Dobryy Den, Dachau:Die Kraft des Bumerangs

Dobryy Den, Dachau: Anna Huryn aus Kiew schreibt die wöchentliche Kolumne "Dobryy Den, Dachau" für die SZ Dachau.

Anna Huryn aus Kiew schreibt die wöchentliche Kolumne "Dobryy Den, Dachau" für die SZ Dachau.

(Foto: Illustration: Bernd Schifferdecker)

Anna Huryn ist aus der Ukraine nach Dachau geflohen. Die 21-Jährige berichtet wöchentlich über ihr Ankommen im Landkreis. In der sechsten Folge beschreibt sie, wie sie mit der Hilfsbereitschaft der Dachauer umgeht.

Kolumne von Anna Huryn, Dachau

Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich eines Tages eine Geflüchtete sein würde - und dass ich einmal um die Hilfe barmherziger Menschen bitten würde. Ich war früher eine ziemlich unabhängige Person und deshalb ist es für mich wahnsinnig schwer, Hilfe anzunehmen.

Als ich in Dachau ankam, wäre ich auch bereit gewesen in einer Turnhalle zu übernachten. Das Wichtigste für mich und meine Mutter war, einen sicheren Ort zu finden. Am Ende hatten wir das riesengroße Glück, in einem schönen Haus in Dachau zu landen bei unserer unglaublichen Gastfamilie.

Früher hatte ich alles, was ich brauchte, um glücklich zu sein. Als ich in Dachau ankam, hatte ich nichts mehr. Ich konnte fast nichts von daheim mitnehmen. Ich war dann nahezu geschockt - und gleichzeitig sehr dankbar -, dass uns die Deutschen hier so viele Dinge gaben: Kleidung, Medikamente, Essen, Hygieneprodukte, all das bekamen meine Mutter und ich aus einem Lager im AEZ Einkaufszentrum. Ich konnte mir dort in Ruhe alles aussuchen, was ich brauchte und Kleidung anprobieren - es war wie Shoppen ohne Geld zu brauchen. Ich war aber so schüchtern in dem Moment, weil es das erste Mal in meinem Leben war, das in einer solchen Situation war.

Ich muss oft losweinen, wenn ich so viel Unterstützung bekomme

Es gibt Menschen auf dieser Welt, die mein Zuhause zerstören und Zivilisten töten. Und es gibt andere Menschen auf dieser Welt, die mir alles Mögliche schenken und geben wollen, um mir zu helfen. Immer wenn die Deutschen so hilfsbereit, großzügig und mitfühlend sind, dann muss ich anfangen zu weinen.

Zum Beispiel war da diese Frau aus Dachau, die an Krebs erkrankt war. Als sie von unserer Lage und der Situation in unserem Land erfuhr, wollte sie mir Geld schenken. Ich brach in Tränen aus und konnte das Geld nicht annehmen. Das ist vielleicht ein wenig schwer zu verstehen, aber es ging einfach nicht. Ich war traurig, verletzt und schämte mich, dass ich in dieser Situation eine hilfsbedürftige Person war - und nicht selbst helfen konnte. Hier in Dachau hat man mich aber überzeugt, dass es viele Menschen mit einem unglaublich großen Herzen gibt in der Welt. Ich glaube an die Kraft des Bumerangs. Zu all den Menschen, die heute uns Ukrainern helfen, wird eines Tages die doppelte Portion Dankbarkeit zurückkommen.

Ich habe hier wirklich viele nette Leute getroffen, die mich und meine Mutter unterstützen. Für meine Mutter ist es manchmal schwerer hier zu sein als für mich - junge Leute überleben den Krieg leichter. Ich muss trotzdem oft losweinen, wenn ich so viel Unterstützung bekomme. Kleidung, Essen, Medikamente und Unterkunft, das ist alles unglaublich wichtig, aber das Wichtigste ist die Unterstützung der Deutschen, die man fühlen kann. Ich habe hier so viele warme Worte gehört, die mir den Glauben an das Gute wieder eingeflößt haben.

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