Viktoria Ledermann ist nicht dafür bekannt, besonders aufbrausend zu sein. Als sie am Freitagmorgen von ihrem Platz im Zuschauerraum des großen Sitzungssaals aufsteht und unaufgefordert das Wort ergreift, weiß man deshalb: Ihr reicht’s gewaltig. „Wieder und wieder warten wir“, bricht es aus ihr heraus. Mit ‚wir‘ meint Ledermann die Schulfamilie der Greta-Fischer-Schule, der man seit etlichen Jahren immer wieder Lösungen für ein in Teilen zunehmend marodes Schulgebäude präsentiert – nur, um das Thema dann doch wieder zu vertagen. Davon, dass der Förderbedarf im Landkreis laut Schulamtsleiter Albert Sikora längst das übersteigt, was Schulleiterin Ledermann und ihr Team mit der Greta-Fischer-Schule auffangen können, ganz zu schweigen.
Nur wenige Minuten zuvor hatte Ledermann – zu diesem Zeitpunkt noch mit der Erlaubnis von Landrat Stefan Löwl (CSU) – mit Nachdruck geschildert, dass nach rund 13 Jahren des Wartens nun zeitnah etwas passieren müsse, sie und ihr Team seien mit der „Energie und den Nerven am Ende“. Ledermanns Schilderungen vorweggegangen waren da gerade Jörg Bögeholz’ Vorstellung der neuesten Pläne der Verwaltung im Hinblick auf das weitere Vorgehen in Sachen Ausbau Greta-Fischer-Schule.





Die Landkreisverwaltung favorisiere, so Bögeholz, das „Szenario 2“, wie es in der Beschlussvorlage genannt wird. Ein solches sähe vor, dass die schulvorbereitende Einrichtung (SVE) der Greta-Fischer-Schule dauerhaft an den Standort an der Steinstraße ausgelagert, das sogenannte Haus 2 abgerissen und dafür ein Teilersatzbau errichtet wird. Teilersatzbau bedeutet laut Bögeholz „50 % + X“, sprich ein Gebäude das etwa halb so groß oder ein bisschen größer ist als das bestehende Gebäude. Kosten würde das Ganze laut Bögeholz einen „mittleren Millionenbetrag“, näher will er sich nicht festlegen. Baubeginn könnte, je nach Beschlusslage, schon im Herbst 2026 sein. Allein, eine „Ausweitung der Förderschulkapazitäten am Standort Dachau“ wäre bei diesem Szenario bis auf Weiteres vom Tisch.
Die Alternative – sprich „Szenario 1“ – wäre die dauerhafte Auslagerung eines größeren Bereichs der Greta-Fischer-Schule, zum Beispiel die gebundenen Ganztagsklassen, an den Standort Steinstraße und die „sukzessive Ausweitung der Förderschulkapazitäten“. Auch in diesem Fall würde das Haus 2 abgerissen werden, allerdings ohne dafür einen Ersatzbau am Standort an der Thoma-Wiese zu errichten. Baubeginn bei dieser Variante wäre laut Bögeholz wohl frühestens 2027 - und teurer wäre sie wohl auch.
Es ist schließlich Kolbe der beantragt, die Entscheidung zu vertagen
Die Verwaltung hat diese zwei Szenarien im Nachgang zu einer Sitzung vom 12. Juli 2024 als Alternative zur sogenannten „großen Lösung“ erarbeitet. Eine solche hätte vorgesehen, das Haus 2 nicht nur in Teilen zu ersetzen, sondern in vollem Umfang oder womöglich sogar darüber hinaus. Ein solcher Ersatzbau würde nach aktuellen Schätzungen aber rund 20 Millionen Euro kosten. Geld das der Landkreis derzeit und wohl auch auf längere Sicht schlicht nicht hat. Deshalb und aufgrund der dargestellten vorhandenen Alternativen sei, so die Verwaltung, „die Weiterverfolgung der ‚großen Lösung‘ nicht zu empfehlen“.
