Süddeutsche Zeitung

KZ-Gedenkstätte Dachau:"Wir müssen wach bleiben"

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Die Arbeiterwohlfahrt enthüllt eine eigene Gedenktafel und erinnert an die Opfer des NS-Regimes. Präsidiumsvorsitzender Wilhelm Schmidt und IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch warnen eindringlich vor der AfD.

Von David Holzapfel, Dachau

Eigentlich, sagt Charlotte Knobloch, habe sie nichts sagen wollen. Ihre Vorredner hätten bereits die passenden Worte gefunden, an alles gedacht. Ein Detail, vielmehr ein Datum veranlasst die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) schließlich doch dazu, ihr Wort an die Versammelten zu richten. Der 30. Juni 1933. Es ist der Tag, an dem Franz Langinger, Pasinger SPD-Stadtrat und glühender Sozialdemokrat, aufgrund seines Amtes in das Konzentrationslager Dachau verschleppt wurde. "Hier steht es schwarz auf weiß", sagt Knobloch, sie hält einen Zettel in die Luft. "Es glaubt uns kein Mensch, dass im Juli 1933 die ersten Menschen ins KZ kamen". Adolf Hitler kam an die Macht, nur wenige Monate später stand bei Dachau das erste Konzentrationslager für politische Gefangene. Es ist ein Datum, welches den frühen Schrecken der Nazizeit manifestiert.

Die Arbeiterwohlfahrt (Awo) Oberbayern hat am Freitag in Dachau eine Gedenktafel enthüllt. Sie soll erinnern - an Menschen wie Franz Langinger, an Mitglieder der Arbeiterwohlfahrt, die Opfer der Nazidiktatur wurden. In ihren Grußworten warnen sowohl Knobloch als auch der Vorsitzende des Präsidiums des Awo-Bundesverbandes, Wilhelm Schmidt, eindringlich vor der AfD.

"Wir können die geistigen Brandstifter unserer Zeit nicht überzeugen"

Die Gedenkstele der Arbeiterwohlfahrt hängt neben der SPD-Gedenktafel, welche der damalige Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, im Jahr 2015 eingeweiht hatte. Die Platzierung der Tafel ist eine symbolische. Die Schicksale der Arbeiterwohlfahrt und der SPD waren eng verwoben während der Nazizeit - und sind es bis heute. Die Awo, damals noch kein dezentral organisierter Verband, sondern ein Teil der SPD, wurde wenige Wochen nach der Machtübernahme Hitlers verboten. Führende Männer und Frauen der Wohlfahrt wurden verfolgt und verhaftet, auch in Dachau. "Über diese Menschen ist bisher noch zu wenig bekannt", sagt Gabriele Hammermann, Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau.

Dies soll sich nun ändern. In einem Konferenzraum der Gedenkstätte, unweit des ehemaligen Appellplatzes, erinnern Historiker in kurzen Präsentationen an die Schicksale ebendieser Menschen. So etwa an Johann Taschner, Häftlingsnummer 8851. Taschner, der mit 16 Jahren in die Gewerkschaft eintrat, war drei Jahre und vier Monate im KZ Dachau inhaftiert, musste Folter und Demütigung über sich ergehen lassen. Später soll er über seine Zeit als Gefangener gesagt haben: "Ich hatte keine Angst, denn es gab keine Hoffnung auf Überleben". Doch Taschner überlebte das Grauen, er starb erst viel später am 11. Dezember 2013 in Inning am Ammersee.

Erinnerung an Clemens Högg

Erinnert wird auch an die Lebensgeschichte von Clemens Högg, dessen Enkelin zur Einweihung der Gedenktafel gekommen ist. Högg, der den Überlieferungen zufolge als gemäßigter Sozialdemokrat galt und Gründer vieler oberbayerischer Awo-Verbände war, musste während der Nazizeit eine wahre Tortur erleiden. In einen Bunker gepfercht, starb er am 11. März 1945 im KZ Bergen-Belsen, ihm wurden einige Körperteile amputiert. Wenige Wochen später erfolgte die Befreiung des Lagers durch die Alliierten.

Wie so oft stellen Gedenkveranstaltungen wie diese auch ein Politikum dar. In ihrer kurzen Rede nimmt Charlotte Knobloch auch Bezug auf die Kommunalwahlen im kommenden Jahr. "Wir können die geistigen Brandstifter unserer Zeit nicht überzeugen", sagt sie. Vielmehr müsse man die Menschen überzeugen, diese nicht zu wählen. Knobloch erinnert die heutige Zeit stark an das Ende der 1920er Jahre, wie sie sagt. "Hitler hat in 'Mein Kampf' alles vorausgesehen, ja keinen Hehl aus seinen Absichten gemacht". In Zeiten wie den heutigen brauche es Vereinigungen wie die Arbeiterwohlfahrt, und einen "Aufschrei der Gesellschaft".

Dies sieht auch der Awo-Präsidiumsvorsitzende Wilhelm Schmidt so. Als die AfD an diesem Wochenende ihren Bundesparteitag in Braunschweig abhielt, war Schmidt unter den Tausenden Gegendemonstranten und hielt eine Rede. "Wir müssen wach bleiben", betont er. Man müsse Widerstand leisten gegen Rassismus, Antisemitismus und den "leichtfertigen Umgang mit Parolen". AfD-Mitglieder hätten laut Satzung "nichts verloren in der Awo".

Die Versammelten legen Blumen nieder vor der Gedenktafel. "Es gilt unser Versprechen, dass wir uns stets für Demokratie, Freiheit und Völkerverständigung einsetzen." So steht es dort in Stein gemeißelt.

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SZ vom 02.12.2019
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