Ausstellung "Anderswohin":Möbelkunst für die letzte Reise

Lesezeit: 2 min

Besucher der Wasserturm-Ausstellung beteiligten sich an dem von Karin Renate Oschmann ausgewählten Sarg. (Foto: Toni Heigl)

Karin Renate Oschmann hat bei einer Malaktion schon mal ihren Sarg gestalten lassen, Leichentuch inklusive. Probegelegen hat sie auch schon.

Von Bärbel Schäfer, Dachau

Das Probeliegen hat sie zu Hause längst erledigt. Karin Renate Oschmann, Vorsitzende des Wasserturm-Fördervereins, hat keine Scheu, sich mit dem letzten Weg auseinanderzusetzen. Sie nutzte die Gemeinschaftsausstellung des Dachauer Kunst- und Kulturvereins, um auf die Vergänglichkeit hinzuweisen. Ihr eigener, bunt bemalter Sarg ist die letzte Station im Dachgeschoss der Ausstellung "Anderswohin". Unter den lebens- und farbenfrohen Arbeiten der 26 ausstellenden Künstlerinnen und Künstler mit dem Titel Anderswohin" über Fernweh, Urlaubsträume und Erinnerungen an Reisen nimmt er einen besonderen Stellenwert ein.

Der Sarg wurde vor zehn Jahren von einem Lehrerkollegen an der Johannes-Neuhäusler-Schule, wo Karin Renate Oschmann als Konrektorin arbeitete, für sie geschreinert. Seitdem steht er im Keller ihres Hauses und wartet. "Der Tod führt uns ja auch anderswohin", sagt Karin Renate Oschmann. Sie erzählt, dass sie sich selbstverständlich probeweise hineingelegt habe. Besucher der Ausstellung haben den Sarg nun bunt bemalt. Auf einem weißgedeckten Tisch stehen noch die Farben und Pinsel. In dieses bunt bekleckste Leintuch will die Gründerin und Seele des Wasserturm-Vereins eingehüllt werden. Fische, Blumen, Vögel und Musik werden sie auf ihrem letzten Gang begleiten. Auf dem Sargdeckel prangt ein großes rotes Herz und auf einer Seite steht der Spruch "Denn alles Fleisch, es ist wie Gras". Jemand hat sie als Fahrradfahrerin verewigt. Arrondiert wird dieses eigene Memento Mori der eigenen Sterblichkeit von Fotos besonderer Friedhöfe und Grabstätten, die Karin Renate Oschmann gemacht hat. Eine fast wienerische Todessehnsucht geht von ihnen aus. Das elegante Segelboot aus Holz und naturbelassenem Stein von Michael Nauderer bekommt in diesem makabren Arrangement die Symbolkraft von Charons Fähre.

Lebens-, Entdecker- und Abenteuerlust

Keineswegs morbid geht in den Stockwerken darunter zu. Dort herrscht Lebens-, Entdecker- und Abenteuerlust, in mal mehr mal weniger ausgereiften Beiträgen. In John Dorers kraftvollen und zugleich lyrischen Kompositionen vereint sich das Blau des Himmels und des Meeres mit gelben, roten und grünen Flächen zur heiteren Landschaft. Christian Maria Huber hat Sehnsucht nach den weißen Nächten in Sankt Petersburg. Klaus Eberleins erzählende Radierungen scheinen vor Lebensfreude zu bersten. Herta Minzlaff sucht mit Affen und Antilopen im Stil des Phantastischen Realismus die Magie unwirklicher Natur.

In Rosemarie Brauns Foto von einem weiten Sandstrand wird der Bildtitel "Nimm mich mit" zum vergeblichen Wunsch. Sohn Michael stellt die weite und oft todbringende Reise der Flüchtlinge über das Meer dar: Anderswo kann es nur besser sein. Gerhard Niedermairs Collage aus grünen Fluchtwege-Beschilderungen verstärken den Gedanken der Ausweglosigkeit. Schöne Beiträge leistet der Verein Arttextil. Annemarie Pattis Andenkenjägerin, eine rothaarige Stoffpuppe mit Sonnenhut, fängt die Lebensfreude in Bordüren aus Briefmarken unzähliger Länder ein. Ein Raumobjekt als Gemeinschaftsprojekt von Arttextil mit weißen Mustern setzt geheimnisvolle Megalithmonumente in das weiche Material Stoff um. Klaus Herbrichs zwölf Meter langer Fries aus einer Sammlung historischer Eisenbahn-Reklamebilder in alten braunen Holzrahmen hingegen ist pure Nostalgie und der Blick in eine Zeit, als eine Reise noch gemächlich verlief.

Am Freitag, 23. September, spielt Thomas Nieds Band "Gently Down The Line", 20 Uhr.

© SZ vom 22.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: