungen vorgenommen werden können". Schließlich habe man auch vor der Pandemie "das Geld nicht einfach so aus dem Fenster geschmissen". Unabhängig davon, wie sich die Coronakrise weiterentwickle, sei er der festen Überzeugung, "dass wir eine staatliche Reform der Kommunalfinanzierung brauchen, wenn die Kommunen mittel- und langfristig ihre Leistungsfähigkeit behalten sollen".

Florian Schiller (CSU)

"In Ordnung ist dieser Haushalt nicht", das schickte der Sprecher der CSU-Fraktion Florian Schiller gleich vorweg. Immerhin sei es bereits der dritte Haushalt in Folge, der einen "negativen Verwaltungshaushalt in Millionenhöhe" aufweise, sämtliche Investitionen müssten über Schulden finanziert werden. Doch auch, wenn man den Blick auf konkrete Vorhaben richte, sieht es laut Schiller nicht gut aus: Die Kosten für den Bau des neuen Hallenbads etwa stiegen ständig. Auch wie es mit dem Bau der Schulturnhalle, die auch vom ASV Dachau genutzt werden könne, weitergehe, sei "völlig offen". Ebenso wenig gebe es einen "Fahrplan" für das MD-Gelände. Dass in den Klassenzimmern immer noch keine Luftreiniger stünden, sei "bitter". Gleichwohl stehe man als CSU-Fraktion "zum Erreichten bei der Haushaltskonsolidierung". Mit einer Zustimmung wolle man das Signal geben: "Wenn wir hier zusammenstehen, stehen wir das hier zusammen durch."

Michael Eisenmann (Bündnis)

Der Sprecher des Bündnis für Dachau wirft einigen Kollegen im Stadtrat vor, sich in "Populismus" zu verlieren. Namen nannte er keine, doch die Beispiele ließen vermuten, gegen wen sich die Kritik richtete: nämlich gegen die CSU. So sei es unverständlich, wie man eine Verkehrswende beschwören könne, nur um dann die Autovorherrschaft "entgegen jeder wissenschaftlichen Expertise" zu verteidigen. "Der massive Siedlungsdruck verdrängt immer mehr Grün in unserer sonst so grünen Stadt", so der Bündnis-Sprecher. Es gelte daher, den Klimawandel "vor Ort zu moderieren", etwa durch eine Baumschutzverordnung. Eisenmann sieht allerdings ein Strukturproblem: "Weit mehr als die Hälfte aller Ausgaben können von uns nicht beeinflusst werden - Tendenz steigend." Dennoch müssten die Georg-Scherer-Halle oder das Musikheim der Knabenkapelle dringend erneuert werden.

Der Haushalt in Zahlen

Einen der größten Posten im städtischen Haushalt machen auch 2022 wieder die Personalkosten aus, die mit 33,03 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr noch einmal um 1,44 Millionen Euro steigen. Zu Buche schlagen auch die Zuschüsse für die Kinderbetreuung mit 15,6 Millionen Euro sowie die Zuschüsse an die Stadtwerke für den innerstädtischen Busverkehr, die zwar nicht die Große Kreisstadt alleine stemmen muss, aber die mit 2,95 Millionen Euro doch für den Löwenanteil aufkommt. Ein weiterer Kostenfaktor ist die Kreisumlage, die für das kommende Jahr auf 49 Prozentpunkte steigt und im Haushalt mit 33,16 Millionen Euro auftaucht. Demgegenüber stehen deutlich geringere Steuereinnahmen: Mit rund 80,9 Millionen Euro sind sie zwar höher als im Vorjahr (76,7 Millionen Euro), aber immer noch geringer als in Vor-Pandemie-Zeiten. Vor allem die Gewerbesteuereinnahmen fallen mit 22,5 Millionen Euro niedrig aus - trotz Hebesatzanpassung. Das Gesamtvolumen beläuft sich auf rund 157 Millionen Euro. jala

Jasmin Lang (Grüne)

Bei der Haushaltskonsolidierung habe man sich erstmals nicht fragen müssen, wann man sich gewisse Dinge leisten könne, sondern ob man sie sich überhaupt noch leisten könne. Das sei "bitter, aber notwendig". Die Haushaltssatzung für das kommende Jahr sei "das Beste, was dieses Jahr möglich war". Gleichwohl wolle sich ihre Fraktion bei den Kita-Gebühren dafür einsetzen, dass diese einkommensabhängig erhoben werden. Grundsätzlich plädiere man dafür, Gebühren öfter "kostendeckend" anzusetzen. Und man wolle "den Klimaschutz wieder in den Fokus rücken".

