Bundestagswahl im Landkreis Dachau:Ein Platz zu weit hinten

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Am Wahlabend versucht Beate Walter-Rosenheimer noch Optimismus zu versprühen, am Montagmorgen ist dann klar: Sie hat ihr Mandat verloren. (Foto: Toni Heigl)

Beate Walter-Rosenheimer (Grüne) verpasst ganz knapp den Wiedereinzug in den Bundestag, Michael Schrodi (SPD) dagegen gelingt er über die Landesliste.

Von Joshua Beer, Dachau

Sie ahnt es schon am Wahlabend. Etwas geknickt steht Direktkandidatin Beate Walter-Rosenheimer da im Altstadthotel Zieglerbräu vor den Dachauer Grünen und gibt bekannt, dass es für ihren Wiedereinzug in den Bundestag über die Landesliste wohl nicht reicht. Die Grünen kommen zu diesem Zeitpunkt laut aktueller Prognose auf 13,8 Prozent in Bayern. Als Walter-Rosenheimer ihren Listenplatz 19 erhielt, rechneten sie noch mit 17 oder 18 Prozent, sagt sie später. Da klang Platz 19 noch relativ sicher. Die 56-Jährige hatte jüngeren Grünen auf der Liste den Vortritt gelassen. Sie wolle nicht am Mandat "festkleben". Einen Tag nach der Wahl ist schließlich klar: Sie hat es verloren.

Im Zieglerbräu fokussiert Walter-Rosenheimer sich am Wahlabend auf das, was gut war: ein "Mega-Wahlkampf" in Dachau und der historische Zuwachs der Bundes-Grünen. Wenn nur die Umfragen vor ein paar Monaten nicht so fürchterlich gut gewesen wären, könne man das auch uneingeschränkt genießen, sagt sie und dann, fast trotzig: "Wir lassen uns den Abend nicht verderben!" Und aller Tage Abend sei ja auch noch nicht, muntert die Dachauer Kreisvorsitzende Karin Beittel ihre Direktkandidatin auf. Da gilt es noch, das Prinzip Hoffnung.

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Am nächsten Tag wünscht Walter-Rosenheimer auf ihren sozialen Kanälen einen guten Morgen und verbreitet mit dem Foto einer Kaffeetasse vor einem Sonnenblumenbild Gelassenheit. Weg mit der Bedrückung. Sie verkündet dazu: "Ich gehöre der neuen Fraktion nicht mehr an." Denn nun steht fest: Ihr ist der Wiedereinzug über die Landesliste nicht gelungen. Auch wenn es noch mal knapp wurde: Die Grünen verbesserten im Endergebnis ihren Zweitstimmenanteil in Bayern auf 14,1 Prozent. Damit kommen alle Grünen bis einschließlich Listenplatz 18 in den Bundestag - die Nummer 19 nicht mehr. Walter-Rosenheimer verliert dadurch nach neun Jahren im Parlament ihr Abgeordnetenmandat.

Bei Facebook und Instagram spricht sie Dank und Anerkennung aus, verteilt grüne Herz-Emojis. "Ich finde es schade", schreibt sie zu dem Mandatsverlust. "Gerne hätte ich meinen Wahlkreis noch einmal vier Jahre in Berlin vertreten." Die Entscheidung, Jüngeren den Vortritt zu lassen, halte sie nach wie vor für richtig, sagt sie noch am Wahlabend. Ein Risiko war sie von Beginn an.

"Mit ihr fällt das Hautnahe weg"

2012 zog die gelernte Psychologin als Nachrückerin in den Bundestag ein. Sie war damit die dienstälteste Abgeordnete im Wahlkreis Dachau-Fürstenfeldbruck. Sowohl Katrin Staffler (CSU) als auch Michael Schrodi (SPD) kommen nur auf jeweils vier Jahre Mandatserfahrung. Im Bundestag hat sich Walter-Rosenheimer auf Jugendpolitik und berufliche Bildung spezialisiert, war Mitglied der Kinderkommission. Vor ihrer Berlin-Zeit war sie Kreissprecherin der Grünen in Fürstenfeldbruck und Kreisrätin gewesen. Wie es für sie weitergeht? "Jetzt ist Zeit für Neues", schreibt sie. Gut sei, dass sie ja einen Beruf gelernt habe, den sie gerne mache: "So weit ich sehe, werden Psycholog*innen durchaus gebraucht."

Für die Grünen in den Landkreisen Dachau und Fürstenfeldbruck ist Walter-Rosenheimers verpasster Wiedereinzug ein Verlust. "Mit ihr fällt das Hautnahe weg", sagt Simon Würfl, Kreisvorsitzender in Fürstenfeldbruck. Doch er ist sich sicher, dass die beiden Landkreise von anderen grünen Abgeordneten abgedeckt werden können: "Die Betreuungsdichte der Kreisbezirke kann nur besser werden." Grund dafür sei der generelle Zugewinn an Sitzen. 2017 schickte die Partei nur elf Abgeordnete aus Bayern über die Landesliste nach Berlin. Dieses Mal sind es 18, in München-Süd holte Jamila Schäfer gar das erste grüne Direktmandat im Freistaat. Dennoch schwankt das Gefühl bei den Dachauer und Brucker Grünen "zwischen Freude und Enttäuschung", wie Andreas Heisler, Kreisvorsitzender in Dachau, einräumt. "Ein stückweit sieht man, dass der Aufbruch zu klimapolitischen Themen im Wahlkreis nicht so gewollt ist." Er befürchtet, dass hier mit dem Abgang Walter-Rosenheimers und dem hinter den Erwartungen zurückgebliebenen Wahlergebnis grüne Themen weniger Beachtung finden. "Ich hoffe verstärkt auf die SPD", sagt Heisler, denn es laufe politisch eher in deren Richtung.

Tatsächlich ist die Stimmung bei den Sozialdemokraten besser: SPD-Kandidat Michael Schrodi unterlag zwar im Wahlkreis wie erwartet CSU-Rivalin Katrin Staffler im Kampf um die Erststimmen, doch er darf dennoch zurück in den Bundestag. In Bayern kommt die SPD auf 18 Prozent, das reicht für seinen Listenplatz 13. Auf Facebook schreibt Schrodi: "Ich darf auch in den nächsten vier Jahren die Arbeit im Deutschen Bundestag fortsetzen." Das Wahlergebnis deutet er als klaren Sieg der SPD: "Wir haben im Bund, im Land und im Wahlkreis zugelegt." Genaugenommen hat die SPD im Wahlkreis im Vergleich zur vergangenen Bundestagswahl 2,6 Prozentpunkte dazugewonnen und erreicht nun 16,2 Prozent.

© SZ vom 28.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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