Gerichtsprozess:Alte Rechnung eingefordert

Zwei junge Männer wollen Schulden aus einem Drogengeschäft eintreiben und lauern ihrem Opfer auf. Das Gericht verurteilt sie nun wegen räuberischer Erpressung.

Von Jacqueline Lang, Dachau

Die beiden Angeklagten, die im Herbst 2019 versucht haben sollen, 500 Euro für ein bereits getätigtes Drogengeschäft mit Gewalt und Drohungen einzutreiben, haben Glück, dass sie zur Tatzeit noch 17 beziehungsweise erst 19 Jahre alt gewesen sind und damit noch unter das Jugendstrafrecht fallen. Denn, das betonen sowohl die Staatsanwältin als auch Richter Daniel Dorner mehrmals: Wären sie damals schon 21 Jahre oder älter gewesen, hätten sie für die schwere räuberische Erpressung, die ihnen vorgeworfen wird, für mindestens fünf Jahre ins Gefängnis wandern können. So bleibt es bei Bewährungsstrafen von drei beziehungsweise zwei Jahren und einem je zweiwöchigen Dauerarrest als "letztem Warnschuss", wie Richter Dorner sagt.

Der heute 21-jährige Dachauer und der 19-Jährige Karlsfelder schweigen am Montagnachmittag vor dem Schöffengericht, doch vor allem die Zeugenaussage einer 20-jährigen Schwabmünchnerin, die das Gericht für sehr glaubhaft hält, decken sich mit der Anklageschrift: Demnach soll der Geschädigte, ein 19-jähriger Schwabmünchner, von dem angeklagten Dachauer 50 Gramm Marihuana im Wert von 500 Euro gekauft, seine Schulden jedoch nie beglichen haben. Daraufhin machten die beiden jungen Männer aus dem Landkreis Dachau den Geschädigten gemeinsam mit zwei unbekannten Freunden ausfindig und stellten ihn schließlich im Stadtpark in Schwabmünchen im Landkreis Augsburg.

Erinnerungslücken

Da der Schwabmünchner kein Geld bei sich führte, versuchte der Karlsfelder ihm seine Versace-Armbanduhr abzunehmen, trotz des Ziehens an dessen Arm und Herumschubsens blieb dies jedoch erfolglos. Freunde des Geschädigten versuchten schließlich dazwischenzugehen, woraufhin ein 17-jähriger Schwabmünchner schließlich nach einem Faustschlag ins Gesicht am Boden landete und dort von den zwei Unbekannten gegen das Knie getreten und mit einem Schlagstock am Kopf geschlagen wurde. Die 19-jährige Schwabmünchnerin, die sich vor den Geschädigten stellte, wurde ebenfalls von einem der Unbekannten mit einem Klappmesser bedroht, als sie die Polizei verständigen wollte. Kurz darauf versuchten die Angreifer, den jungen Mann, der dem Dachauer das Geld schuldete, in dessen Auto zu zerren, um mit ihm zu dessen Wohnung zu fahren, um dort nach Wertgegenständen zu suchen. Der Schwabmünchnerin gelang es jedoch in der Zwischenzeit doch, die Polizei zu kontaktieren, woraufhin die Angreifer flohen.

Der Geschädigte, der den Vorfall bei zwei Aussagen bei der Polizei noch sehr detailliert und als "nicht wirklich lustig" beschrieben hatte, will sich vor dem Dachauer Amtsgericht an all das nicht mehr erinnern können. Richter Dorner macht deutlich, dass er sich das nicht vorstellen kann: "Ich glaub's ihnen einfach nicht." "Erinnerungslücken" seien nach eineinhalb Jahren nachvollziehbar, nicht aber das völlige Vergessen. Die Nachfrage der Staatsanwältin, ob denn seine Aussage bei der Polizei damals der Wahrheit entsprochen habe, bejaht der Geschädigte immerhin. Die Schwabmünchnerin sagt später, dass sie selbst nach dem Vorfall eine Therapeutin aufgesucht habe und auch von dem Geschädigten wisse, dass dieser zumindest zwischenzeitlich unter massiven Angstzuständen gelitten habe.

Körperliche Verletzungen davongetragen hat allen Aussagen zufolge nur der 17-jährige Schwabmünchner. Allerdings sagt er, dass sein Kopf später nur "gebrummelt" und sein Knie länger weh getan habe. Das könne aber auch mit einer Knie-OP zusammenhängen. Der Geschädigte und auch die 19-Jährige, wurden nicht verletzt. Für die Schläge, Tritte und auch das Herumfuchteln mit dem Messer sollen außerdem, das bezeugen alle einhellig, die beiden Unbekannten verantwortlich gewesen sein. Der angeklagte Dachauer habe sich an den Übergriffen gar nicht beteiligt, sagt auch die Zeugin. Sie sagt jedoch auch: "Alle haben gemacht, was er wollte."

Die beiden Verteidiger plädieren trotz der Vorwürfe für Freispruch. Ihre Argumentation: Es sei nicht erwiesen, dass es einen "Tatplan" gegeben habe, keiner der beiden Angeklagten habe Waffen bei sich getragen oder zugeschlagen. Das Schöffengericht indes sieht es als erwiesen an, dass die beiden, die auch schon in der Vergangenheit auffällig geworden sind, sich einer "besonders schweren räuberischen Erpressung" schuldig gemacht haben.

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