Süddeutsche Zeitung

Dachau:Gedämpfte Freude

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Eigentlich wäre der Einzug in das sanierte Amtsgericht ein würdiger Anlass für eine Feier gewesen - die Einweihung fiel aber wegen des Mordes an Staatsanwalt Tilman Turck zurückhaltend aus.

Andreas Glas

- Klaus Jürgen Sonnabend stand hinter dem Rednerpult, er lachte und witzelte, und für ein paar Augenblicke wirkte es, als sei nie etwas geschehen am Dachauer Amtsgericht. Glücklich und zufrieden seien alle mit dem neuen Gebäude, schwärmte der Amtsgerichtsdirektor und begrüßte die Gäste: Anwälte, Notare, Bauleiter, Staatsbeamte. Eine ausgelassene Feier wurde es trotzdem nicht, denn beiseite lassen konnte und wollte Sonnabend das Geschehene nicht. Letztlich konnte es nur darum gehen, das Beste aus diesem Abend zu machen. Oder wie es Sonnabend ausdrückte: "Im möglichen Maße zu feiern."

Eigentlich hätte das renovierte Gerichtsgebäude in der Schlossgasse vor Monaten eingeweiht werden sollen. Doch dann kam der 10. Januar 2012. Der Tag, an dem ein Angeklagter den 31-jährigen Staatsanwalt Tilman Turck erschoss, mitten im Gerichtssaal. Die Todesschüsse fielen in einem provisorischen Gebäude, weil die Sanierung des Amtsgerichts damals noch nicht abgeschlossen war. Vier Tage nach dem Attentat zog das Strafgericht dann ins frisch renovierte Gebäude. Der Umzug, sagte Sonnabend, sei eine große Hilfe gewesen, das Erlebte zu verarbeiten.

Am vergangenen Donnerstag, zehn Monate nach dem Attentat, wurde die Einweihung dann nachgeholt. "Das Gebäude ist heute so schön und wertvoll, wie es in seiner ganzen 400-jährigen Geschichte nicht war", sagte Sonnabend in seiner Festrede. Nach einem kurzen Exkurs zur Historie des Gebäudes, das einst das Ballhaus des Schlosses war, erklärte Baurat Gerhard Breier die umfassenden Sanierungsmaßnahmen an Fassade, Dach und Boden.

Nicht alles sei nach Plan verlaufen, sagte Breier. Weil zum Beispiel das Gebälk in Obergeschoss und Dachboden wider Erwarten von Holzfäule befallen war, seien zusätzliche Statikmaßnahmen nötig geworden. Die Baukosten fielen deshalb mit 2,2 Millionen Euro höher aus als geplant - bekommen hat das Amtsgericht dafür rund 600 Quadratmeter Nutzfläche, ausgestattet mit moderner Technik.

Eine Baumaßnahme, die unmittelbar mit den Todesschüssen zu tun hat, fand nur am Rande der Einweihungsfeier Erwähnung, war für die geladenen Gäste aber unübersehbar: die Eingangsschleusen und Metalldetektoren im Eingangsfoyer - seit dem Attentat Pflichtausstattung in allen bayerischen Amtsgerichten.

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Quelle:
SZ vom 19.11.2012
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