Kultur in Dachau:Zauberinsel Capri

Kultur in Dachau: Die Ausstellung in der Dachauer Gemäldegalerie ist noch bis März zu sehen.

Die Ausstellung in der Dachauer Gemäldegalerie ist noch bis März zu sehen.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

In der Dachauer Gemäldegalerie kann man derzeit eintauchen in die malerische Insel des 18. und 19. Jahrhunderts. Offiziell gehörte sie zwar nie zu den europäischen Künstlerkolonien, gleichwohl war sie zu jener Zeit Zufluchtsort für viele Kunstschaffende. Auch viele Dachauer Künstler verschlug es an die Amalfi-Küste.

Von Carlotta Böttcher, Dachau

Es muss eine beflügelnde Zeit gewesen sein, die die Künstlerin Ilna Ewers-Wunderwald mit ihrem Ehemann, dem Schriftsteller Hanns Heinz Ewers, zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf Capri verbrachte: Nackt am Strand liegend, mit halluzinogenen Drogen die Grenzen der Kunst erweiternd, auf Klettertouren bis dato unbekannte Grotten entdeckend - das Leben auf Capri war unbeschwert und leicht, die Insel zog Kunstschaffende aus ganz Europa in ihren Bann und wurde zum romantischen Sehnsuchtsort erklärt. Auf Capri konnte man abseits der Norm leben und auf Gleichgesinnte treffen - auch wenn das ab und an zu merkwürdigen Begegnungen führte. So musste das Künstlerpaar Ewers 1904 die Insel fluchtartig verlassen, weil Hanns Ewers in einer Wirtshausschlägerei einem Anwalt einen Teil seiner Nase abbiss. Um der Strafe zu entgehen, floh das Paar nach Deutschland.

Mit dieser Anekdote beginnt Elisabeth Boser die Führung durch ihre Ausstellung "Zauberhaftes Capri. Ein Paradies für Künstler", die seit Ende September und noch bis Mitte März in der Dachauer Gemäldegalerie zu sehen ist. Die Kuratorin erklärt, dass Capri "eine Insel für Außenseiter, Leute, die anders leben wollten" war. Offiziell gehörte Capri zwar nie zu den europäischen Künstlerkolonien, in der Geschichte der Insel finde man jedoch das gleiche Moment, das auch andere Künstlerkolonien auszeichnete: Die Flucht aufs Land, der Rückzug aus dem Trubel der großen Städte, um sich gänzlich der Natur zu widmen. Künstlerkolonien entstanden zum Großteil in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und spielten bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs eine wichtige Rolle in der europäischen Kunstszene - was auch auf Capri zutrifft.

Bereits in der Antike war Capri beliebter Rückzugsort

Bereits in der Antike war die kleine Insel im Golf von Neapel ein beliebter Rückzugsort: Kaiser Augustus stattete Capri immer wieder einen Besuch ab, sein Nachfolger Kaiser Tiberius erklärte die Insel sogar zu seinem Regierungssitz - was auf Empörung des römischen Adels stieß, schließlich ließe sich das Weltreich der Römer nur von Rom aus regieren. Doch Tiberius entschied sich für Capri: In seiner prunkvollen Villa Jovis konnte er unbeobachtet seinem ausschweifenden Leben frönen, die politischen Angelegenheiten wurden lediglich über Boten und Signalfeuer mit Rom geklärt.

Kultur in Dachau: Die Kuratorin der Ausstellung Elisabeth Boser vor dem Bild "Die Straße von Capri nach Anacapri" von Attilio Pratella.

Die Kuratorin der Ausstellung Elisabeth Boser vor dem Bild "Die Straße von Capri nach Anacapri" von Attilio Pratella.

(Foto: Niels P. Jørgensen)
Kultur in Dachau: Das beliebte Motiv der Blauen Grotte, hier gemalt von Friedrich Thöming.

Das beliebte Motiv der Blauen Grotte, hier gemalt von Friedrich Thöming.

(Foto: Niels P. Jørgensen)
Kultur in Dachau: Ludwig Dills Werk "Meeresbrandung", gemalt 1874 auf Capri.

Ludwig Dills Werk "Meeresbrandung", gemalt 1874 auf Capri.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Nachdem Capri nach Tiberius Tod etwas in Vergessenheit geriet, wurde die Insel zu Beginn des 19. Jahrhunderts wiederentdeckt: Auf der sogenannten "Grand Tour", einer beliebten Bildungsfahrt junger Adliger und reicher Bürger aus dem Norden Europas, die von Venedig über Florenz und Rom nach Sizilien reisten, bot sich Capri als geeigneter Zwischenstopp an der Amalfi-Küste an. So zählen Bilder im typischen Ansichtskarten-Format zu den frühsten Werken, die in der Dachauer Ausstellung zu sehen sind, beispielsweise von dem Maler Friedrich Thöming. Er war einer der Ersten, der das berühmte Motiv der Blauen Grotte massenhaft verkaufte.