Anders als Sachgebietsleiter Bögeholz und Schulleiterin Ledermann das mit ihren Ausführungen vermutlich intendiert haben, entspinnt sich in der Folge eine Diskussion darüber, ob eine solche Zwischenlösung mit Blick auf den offensichtlich doch viel höheren Bedarf wirklich ausreichend ist. Und was, bitteschön, soll besagte kleine Lösung eigentlich kosten? Allein die Grünen, allen voran Kreisrätin Marese Hoffmann, betonen, dass es doch nun in erster Linie darum gehen müsse, eine „schnelle Verbesserung“ für Ledermann und ihr Team zu erwirken. Je länger die Diskussion andauert, desto klarer wird jedoch: Damit haben die Grünen selbst mit den Stimmen der SPD keine Mehrheit im Kreisausschuss.
Es ist schließlich CSU-Kreisrat Stefan Kolbe, der beantragt, die Entscheidung zu vertagen. Jede präsentierte Lösung sei nach allem, was Ledermann vorgetragen habe, letztlich „nicht nachhaltig“, weil sie weder den Bedürfnissen der Greta-Fischer-Schule ganz gerecht werde, noch den Mehrbedarf an Förderschulplätzen insgesamt decke. Wenn man sich für eine der von der Verwaltung präsentierten Szenarien entscheide, gebe man also nur viel Geld für „Zwischenlösungen“ aus. Ganz unrecht mochte er damit nicht haben, selbst Schulleiterin Ledermann würde dem zustimmen. Wobei es auch kein Geheimnis ist, dass sie sich wünschen würde, dass sie mit ihrer Schule neue, sanierte Räumlichkeiten in Dachau beziehen kann, und es daneben einen zweiten Förderschulstandort im Norden des Landkreises gibt.
Trotzdem war es der Moment, in dem Kolbe von Vertagung sprach, in dem Ledermann endgültig der Kragen platzte. Sie hatte ja schließlich zuvor bereits selbst Kritikpunkte an dem vorgeschlagenen Szenario geäußert. Zum Beispiel wäre es ihr lieber, wenn die SVE nicht ausgelagert werden müsste. Für sie als Schulleiterin würde das schließlich einen hohen logistischen Mehraufwand bedeuten. Außerdem: Laut Bögeholz sind die Pavillons noch für rund zehn Jahre nutzbar, was aber ist danach? Muss die Greta-Fischer-Schule sich dann wieder eine neue Bleibe auf Zeit suchen? Und überhaupt: Wie kann es sein, dass ein Gebäude, das schon vor Jahren als nicht mehr sanierungsfähig galt, gut genug für die Kinder der Förderschule ist? All das Fragen, die sie freilich nicht im Ausschuss stellt, sondern ein paar Tage danach am Telefon. Man merkt, das Thema treibt sie um.
Für den 28. April ist eine Sondersitzung geplant
Und gerade deshalb wiederholt sie am Telefon: Jede Lösung, egal wie gut oder schlecht, wäre besser, als weiter abzuwarten. Eine Mehrheit im Kreisrat war sich da am Freitag – und ja, vielleicht schon davor – dann aber doch nicht mehr so sicher.
Landrat Löwls Vorschlag zur Güte: Die Entscheidung wird bis zur Sitzung am 11. Juli vertagt, bis dahin soll die Verwaltung die Alternativen noch einmal genauer ausarbeiten und vor allem einen genaueren Zeitplan vorlegen. Allerdings warnte Löwl: Auch im Sommer werde man noch keine „belastbaren Zahlen“ hinsichtlich der Kosten präsentieren können. Nachdem CSU-Kreisrat Josef Riedlberger erklärt hatte, er wisse zwar, wie es im Haus 2 aussehe, nicht aber wie in den Pavillons an der Steinstraße, schlug Löwl zudem noch eine Sondersitzung im April oder Mai vor. Bereits am Montag darauf stand fest: Die nicht-öffentliche Sondersitzung soll am 28. April stattfinden.
Dann wollen sich die Kreisrätinnen und Kreisräte gemeinsam die zwei Standorte noch einmal anschauen, um so zu einer möglichst fundierten Lösung zu kommen. Ledermann, die nach einem Ordnungsruf durch Löwl wieder verstummt war, schüttelte zu diesem Zeitpunkt nur noch ungläubig den Kopf. Sie fürchtet nämlich, dass die Vertagung für sie vor allem eines bedeutet: Vor 2027 passiert wieder nichts.