Ausblick auf 2022:"Wir müssen klare Zeichen setzen"

Ausblick auf 2022: "Wir müssen einfordern, dass die "Spaziergänger" ihre Demos gemäß den demokratischen Regeln anmelden", sagt Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD).

"Wir müssen einfordern, dass die "Spaziergänger" ihre Demos gemäß den demokratischen Regeln anmelden", sagt Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD).

(Foto: N. P. Jørgensen)

Corona-Demos, Volksfest, Einbahnstraße, MD-Gelände: Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) über die Themen, die Dachau 2022 am meisten bewegen.

Interview von Thomas Radlmaier, Dachau

Wo ist Florian Hartmann? An einem Vormittag ist man mit dem Dachauer Oberbürgermeister zum Interview-Termin per Videochat verabredet. Man hört Hartmanns Stimme, nur sehen kann man ihn nicht. Seine Kamera streikt zunächst. Kein Problem: Hartmann hat wie viele andere inzwischen Routine, wenn die Technik der Videotelefonie nicht funktioniert. Ein kurzer Handgriff, dann erscheint ein gut gelaunter Oberbürgermeister mit Headset auf dem Kopf am Bildschirm.

Vor nicht ganz einem Jahr interviewten wir Sie schon einmal zur Corona-Lage. Damals wie heute gingen die Infektionszahlen steil nach oben. Sie sagten damals, Ihre Stimmung sei am Tiefpunkt und Sie würden nicht erkennen, wie wir aus der Krise herauskommen. Wie ist Ihre Stimmung in Bezug auf die Pandemie heute, ein Jahr später?

Die Situation drückt natürlich aufs Gemüt, weil man immer noch alles mit angezogener Handbremse machen muss. Als Oberbürgermeister würde ich gerne einmal wieder zu Veranstaltungen von Vereinen gehen. Der Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern fehlt mir persönlich sehr. Doch so schlimm wie damals ist die Lage insgesamt nicht mehr. Wir haben mittlerweile gelernt, wie wir mit der Corona-Krise umgehen können. Das sieht man zum Beispiel an den Bewertungssystemen. Bei so hohen Inzidenzen, wie wir sie jetzt haben, hätten wir früher alles zugesperrt. Jetzt wissen wir, worauf es ankommt: Die Krankenhäuser dürfen nicht überlastet werden. Solange das nicht geschieht, können wir auch höhere Inzidenzen zulassen. Wir sind also ein Stück weiter als vor einem Jahr. Mich besorgt allerdings, wie wir in der Gesellschaft miteinander umgehen.

Derzeit versammeln sich jeden Montag Impflicht-Gegner, Corona-Leugner oder Verschwörungsgläubige unangemeldet in Dachau. Gleichzeitig gibt es angemeldete Gegendemonstrationen.

Einige wenige missachten die demokratischen Spielregeln. Ich respektiere, wenn jemand gegen die Impfpflicht ist. Aber der- oder diejenige sollte auf eine angemeldete Demo gehen und dort seine Meinung kundtun. Was absolut nicht geht, sind unangemeldete Demonstrationen wie die "Spaziergänge". Es ist schade, dass einige nicht reflektieren, mit welchen Gruppierungen sie dort marschieren und somit rechtsradikale Kräfte unterstützen.

Sie positionieren sich bei diesem Thema sehr klar. Sie haben auch schon auf einer Demo gegen die sogenannten "Spaziergänger" geredet. Wünschen Sie sich, dass auch andere Kommunalpolitiker im Landkreis mehr klare Kante zeigen?

Wir müssen klare Zeichen setzen und einfordern, dass die "Spaziergänger" ihre Demos gemäß den demokratischen Regeln anmelden.

Die Stadt München hat sämtliche unangemeldete Demos per Allgemeinverfügung verboten. Sollte der Landkreis Dachau dies auch tun?

Ich habe den Landrat schon öfter mit Nachdruck darum gebeten, alles zu prüfen, ob das auch ein Weg für den Landkreis Dachau wäre. Aber bisher herrscht da eine andere Einschätzung. Das Argument ist, dass die unangemeldeten Demos im Landkreis im Vergleich mit denen in München friedlich verlaufen. Das habe ich zu respektieren.

Die Corona-Krise ist nicht nur gesellschaftlich, sondern auch finanziell für die Kommunen eine Herausforderung. Wie ist die Situation in der Stadt Dachau?

Wir hatten und haben durch Corona Steuereinbußen in Millionenhöhe zu verschmerzen. Die Einnahmen durch die Gewerbesteuer sind noch nicht auf Vor-Corona-Niveau. Ähnlich ist es bei der Einkommensteuer. Bisher sind wir aber ohne neue Schulden durch die Pandemie gekommen. Auch für das Haushaltsjahr 2022 gibt es bereits positive Aspekte: Wir haben mehr Schlüsselzuweisungen bekommen, als eingeplant waren. Zudem gibt es vom Freistaat eine Gewerbesteuerkompensation. Allerdings stehen uns in den nächsten Jahren gewaltige Investitionen bevor: neue Hallen für die Sportvereine, Kindergarten- und Schulbauprojekte. Dafür werden wir Kredite aufnehmen müssen.

Kinderbetreuung gehört zu den Pflichtaufgaben einer Kommune. Zuschüsse für Sportvereine und Kultur sind sogenannte freiwillige Leistungen, die zum Teil aus dem Haushalt für 2022 gestrichen werden mussten.

