Architektur in Dachau:Gestaltungwille

Architektur in Dachau: Emil Kath vom Architekturforum findet den Baywa-Turm am Stadtbahnhof zwar gelungen.

Emil Kath vom Architekturforum findet den Baywa-Turm am Stadtbahnhof zwar gelungen.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Der Spaziergang des Architekturforums zum Wohngebiet am Stadtbahnhof führt mitten in die Diskussion hinein, welche Qualität des Bauens Dachau will. Erstmals beteiligt sich auch ein Oberbürgermeister.

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Irgendwann in zehn, 20 Jahren, wenn das MD-Gelände in Dachau bebaut ist, werden die Menschen gegenüber am Stadtbahnhof vielleicht darüber nachdenken, wie sie den Lärm am S-Stadtbahnhof und den Verkehr raus aus der Unterführung reduzieren könnten. Wenn sie dann den Entwurf von Landschaftsarchitektin Gunda Reuter zu Hand nähmen, würden sie wahrscheinlich bedauern, dass er nicht vollständig verwirklicht wurde.

Ihre Idee war es, einen echten Grünzug auf dem ehemaligen Baywa-Gelände entlang der früheren Linie A und neuen S 2 Altomünster zu legen, der den Namen auch verdient. Gunda Reuter sagt: "Wenn man das Gefühl hat, dass ein großer Baum inmitten des Grün steht", dann, aber erst dann, ist ihrer Ansicht nach die Dimension eines Parks erreicht. Unter diesem Blickwinkel entsteht dort gerade ein netter Grünzug, der sich dezent in die Anlage samt Kinderspielplatz hinein verlängert.

Architektur in Dachau: Aber er hätte sich eine Lösung gewünscht, welche Bauweise und Geschichte des Lagerhauses aufgenommen hätte.

Aber er hätte sich eine Lösung gewünscht, welche Bauweise und Geschichte des Lagerhauses aufgenommen hätte.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Spaziergänge durch Wohn- und Baugebiete zählen zu den besten Veranstaltungen des Dachauer Architekturforums, das es seit mehr als zwei Jahrzehnten gibt. Denn jeweils an einem Beispiel erörtert ein Experte die Baupolitik der Stadt Dachau. Aber dieses Mal haben sich so viele Interessierte beteiligt wie noch nie; weder bei der Führung durch die historischen Künstlervillen noch bei dem brisanten Baugebiet am Udldinger Weiher im Westen der Stadt. Die Fragen drehen sich immer darum, was aus Bebauungsplänen und Entwürfen von Architekten geworden ist. Sind sie noch erkennbar? Ist vielleicht sogar etwas Besseres entstanden? Welche Kompromisse zwischen Gestaltung und wirtschaftlicher Kalkulation der Bauherren und Bauträger sind gefunden worden?

Die Malervillen des ausgehenden 19. Jahrhunderts - damit der großen Zeit der Dachauer Künstlerkolonie - verlieren sich in einer extrem dichten Bauweise beispielsweise in der Hermann-Stockmann-Straße. Und das ursprünglich als ökologisch vorbildhaft geplante Baugebiet im Westen ist zu einem konventionellen geworden. In beiden Fällen hatten sich Grundeigentümer und Bauträger stets erfolgreich beim Stadtrat gegen dessen eigene Beschlüsse durchgesetzt. Lapidar wird der Vorgang als "Befreiung vom Bebauungsplan" tituliert.

In den vergangenen Jahren hatte das Architekturforum auf die Spaziergänge verzichtet. Aus seiner Sicht hatte die Kommunalpolitik unter dem früheren Oberbürgermeister Peter Bürgel (CSU) an Gestaltungsfragen wenig Interesse. "Das ist jetzt anders", sagte der Vorsitzende des Architekturforums, Regierungsbaumeister Emil Kath. Er erzählte der SZ, dass seit einigen Monaten Stadträte auf ihn zukämen, um sich über Gestaltungsfragen zu unterhalten. "Sie wollen sich beraten und Meinungen einholen."

Architektur in Dachau: Emil Kath konzidierte: "Das ist Geschmackssache."

Emil Kath konzidierte: "Das ist Geschmackssache."