Peter Gampenrieder (ÜB/FDP)

Die Fraktion aus ÜB und FDP stimmte als einzige gegen den Haushalt 2022. Der Grund: "Wir rollen eine Art Schattenhaushalt bei den Investitionen von Jahr zu Jahr weiter." Als Beispiel für die "großen Aufgaben mindestens bis zum Ende des Jahrzehnts" nannte auch Gampenrieder die geplanten Sportstätten. Es sei "beschämend", dass man die beiden Dachauer Sportvereine nicht besser unterstütze. Gerade deshalb sei es notwendig, den Beschluss für das Gelände des ASV von der unrealistischen neuen Eishalle zu entkoppeln. Kritik übte Gampenrieder an den vielen neu geschaffenen Stellen in der Verwaltung, ebenso wie an den bislang nicht beschafften Luftreinigern. "Insgesamt sehen wir es als schwierig an, dass absolut notwendige und zeitlich absehbare Investitionen aus dem Zeithorizont der mittelfristigen Finanzplanung herausgehalten werden." Seine Fraktion fordere daher eine "echte Haushaltskonsolidierung".

Horst Ullmann (FWD/BfD)

Horst Ullmann (BfD) schloss sich in vielen Punkten seinen Vorrednern an: Dass man sich für einen Hallenbad-Neubau entschieden habe statt, wie von seiner Fraktion vorgeschlagen, für eine Sanierung, bedeute nun eine enorme Belastung für den Haushalt. Auch die Kita-Betreuung stelle eine "hohe Belastung" dar. Für die Eishalle sah Ullmann ganz schwarz: Man müsse die Sportler schon jetzt "langsam darauf vorbereiten", dass sie sich in naher Zukunft eine andere Trainingsstätte suchen müssten.

Wolfgang Moll (Wir)

Bezogen auf die Haushaltsdebatten sagte Moll, dass sich zwar gezeigt habe, dass alle etwas tun wollten, aber gleichwohl in Teilen die Bereitschaft fehle, "die Komfortzone" zu verlassen. Die Gewerbesteuererhöhung etwa empfinde er "als sehr unglücklich"; dadurch bitte man die ohnehin gebeutelten Unternehmer zur Kasse. Gleichwohl sei damit "keine rote Linie" erreicht worden, die dazu geführt hätte, dass er den Haushalt hätte ablehnen müssen. "Es wäre in unseren Augen in Zeiten wie diesen sicher das falsche Signal, mit einer Ablehnung für zusätzliche Unruhe zu sorgen."

Jürgen Henritzi (AfD)

Man habe auf "rosige Zeiten gebaut", doch diese würden nun wohl erst einmal nicht eintreten, sagte Jürgen Henritzi. Viele Dachauer Unternehmen seien auf Coronahilfen angewiesen - das habe auch Folgen für den Haushalt. Nicht verpflichtende Ausgaben gelte es deshalb weiter "auf den Prüfstand" zu stellen. Zudem seien die Stadträte dazu aufgerufen, die Arbeit der Arbeitsgruppe zur Konsolidierung fortzusetzen. Diese Arbeit wolle man gerne weiter "kritisch und konstruktiv begleiten".

Anke Drexler (SPD)

"Dieser ausgewogene Haushalt basiert auf einer maßvollen Anpassung der Hebesätze, der Deckelung von Sachkosten und einer klugen Personalpolitik", so die SPD-Sprecherin. Anders als viele Vorredner konzentrierte sich Drexler auf das, worauf man als Stadträtin stolz sei: Bis auf die Spitzensportförderung seien die Förderungen der beiden Vereine unangetastet geblieben. Auch im Bereich Digitalisierung habe man viel erreicht - dank guten Personals. Wie OB Hartmann fordert auch seine SPD, dass die "Basisförderung für Kommunen" spürbar erhöht werden müsse.

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SZ vom 09.12.2021
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