Asyl:Landrat rechnet mit Anstieg der Geflüchtetenzahlen

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Auf einem 8000 Quadratmeter großen Grundstück an der Alten Römerstraße sollen eine Erstaufnahmeeinrichtung und eine Notunterkunft für Geflüchtete entstehen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Bis zu 1000 Betten in neuen Asylunterkünften will der Landkreis schaffen – unter anderem in Dachau. Im Gegensatz zu anderen Kommunen liegt die Stadt unter der zu erfüllenden Quote und muss mehr Menschen aufnehmen.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Der Landkreis Dachau bereitet sich darauf vor, dass in den nächsten Monaten wieder mehr Geflüchtete hier ankommen werden. Landrat Stefan Löwl (CSU) sprach am Dienstagabend im Dachauer Stadtrat von einem baldigen „massiven Anstieg bei Asylsuchenden“. Die Staatsregierung habe das Landratsamt daher angewiesen, weitere Unterkünfte zu bauen, so Löwl.

Angaben der Regierung von Oberbayern zufolge müssen die oberbayerischen Landkreise derzeit pro Woche 100 neue Asylsuchende unterbringen. Im Juli nahm das oberbayerische Ankunftszentrum demnach pro Tag durchschnittlich 39 Menschen auf – ein Wert, der leicht über dem Jahresdurchschnitt liegt. Gleichzeitig würden pro Woche 250 Kriegsgeflüchtete aus der Ukraine in Oberbayern „gerecht“ verteilt, sagte ein Regierungssprecher. Prognosen über künftige Zahlen seien aufgrund einer Vielzahl von Einflussfaktoren nur „schwer möglich“. Erfahrungsgemäß sei die zweite Jahreshälfte aber „meist die zugangsstärkere“, so der Sprecher.

„Dachau hat noch Luft nach oben“

Im Landkreis Dachau leben derzeit 1789 Menschen in staatlichen Asylunterkünften, davon sind 588 Ukrainer und 566 sogenannte „Fehlbeleger“ – das sind Menschen, deren Asylantrag bewilligt ist, die aber keine Wohnung auf dem umkämpften Mietmarkt finden. In der Planung für das laufende Jahr hatte das Landratsamt mit 1200 Menschen gerechnet, die neu in den Landkreis fliehen und staatlich untergebracht werden müssen. Entsprechend sei das Ziel, 800 bis 1000 neue Betten in Unterkünften zu schaffen, so das Landratsamt.

Eine neue Containeranlage entsteht nun in Dachau-Ost an der Alten Römerstraße. Auf einem 8000 Quadratmeter großen Grundstück zwischen Kaufland und Trachtenwelt Moser will das Landratsamt eine Erstaufnahmeeinrichtung für 200 Menschen und eine Notunterkunft für 220 Menschen errichten lassen.

Bis Pfingsten hatte das Landratsamt die Turnhalle in der Steinstraße für die Erstaufnahme von Geflüchteten belegen müssen. Seit Anfang Juni können Schulen und Vereine die Halle wieder für Sport nutzen. Die neue Erstaufnahmeeinrichtung an der Alten Römerstraße soll die weggefallenen Kapazitäten kompensieren und als „dezentrale Drehscheibe“ die Erstaufnahmeeinrichtung in Hebertshausen ergänzen. Auch wolle man dadurch verhindern, künftig wieder Turnhallen belegen zu müssen, sagte Löwl.

Unterkunft in der Lilienstraße wird aufgelöst

Vor dem Hintergrund der neuen Anlage in Dachau-Ost war der Landrat am Dienstag als Gast im Stadtrat geladen, um über die Geflüchtetensituation im Landkreis zu berichten. Er sagte, dass Bayern entsprechend des Königsteiner Schlüssels 13,6 Prozent aller Asylsuchenden in Deutschland aufnehmen müsse. Fast ein Prozent der Geflüchteten in Bayern kämen in den Landkreis Dachau. „Aktuell erfüllen wir ziemlich genau die Quote“, sagte Löwl.

Wie er weiter ausführte, versucht der Landkreis, die Menschen prozentual zur Einwohnerzahl auf die Kommunen zu verteilen. Mit sieben Geflüchteten bildet das kleine Pfaffenhofen an der Glonn momentan das Schlusslicht im Landkreis bei den absoluten Zahlen. In Petershausen musste die Asylunterkunft aufgrund des Hochwassers Anfang Juni evakuiert werden, die Bewohner zogen in andere Quartiere um. Die Stadt Dachau, in der rund ein Drittel aller Landkreisbürger wohnen, hat bislang 432 Geflüchtete aufgenommen – zu wenige. „Dachau hat noch Luft nach oben“, sagte Löwl. Die Gemeinde Karlsfeld dagegen mit aktuell 290 Geflüchteten und ihren zwei großen Unterkünften würde seine Quote seit mehr als zehn Jahren stets erfüllen.

Die Container an der Lilienstraße müssen demnächst abgebaut werden. (Foto: Toni Heigl)

Zudem verliert die Stadt Dachau demnächst bis zu 180 bestehende Plätze. Das Landratsamt muss die Notunterkunft in der Lilienstraße in der Nähe des MD-Geländes auflösen, weil die Container inzwischen zu alt und marode geworden sind. Die 100 Menschen müssen dann umziehen. Außerdem sollen bis zu 80 Menschen, die in Hotelzimmern in Dachau leben, demnächst anderweitig untergebracht werden. Als Russland die Ukraine vor zwei Jahren angriff, musste das Landratsamt schnell Plätze für Kriegsgeflüchtete schaffen. „Unter anderem wurden dann auch Zimmer in Hotels angemietet. Die Kosten für diese Nutzung sind jedoch sehr hoch, daher ist die Planung mittelfristig, wieder auf von uns errichtete Unterkünfte auszuweichen“, so das Landratsamt.

Zwar ist für Anfang 2025 die Eröffnung einer Notunterkunft in der Kufsteiner Straße mit 186 Betten geplant. Doch wie Löwl sagte, wird Dachau selbst mit den 420 Plätzen in der neuen Containeranlage an der Alten Römerstraße noch unter der zu erfüllenden Quote liegen.

Die Stadträte stimmten dem Bau der Asylunterunterkunft mit großer Mehrheit zu. Der Beschluss war jedoch nur formeller Natur. Aus baurechtlichen Gründen hätte die Stadt die Unterkunft ohnehin nicht verhindern können. Nur die beiden AfD-Stadträte wollten dies nicht wahrhaben und votierten gegen die Unterkunft. „Wir können das große Asylheim verhindern oder verzögern“, meinte Markus Kellerer. Sowohl Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) als auch Löwl widersprachen den Stadträten der teils rechtsextremen Partei vehement. Die Unterkunft sei vom Baurecht abgedeckt, sagte Hartmann. Sollte der Stadtrat diese ablehnen, „würde jedes Gericht diese Entscheidung aufheben“. Auch Löwl warnte davor, gegen den Bauantrag zu stimmen. Auf die Stadt könnte andernfalls eine Forderung nach Schadenersatz zukommen.

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