„Die Andeutung einer Zuflucht“, so nannte Christian Reger, der erste Pfarrer der evangelischen Versöhnungskirche an der KZ-Gedenkstätte Dachau, das sakrale Bauwerk, das mehr in als auf dem Gelände steht. Errichtet wurde die Kirche vor 60 Jahren. Das Ende des Zweiten Weltkriegs lag da erst 20 Jahre zurück. Zu diesem runden Jahrestag fand auf dem Gelände des einstigen KZ-Häftlingslagers in Dachau am 8. Mai 1965 der Gottesdienst zur Grundsteinlegung der Evangelischen Versöhnungskirche statt.
Dazu waren zahlreiche überlebende Häftlinge nach Dachau gekommen, aber auch Vertreter von Staat, Gesellschaft und Religionsgemeinschaften aus mehreren Ländern. Die Versöhnungskirche wurde bis Frühjahr 1967 unter Beteiligung von evangelischen Kirchen in den Niederlanden, in Polen, in der damaligen Tschechoslowakei, in Frankreich und in Deutschland (und zwar West wie Ost) errichtet. Es sollte ein Ort sein, an dem an alle Opfer des Konzentrationslagers Dachau erinnert wird – und auch an die schuldhafte Verstrickung weiter Teile des deutschen Protestantismus in den Nationalsozialismus.
Charlotte Knoblochs Vater war bei der Grundsteinlegung dabei
In der Versöhnungskirche wird am Sonntag, 11. Mai, mit einem Gottesdienst und anschließendem Empfang an diese beiden historischen Daten erinnert; die Veranstaltung geht von 11 bis etwa 12.30 Uhr. Unter den Rednern ist Professor Hubertus von Pilgrim, der für die von Helmut Striffler gestaltete Kirche das eindrückliche Wandrelief an der Zugangsmauer schuf. Es hat ihn später beim Entwurf seines Todesmarsch-Mahnmals inspiriert. Außerdem sprechen Pieter Dietz de Loos, dessen Vater Dirk de Loos den Bau einer evangelischen Gedenkkirche mit dem Comité International de Dachau initiiert hat, und Charlotte Knobloch, Shoah-Überlebende und Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. 1965 hatte ihr Vater, Fritz Neuland, die jüdische Gemeinschaft bei der Grundsteinlegung vertreten.
Als Ehrengäste nehmen die niederländische Generalkonsulin Annelies Faro und der polnische Generalkonsul Rafał Wolski teil, sowie die Landtagsabgeordneten Bernhard Seidenath (CSU) und Katja Weitzel (SPD), Altbezirkstagspräsident Josef Mederer (CSU), Bezirksrätin Stephanie Burgmaier (CSU), Vizelandrätin Marianne Klaffki (SPD) und der Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD).
Walter Joelsen wurde nach seiner Haft Pfarrer
Die Predigt hält der ehemalige Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. An der Gestaltung des Gottesdienstes beteiligen sich Mitglieder des Internationalen Kuratoriums der Versöhnungskirche. Unter ihnen ist auch Hana Pfannová, die Enkeltochter des tschechischen KZ-Dachau-Überlebenden Eugen Zelený. Die protestantische Kirche in den Niederlanden werden vertreten von Pfarrerin Marieke Fernhout und Pfarrer Klaas Touwen.
Erwartet wird der Enkelsohn des KZ-Dachau-Überlebenden Pieter Kapenga, Peter Sierksma. Zugesagt hat auch der Künstler Alfred Ullrich; drei seiner Onkel aus der österreichischen Sinti-Familie Endres wurden ins KZ Dachau verschleppt. Sebastian Probst, ein Enkelsohn von Christoph Probst aus dem Widerstandskreis Weiße Rose, nimmt ebenso teil wie Heidi Delbeck, die Tochter des kommunistischen Widerstandskämpfers Karl Delbeck. Zugegen sind auch Karin und Gisela Joelsen. Sie sind die Töchter von Walter Joelsen, der wegen seiner jüdischen Wurzeln verfolgt wurde. Nach seiner Befreiung aus dem Lager wurde Walter Joelsen evangelischer Pfarrer. Über Jahrzehnte, bis kurz vor seinem Tod 2023, war er als Prediger und Zeitzeuge in Dachau aktiv. Musikalische gestaltet wird der Gottesdienst vom Münchner Gospelchor Sankt Lukas.