Auch Dachauer Maler verschlug es an die Amalfi-Küste

Das magische Blau, das die Höhle geheimnisvoll schimmern lässt, spielt eine zentrale Rolle in der Geschichte Capris: Während Kaiser Tiberius sie noch als sein privates Schwimmbecken nutzte, drängen sich heutzutage die Touristen-Boote vor dem Grotteneingang. Mit der Wiederentdeckung der Blauen Grotte 1826 begann der Insel-Tourismus.

So wurde aus dem Haus eines Notars, in welchem er anfangs vereinzelt Zimmer anbot, als Albergo, das namhafte Hotel Pagano, in dem sich die Künstlerinnen und Künstler tummelten; Gasthäuser entstanden - bedeutend vor allem das Lokal Zum Kater Hiddigeigei, wo Werke gezeigt und verkauft wurden -; kurzum: Kunstschaffende aus ganz Europa besuchten die Insel auf kurz oder lang, kamen immer wieder oder blieben gar für immer. Elisabeth Boser schreibt im Ausstellungskatalog: "Alle verband die Inspiration, die diese Insel an Motiven bot. So bildete sich auf Capri eine internationale Künstlerkolonie."

Auch in Dachau wirkende Künstler, darunter Ludwig Dill, Arthur Langhammer und Carl Breitbach, verschlug es an die Amalfi-Küste. Ludwig Dill erzählt in seinen Memoiren von seinem Besuch im Sommer 1874 auf Capri: "Nicht weit von der blauen Grotte zeichnete ich in meinem Boote Korallenfischer, äußerst malerische Motive! Da packte mich ... die Seekrankheit ... Da gab es nur das Eine: um jeden Preis ans Land! ... Ein Sprung mit aller Kraft und ich klebte am Felsen wie eine Krott. ... Vor mir glatter Fels, ... Über mir der boshaft lachende Himmel, unter mir das grausliche Meer, in mir der würgende Magen." In Erinnerung an diesen würgenden Magen malte Dill dann sein Werk "Die Meeresbrandung". Arthur Langhammer stattete Capri im Rahmen seiner einjährigen Italien Reise, bei der er das Buch "Kunstschätze von Italien" von Carl von Lützow illustrierte, einen Besuch ab. In der Ausstellung sind, neben Werken von capresischen Mädchen, die er einfühlsam festhielt, auch Auszüge aus dem Buch zu sehen.

Kultur in Dachau: Die Marina Grande, die Große Bucht, gemalt von dem venezianischen Künstler Bernardo Hay 1899.

Die Marina Grande, die Große Bucht, gemalt von dem venezianischen Künstler Bernardo Hay 1899.

(Foto: Niels P. Jørgensen)
Kultur in Dachau: "Die Faraglioni auf Capri" im Licht der roten Abendsonne, gemalt von Elise Mahler.

"Die Faraglioni auf Capri" im Licht der roten Abendsonne, gemalt von Elise Mahler.

(Foto: Niels P. Jørgensen)
Kultur in Dachau: "Die schöne Constanza", eine Capresin, die Korallen verkauft, gemalt von Carl Breitbach 1884.

"Die schöne Constanza", eine Capresin, die Korallen verkauft, gemalt von Carl Breitbach 1884.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

20 der 80 ausgestellten Bilder sind von italienischen Künstlern

Elisabeth Boser wollte jedoch nicht nur deutschsprachige Künstler zeigen. 20 der insgesamt 80 ausgestellten Werke sind von italienischen Künstlern. Zu finden sind sie alle um die Blaue Grotte herum, welche in der Mitte des Ausstellungsraums nachgebaut wurde. Ihr gegenüber, an den Wänden, sind die Werke der deutschsprachigen Künstler zu sehen. Boser hat sich bewusst für diese Gegenüberstellung entschieden: "Bei den italienischen Werken geht es nicht nur um die Landschaft, sondern um das Leben auf der Insel - man findet in ihnen ein erzählerisches Moment, einen Fischer, eine Kutsche, das Licht ist weicher und heller, man spürt förmlich die Hitze." Die Erklärung dafür ist einfach: Die Kunstschaffenden aus dem Norden Europas verbrachten vor allem die Wintermonate auf Capri - bei hartem Licht und klaren Farben,. "Italiener würden um diese Jahreszeit nicht im Freien arbeiten", erklärt Boser.

Und so kann man sich bei einem Gang durch die Ausstellung gut vorstellen, wie der venezianische Künstler Bernardo Hay an der Promenade der Marina Grande, der Großen Bucht, saß, den Menschen beim Arbeiten zuschaute, gedankenverloren Skizzen in sein Buch zeichnete und dabei eine warme Brise vom Meer herüber wehte.

Die Ausstellung "Zauberhaftes Capri. Ein Paradies für Künstler" ist in der Dachauer Gemäldegalerie noch bis 12. März 2023 zu sehen.

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