(Foto: Toni Heigl)

Nun würde man meinen, dass vor allem Mandatsträger der SPD oder der Grünen den Kontakt suchen würden. Immerhin unterstützen sie den neuen Oberbürgermeister Florian Hartmann. Weit gefehlt: Kath nennt CSU-Stadträte, deren Namen er allerdings nicht veröffentlicht wissen will. Deshalb vermutet er und wünscht sich zugleich, dass in Dachau eine "neue Offenheit" für qualitatives Bauen entsteht. Deswegen freute er sich darüber, dass mehr als 80 Dachauer Bürger teilnahmen. Auch zahlreiche Stadträte aller Fraktionen, dazu der Fraktionsvorsitzende der CSU im Kreistag, Wolfgang Offenbeck aus Karlsfeld. Und ein Novum überhaupt: der amtierende Oberbürgermeister der Stadt Dachau. Aktuell Florian Hartmann (SPD). Zu Beginn des Spaziergangs fühlt sich Kath in einer für ihn wichtigen Entscheidung bestätigt. Er blickte in die Runde und sagte: "Deshalb habe ich den Vorsitz des Architekturforums übernommen." Hartmann bildet mit dem CSU-Landtagsabgeordneten und Kreisvorsitzenden Bernhard Seidenath den Beirat der Organisation.

Vielleicht entwickelt sich in der Stadt tatsächlich etwas Neues. Zumindest könnte die Baupolitik sich dahin gehend verändern, dass nicht mehr nur "das Recht des Eigentümers gilt, wie unter Peter Bürgel", sagte einer der Architekten. Als abschreckender Beleg für diese rein juristische Haltung gelten die Stockmann-Gärten von Bauträger Herbert R. Ullmann (Ihr Eigenheimprofi), der auch maßgeblich an der Entwicklung der MD-Industriebrache neben der Altstadt involviert ist.

Emil Kath hatte gemeinsam mit Landschaftsarchitektin Gunda Reuter das Baugebiet am Stadtbahnhof konzipiert. In Vorentwürfen entwickelten sie die Idee eines kleinen Quartiers inmitten der Stadt mit viel Grün. Deshalb empfahlen sie komprimierte, vierstöckige Baukörper und setzten sowohl beim Grundstückseigentümer, der Baywa, als auch bei der Stadt durch, dass das prägnante Lager-Hochhaus erhalten bleibt. Auf diese Weise ist es dem Architektenpaar gelungen, dass 43 Prozent des gesamten Areals für die Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Kath sagte auf dem Spaziergang: "Das ist ein sehr guter Wert." Auch wenn der Stadtrat bei seinem Beschluss auf die Dimension eines echten Grünzugs und des Parks als Zentrum, wie ihn Gunda Reuter wollte, verzichtete.

Deshalb gab es diesmal auch keine Grundsatzkritik an der städtischen Baupolitik. Es blieben Wermutstropfen wie das zweite Hochhaus neben dem alten, das den Maßstab der übrigen Gebäude durchbricht. Emil Kath hätte sich die Atriumhäuser am Waldfriedhof gerne als kleinere Mehrgenerationenhäuser gewünscht und nicht zum Teil als Eigentumswohnungen, wie sie der Bauträger bei der Stadt durchgesetzt hatte. Kath sagte, dass sie in seinem Entwurf Modellcharakter gehabt hätten. Die kleinen Gassen, um die Fußwege in der gesamten Anlage zu verflechten, sind ebenfalls weggefallen. Der Spaziergang zeigte, dass Gestaltung nicht nur eine Frage des Geschmacks ist: Inhalt und Form könnten auch eine Einheit bilden. Kürzlich war das Forum zu Besuch in Amsterdam und studierte dort den Wohnungsbau. Emil Kath empfahl den Stadträten eine Reise dorthin. "Zu dieser Qualität müssen wir kommen." Dachauer Architekten und Architekturinteressierte treffen sich regelmäßig im Restaurant Steirer in Dachau. Dabei stehen aktuelle Themen des Planens und Bauens auf dem Programm. Zudem werden die Aktivitäten des Architekturforums besprochen, darunter Vorträge, Exkursionen und Führungen. Mittwoch, 8. Mai, 20 Uhr. Die nächste Exkursion führt am Freitag, 2. Oktober, nach Graz und in die Steiermark (architekturforum-dachau.de).

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