Süddeutsche Zeitung

Dachau:Gedenken in der Versöhnungskirche

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Das Team der Evangelischen Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau kommt am 76. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee zu einer kurzen Andacht zusammen. Am Mittwoch, 27. Januar, stehen dabei die Biografien von Miriam Rosenthal und Julius Kohn im Mittelpunkt, wie Kirchenrat Björn Mensing mitteilt. Julius Kohn wurde 1886 in Rosenheim geboren. Nach dem Besuch der Handelsschule in München arbeitete er als Büroangestellter und Buchhalter. 1915 bis 1917 war er Soldat im Ersten Weltkrieg. Im März 1927 zog er nach Dachau, als Mieter ins Haus der Familie Neumeyer - seit 2005 erinnern "Stolpersteine" in der Hermann-Stockmann-Straße 10 an ihn sowie an seine Vermieter Vera und Hans Neumeyer. Bei den Novemberpogromen vertrieben die Dachauer Nazis die Juden aus der Stadt. Kohn wurde vom 11. November bis zum 6. Dezember 1938 im KZ Dachau inhaftiert. Danach lebte er in München. Im Juni 1942 musste er in die "Heimanlage für Juden" im Stadtteil Berg am Laim ziehen. Am 13. März 1943 wurde er nach Auschwitz-Birkenau deportiert und wahrscheinlich unmittelbar nach der Ankunft im Alter von 57 Jahren ermordet.

Miriam Rosenthal wurde 1922 im slowakischen Komárno als Miriam Schwarcz geboren. Sie hatte 13 ältere Geschwister. Als 1938 das mit Hitler-Deutschland verbündete Ungarn den südlichen Teil der Slowakei annektierte, verschlechterte sich die Lage der Familie. 1944 heiratete Miriam ihren Verlobten Béla Rosenthal. In dieser Zeit marschierte die deutsche Wehrmacht in Ungarn ein, in der Folge begann die Deportation der ungarischen Juden. Nur zwei Monate nach der Hochzeit wurde Miriam nach Auschwitz verschleppt.

Nach Monaten in Auschwitz und im KZ Plaszow (bei Krakau) kam die junge Frau am 8. September 1944 in das Dachauer Außenlager Augsburg. Als sie dort ihre Schwangerschaft nicht mehr vor dem Wachpersonal verbergen konnte, für jüdische Frauen in den Konzentrationslagern eigentlich das sichere Todesurteil, kam Miriam ins Außenlager Kaufering I. Am 28. Februar 1945 brachte sie dort in einer Baracke ihren Sohn Leslie zur Welt. In den Wochen zuvor konnten dort schon sechs andere jüdische Frauen aus Ungarn ihre Kinder zur Welt bringen. Wie durch ein Wunder überlebten die sieben Mütter mit ihren Babys, unterstützt durch Mithäftlinge. Am 26. April wurden sie ins Stammlager Dachau verlegt und dort am 29. April befreit. Fast ihre ganze Familie wurde ermordet. Ihr Mann Béla hat überlebt. Die junge Familie wanderte 1947 nach Kanada aus, wo Miriam später in Toronto eine jüdische Buchhandlung betrieb. Sie starb am 10. Februar 2018 mit 95 Jahren. Der Link zur Aufzeichnung der Gedenkandacht am 27. Januar um 18 Uhr in der Versöhnungskirche findet sich dann unter www.versoehnungskirche-dachau.de.

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SZ vom 27.01.2021 / SZ
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