Dachauer Schlosskonzerte:Gekünstelt

Dachauer Schlosskonzerte: Magali Mosnier, Solistin des Kammerensembles I Musici di Roma im Dachauer Schloss.

Magali Mosnier, Solistin des Kammerensembles I Musici di Roma im Dachauer Schloss.

(Foto: Toni Heigl)

Auf niemanden hat sich das Stammpublikum der städtischen Schlosskonzerte so gefreut wie auf I Musici di Roma. Allein Flötistin Magali Mosnier begeisterte in einem sonst problematischen Gastspiel.

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Nostalgie war angesagt. I Musici di Roma, nicht nur für den ehemaligen Dachauer Kulturreferenten Heinrich Rauffer über Jahre hinweg Höhepunkt der damaligen Schlosskonzerte, kamen nach langer Pause wieder nach Dachau. "I Musici di Roma" - Rauffer ließ die italienische Wörter auf der Zunge zergehen. Auch jetzt war der Abend der begehrteste der ganzen Saison, wie der städtische Kulturamtsleiter Tobias Schneider versicherte. Abonnenten aus Rauffers Zeiten bestellten Karten, das Konzert des Kammerorchesters fand auch überregional erhöhte Aufmerksamkeit. Zwei zusätzliche Stuhlreihen waren im Renaissancesaal nötig.

Aber die erwartete Wiederbegegnung - sie war keine. Konnte keine sein. Denn statt der römischen Musikerinnen, die ja damals schon nicht mehr jung waren und längst ausgeschieden sind, betraten überwiegend junge Männer das Podium - mit einer einzigen Frau bei den zweiten Geigen. Natürlich haben sich auch I Musici verjüngt und den Musizierstil der Zeit angepasst. Aber 1951 gegründete, berühmte Kammerensemble befindet sich im Umbruch und hat sich noch nicht gefunden. Das Konzertprogramm hat sich kaum geändert, neben Vivaldi und nochmals Vivaldi kommt jetzt noch das fünfte Brandenburgische Konzert von Bach und das Concerto grosso nach Arcangelo Corellis Variationen über "La Follia" von Francesco Geminiani dazu.

Vivaldi also: Ein dreisätziges Concerto für Streicher in D-Dur: Der erste Satz statt Allegro im Prestissimo, dann ein paar überdehnte und manieriert verzögerte Akkorde als Adagio, ein Allegrosatz - und das Concerto ist heruntergesäbelt. I Musici di Roma geben sich sehr virtuos, aber recht kurz angebunden. So manieriert geht es bei "Il gardiello" und "La tempesta di mare" weiter. Solistin ist die junge, unerhört erfolgreiche französische Flötistin Magali Mosnier. In ihrem virtuosen Spiel und ihrer schlanken Tongebung pfeift und bewegt sich der Distelfink, den sich Vivaldi zum Vorbild für dieses Flötenkonzert genommen hat, sehr munter.

Die Orchesterbegleitung hat man schon besser gehört, aber - na ja - ein Distelfink muss auch über allerlei Gestrüpp hinwegschwirren. Beim Flötenkonzert "La tempesta di mare" musizierten I Musici allerdings so gekünstlet, dass kein rechter Meeressturm zustande kam. Neptun, in der Antike fürs Meer, also auch für die Meeresstürme zuständig, war hier offenbar so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass ihm nichts Überzeugendes gelang.

"L'Estro Armonico" wird oft gespielt. Diesmal mit den Marco Serino, Ettore Pellegrini (Violinen) und Vito Paternoster (Violoncello) als Solisten. Jetzt aber, in einer ziemlich manierierten Darbietung, stellte sich das Wiedererkennen etwas zögerlich ein. Das Siciliano in diesem Konzert aber spielte Marco Serino wunderschön, es war die einzige Stelle des ganzen Abends, an der die Geige singen durfte.

Das 5. Brandenburgische Konzert von Bach indes erlebte eine recht zwiespältige Aufführung. Konzertmeister, und hier auch Violinsolist, Antonio Anselmi nahm den ersten Satz in einem etwas aufgeheizten Tempo, doch Francesco Buccarella am Cembalo bremste bei seiner großen Solokadenz deutlich, spielte gemessen und sehr gut strukturiert. Der an sich beglückend schöne, nur für Flöte, Violine und Cembalo (ohne Orchester) geschriebene zweite Satz offenbarte musikalisch-stilistische Gegensätze. Während Magali Mosnier ihren Flötenpart in sehr schönen Bögen ruhig ausspielte, waren auf der Geige keine fünf Töne gleich, sondern jeder in anderer Dynamik und Bogenführung, darunter mindestens ein Ton scharf und unschön gerissen gespielt. Das nahm dem Musizieren die Ruhe, ohne es wirklich lebendig zu machen.

Der Höhepunkt des Musizierens dieser Art war bei den Variationen über "La Follia" von Geminiani erreicht. "La Follia" - die Verrücktheit - kann man anscheinend gar nicht verrückt genug spielen. Antonio Anselmi vor allem tat in diesem Sinne alles was er nur konnte in einem Äußersten an Virtuosität: Man sah eine schier atemberaubende Bogentechnik und Geschwindigkeit auf dem Griffbrett und man hörte Unglaubliches, fast alles, was auf einer Geige möglich ist - nur keinen schönen Ton. Vielleicht wollte Corelli und nach ihm Geminiani "La Follia" tatsächlich so verrückt virtuos dargestellt haben, "barock" ist ja ein sehr dehnbarer Begriff. Bei der Zugabe, einem Stück, das die alten Musici di Roma gern (auch in Dachau) spielten, brodelte Antonio Vivaldis Musik noch einmal heftig. Nostalgie.

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