Ein Jahr lange habe ich nun regelmäßig an dieser Stelle aus meinem Alltag als ukrainische Geflüchtete in Dachau berichtet. Dies ist mein vorerst letzter Text. Ich schaue zurück mit einem Lächeln, wenn ich an die Geschichten denke, die ich erzählen durfte. Manche waren traurig, manche heiter. Sie schilderten mein Leben, meine Gedanken und meine Erfahrungen in Deutschland aus einer sehr persönlichen Sicht.
Als ich in der elften Klasse meinen Schulabschluss in Kiew machte, überlegte ich: Sollte ich Jura oder Journalismus studieren? Ich bereute es nicht, dass ich mich fürs Jurastudium entschieden hatte, aber der Journalismus blieb immer in meinem Hinterkopf. Und ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich ausgerechnet, als ich in Dachau ankam - in völliger Unsicherheit, was ich tun sollte - hier die Möglichkeit bekommen sollte Texte zu schreiben. Zunächst berichtete die SZ Dachau über unsere Ankunft hier im Landkreis. Als dann die Idee aufkam, ich könnte selbst eine Kolumne schreiben, dachte ich: "Hm, vielleicht will mir das Universum einen Hinweis geben, wo es für mich weitergehen könnte."
Ich war mir damals im Frühjahr 2022 noch sehr sicher, dass ich in wenigen Monaten in die Ukraine zurückkehren würde. Und ich zweifelte, ob das, was ich hier erleben würde, überhaupt interessant sein würde für deutsche Leserinnen und Leser. Doch dann war es super spannend über meine Erlebnisse hier zu schreiben: Über Arztbesuche, Sportvereine, Weihnachtsfeiern und Telegram-Gruppen. Ich schrieb über Heimweh, Kummer aller Art und auch über Lichtblicke. Durch die Arbeit für die Zeitung fand ich nicht nur Kollegen, sondern auch Freunde.
Aber wie die Deutschen immer meinen: "Sag niemals nie"
Es machte mich neugierig, wie das Publikum reagiert. Manche Leute mochten meine Texte, andere nicht - und das ist okay. Als die Redaktion mir einmal schrieb, dass sehr viele Menschen meinen Text gelesen hatten, war ich erst sehr erfreut - dann ging ich auf Facebook, um die Kommentare zu übersetzen und fiel fast vom Stuhl. So viel Hass war mir - und auch meiner Mutter, die mit angegangen wurde - noch nie begegnet. Aber jede Reaktion ist eine Reaktion und dank der vielen Kommentare wurden meine Texte bekannter. So lernte ich: Jene, die mich hassen, sind auch meine Fans.
Ich erinnere mich auch, wie ich im Dachauer Landratsamt von Sachbearbeitern angesprochen wurde, die meinen Nachnamen aus der Kolumne kannten. Das war teilweise sehr süß, ich bin dankbar für jeden Menschen, der meine Texte gelesen hat.
Nun werde ich mich auf mein Online-Masterstudium an der ukrainischen Universität und das Deutschlernen hier in Dachau konzentrieren. Ich habe einfach nicht genug Zeit für alles. Ich will Prioritäten setzen. Ich pauke jetzt für die Sprachprüfung auf dem B2-Level in Deutsch. Ich lebe noch immer im Hotel. Über Ostern wollte ich zu Besuch nach Kiew fahren, aber ich bekam keine Bustickets mehr, alles ausverkauft. Meine Mutter plant dauerhaft in die Ukraine zurückzukehren, obwohl es noch so gefährlich ist - meine Großmutter braucht einfach Hilfe vor Ort. Ich vermisse mein Zuhause in Kiew. Ich wollte eigentlich nie längerfristig hier bleiben, aber wie die Deutschen immer meinen: "Sag niemals nie". Dieses Jahr habe ich nun doch vor, in Deutschland zu bleiben, die Sprache zu lernen und - das ist mein Traum - eine eigene Wohnung und einen Job zu finden.