Dobryy Den, Dachau:Post von Papa

Dobryy Den, Dachau: Anna Huryn aus Kiew schreibt die wöchentliche Kolumne "Dobryy Den, Dachau" für die SZ Dachau.

Anna Huryn aus Kiew schreibt die wöchentliche Kolumne "Dobryy Den, Dachau" für die SZ Dachau.

(Foto: Illustration: Bernd Schifferdecker)

Anna Huryn ist aus der Ukraine nach Dachau geflohen. Die 22-Jährige berichtet wöchentlich über ihr Ankommen im Landkreis. In der 22. Folge beschreibt sie, wie ihr Vater ein Paket aus Kiew schickte und ungewöhnliche Kurierdienste nutzte.

Kolumne von Anna Huryn, Dachau

Ich vermisse viele Dinge in meinem alltäglichen Leben in Deutschland, die mir in der Ukraine einmal wichtig waren. Das sind teilweise banale Objekte wie Kleidung, aber wenn man seinen Lieblingspullover auf die Dauer nicht bei sich hat, fehlt manchmal eben ein Stück Heimat. Als mir klar wurde, dass ich nicht, wie anfangs angenommen, für drei, vier Monate hier in Dachau sein würde, sondern für eine deutlich längere Zeit, musste ich eine Lösung finden.

Im Dezember entschied ich mich dafür, einen Kurierdienst einzuschalten. Ich bat meinen Vater, der ja wie fast alle Männer in der Ukraine geblieben ist, mir ein Paket in Kiew zu packen. Er sollte es dann einem Kurier in der Westukraine schicken, der es in einem Mini-Bus nach Dachau bringen würde. Ich hatte diesen Kurier in einer lokalen Telegram-Gruppe empfohlen bekommen, dieser Mann bringt jeden Samstag Pakete aus der Ukraine in das Dachauer Hotel Amedia, in dem ich nun lebe. Warum ich meinen Vater nicht einfach bat, ein Paket mit der Post zu schicken? Weil es mir sehr schwer fällt, Lieferdiensten oder der staatlichen Post wirklich zu vertrauen, zumal in Kriegszeiten.

Die blass-fliederfarbene glitzernde Bluse zu finden, überforderte meinen Vater

Mein Vater lebt in der Region Kiew, er musste also bis in die Stadt hineinfahren, um in das Apartment zu gelangen, in dem meine Mutter - seine Exfrau - und ich bis vor Kriegsausbruch lebten. Als er die Tür öffnete, war es in der Wohnung fast genauso kalt wie draußen. Seit Monaten war keiner dort gewesen, er steckte erstmal alle Haushaltsgeräte aus, weil die wegen der ständigen Stromausfälle gefährlich sein können.

Er verschenkte die restlichen tiefgefrorenen Lebensmittel, die er noch fand. In der Wohnung gab es ohne Strom auch kein Licht, also musste ich meinen Vater im spärlichen Tageslicht, das durch die Fenster fiel, über eine Telegram-Video-Verbindung zu meinem Kleiderschrank in der Wohnung seiner Exfrau lotsen. Das war schon ein bisschen lustig. Er musste meine gesamten Klamotten durchwühlen, bis er das fand, was ich suchte: Warme Jacken, Hosen, Pullover. Mit einer Farbbeschreibung aber war er völlig überfordert: Ich suchte meine blass-fliederfarbene Bluse, die leicht glitzert.

Ich bat meinen Vater auch, mir eine schwarze Tasche einzupacken, in der ich nun meine Unterrichtsmaterialien für den Deutschkurs in Dachau transportiere. Außerdem packte er auf meinen Wunsch Buchweizen, ukrainische Süßigkeiten und Medikamente ein. Als das Paket eine Woche später bei mir im Hotel ankam, war ich sehr gerührt: Er hatte zu meinem Geburtstag auch noch eine Überraschung beigelegt, ein Armband und einen Ring, mitten aus dem Krieg. Egal, wie viele Kilometer zwischen mir und meinem Vater liegen - er hatte einen Weg gefunden, mir zu zeigen, dass er an mich denkt.

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