Heimatpreis für Dachauer Geschichtswerkstatt:Lebendige Geschichte

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Die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Geschichtswerkstatt, Annegret Braun, ist von Anfang an im Team dabei. (Foto: privat)

Jedes Jahr zeichnet der Freistaat Gruppen und Projekte aus, die das kulturelle Erbe bewahren. Heuer ist die Dachauer Geschichtswerkstatt unter den Preisträgern, eine Gruppe von ortsgeschichtlich Interessierten, die bei ihren Forschungen vor allem auf Zeitzeugen setzen. An diesem Dienstag ist Preisverleihung in der Münchner Residenz.

Von Alexandra Vettori, Dachau

Angesichts der Publikumserfolge, die viele der Ausstellungen der Dachauer Geschichtswerkstatt waren, haben die 30 Lokalhistoriker und -historikerinnen tatsächlich einen besonders wertvollen Beitrag zur Bewahrung des bayerischen Kulturerbes geleistet. Genau dieses Engagement soll mit dem Heimatpreis gewürdigt werden, den sie an diesem Dienstag in der Münchner Residenz erhalten.

Das erste große Thema der Geschichtswerkstatt, die bis dahin weitgehend unerforschte Nachkriegszeit im Dachauer Land, zog vor sechs Jahren viele Interessierte in seinen Bann. Die wissenschaftliche Begleitung lag schon damals bei der Kulturwissenschaftlerin Annegret Braun. Auch sie war damals überrascht von der Resonanz: "Sowohl die Wanderausstellung als auch der Aufsatzband stießen auf sehr großes Interesse, auch in den Gemeinden", erzählt sie. In 16 Orten des Landkreises war die Schau schließlich zu sehen. Fast noch höher zu bewerten als die Besucherzahlen ist, dass viele der Lokalgeschichten, die von der Geschichtswerkstatt ausgegraben werden, ohne sie in Vergessenheit geraten würden. Denn man hat es sich zu Herzen genommen, was ihnen Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler, der vor zehn Jahren den Anstoß zur Gründung gab, mit auf den Weg gab: Kümmert euch um die Zeitzeugen, solange sie noch leben.

Den Besucherrekord hält das Projekt "Die 50er Jahre - Wirtschaftswunder und Verdrängung"

Und so hat die Geschichtswerkstatt weitergemacht, mit den Biografieprojekten "Das Lager und der Landkreis" und "Georg Scherer - Ein Dachauer Leben" und dem Forschungsprojekt "Die 50er Jahre - Wirtschaftswunder und Verdrängung". Vor allem Letzteres fuhr wahre Besucherrekorde ein, bot die Ausstellung doch auch viele Alltagsgegenstände mit hohem Erinnerungsfaktor, sogar eine alte Isetta war dabei. Die jüngste Ausstellung "Geschichte(n) über Handwerk und Gewerbe" ist noch bis Mitte September im Bezirksmuseum Dachau zu sehen. Auch hier lebt die Schau vom Lokalkolorit und Gesprächen mit alten Handwerkern, etwa dem letzten Schuhmacher von Sulzemoos, der voriges Jahr gestorben ist. Bei allen Projekten, betont Braun, gehe es aber nicht nur um heimelige Erinnerungen, "wir schauen da schon auch sehr kritisch auf die Themen".

In der aktuellen Schau über Arbeitswelten im Dachauer Land ist auch eine Laufbodenkamera aus dem Studio Sessner zu sehen, samt einem Foto von Atelier Baumann aus Altomünster. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Ein wahrer Besuchermagnet war die Ausstellung über die 50er Jahre. Die ausgestellten Alltagsgegenstände weckten viele Erinnerungen. (Foto: Toni Heigl)

Der Entstehungsprozess ist stets ein besonderer. Er beginnt mit einer öffentlichen Auftaktveranstaltung, bei dem das Thema vorgestellt und Ideen gesammelt werden. Danach entwickelt Annegret Braun als wissenschaftliche Beraterin acht bis zehn Themenbereiche, an denen dann jeder und jede im jeweiligen Heimatort forschen darf. Das können Interviews mit Zeitzeugen sein oder Literaturrecherchen in Orts- und Staatsarchiven. Und schließlich entstehen, zwischen den Abstimmungstreffs, die Aufsätze, Ausstellungstexte, finden sich die alten Fotos.

Dass die Geschichtswerkstatt selbst eine kleine Erfolgsgeschichte in Sachen Sicherung des historischen Erbes ist, das sieht auch Annegret Braun so. "Die Geschichtswerkstatt hat die Heimatforscher insgesamt zusammengebracht. Früher hat jeder in seinem Ort vor sich hingeforscht. Und jetzt hat man ein Forum, und manchmal findet jemand auch etwas zu einer anderen Gemeinde."

Das nächste Thema steht auch schon fest, es geht um die Veränderung von Landschaft und Natur im Landkreis Dachau und darum, was das mit den Menschen gemacht hat. Voraussichtlich im Herbst findet die erste Veranstaltung dazu statt. "Jeder und jede kann einsteigen", wirbt Annegret Braun, "das ist vielleicht auch etwas für junge Leute, die sich für Klimawandel interessieren."

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