Kultur und Sport sind sehr wichtig für eine lebendige Stadtgesellschaft. Deshalb haben wir in diesen Bereichen nur in einem sehr geringen Maße den Rotstift angesetzt. Da waren sich alle Parteien einig. Wir haben die freiwillige Spitzensportförderung in Höhe von rund 20 000 Euro gestrichen. Im Vergleich zu den eineinhalb bis zwei Millionen Euro, die die Stadt in den Sport investiert, ist das ein verschmerzbarer Punkt. Auch bei der Kultur haben wir nur minimal eingespart. Zum Beispiel gibt es heuer nur vier statt fünf Schlosskonzerte. Ich denke, das ist vertretbar.

Lebendige Stadtgesellschaft ist ein gutes Stichwort. Vervollständigen Sie bitte den folgenden Satz. Das Dachauer Volksfest wird im Sommer 2022...

...möglicherweise stattfinden. Es wird auf alle Fälle eine Veranstaltung in irgendeiner Form geben. Das Gute ist, dass wir jetzt zwei Varianten haben: Wir können ein Dachauer Volksfest oder - wenn dies nicht möglich ist - einen Sommer auf der Thoma-Wiese machen. Natürlich ist das Volksfest die erste Wahl. Deshalb planen wir aktuell auch so, als würde ein normales Volksfest stattfinden. Wenn das aber aufgrund von Corona nicht klappt, können wir schnell auf den Sommer auf der Thoma-Wiese zurückgreifen. Wir sind super vorbereitet und sind daher sehr entspannt. Wir sind auch flexibler geworden in der Frage, wann wir Entscheidungen wie eine Volksfest-Absage treffen müssen. Das ist etwas, was wir während Corona gelernt haben: Wir schaffen es auch mit geringer Vorlaufzeit, großartige Veranstaltungen auf die Beine zu stellen.

Ausblick auf 2022: Anstatt eines Volksfestes veranstaltete die Stadt 2021 einen "Sommer auf der Thoma-Wiese".

Anstatt eines Volksfestes veranstaltete die Stadt 2021 einen "Sommer auf der Thoma-Wiese".

(Foto: N. P. Jørgensen)

Noch ein Satz zum Vervollständigen: Im Oktober 2022 wird die Einbahnstraße in der Altstadt...

...es ist schwierig, diesen Satz zu beenden. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich noch nicht sagen, ob die Einbahnstraße bleibt oder nicht. Nach Ablauf der einjährigen Probephase entscheiden das die Stadträte. Wir müssen uns die Zeit nehmen und ein Jahr lang schauen, wie es läuft. Wir werden auch wieder die Bürgerinnen und Bürger dazu befragen, so wie wir es vor der Einführung der Einbahnstraße getan haben. Ich bekomme negative Rückmeldungen von einem Einzelhändler in der Stadt, der Unterschriften gegen die Einbahnstraße sammelt. Aber ich bekomme auch positive Rückmeldungen. Die Polizei findet die Regelung auch gut, weil die Sicherheit erhöht wurde. Eine vorherrschende Meinung hat sich - auch bei mir - noch nicht herauskristallisiert. Am Ende wird man es aber nicht allen Recht machen können.

Kommen wir zu einem Thema, das die Dachauer nicht nur dieses Jahr, sondern wahrscheinlich die nächsten Jahrzehnte beschäftigen wird: die Entwicklung des MD-Geländes. Es gab zuletzt viele Gespräche zwischen Stadt, Fraktionen und Investor. Die Inhalte dieser Gespräche blieben bisher größtenteils geheim. Jetzt kommt der Bauausschuss Anfang Februar zu einer Sondersitzung zusammen, in der es nur um das MD-Gelände gehen soll.

Thema der Gespräche waren oft Verträge, die wir als Stadt mit dem Investor aushandeln. Das kann und darf man oft gar nicht öffentlich machen. Zudem wollten wir, dass sich alle Stadträte, die nach der Kommunalwahl 2020 neu ins Gremium gewählt wurden, ausgiebig informieren konnten. Insgesamt versuchen wir aber natürlich, das Verfahren so transparent wie möglich zu halten, weil das MD-Gelände eine so große Bedeutung für die Stadt hat. Jetzt im Februar wollen wir der Öffentlichkeit vorstellen, welche Dinge sich in den Planungen im Vergleich zum letzten Stand von vor mehr als zwei Jahren verändert haben. Die Stadträte können dann in der Sitzung die Verwaltung beauftragen, die Planungen anzupassen. Der nächste Schritt wäre dann die Auslegung der Pläne. Zwischenzeitlich werden wir mit dem Investor Verträge abschließen.

Ausblick auf 2022: Das MD-Gelände am Fuße der Dachauer Altstadt.

Das MD-Gelände am Fuße der Dachauer Altstadt.

(Foto: Toni Heigl)

Wird das Bebauungsplanverfahren in diesem Jahr noch abgeschlossen werden können?

Nein. Nach der ersten Auslegung wird es bei der Größe des Projekts sicherlich eine zweite Auslegung geben müssen. Das dauert mindestens eineinhalb bis zwei Jahre. Wobei man das nie genau sagen kann.

Dem Investor kann es nicht schnell genug gehen. Angeblich soll das Gelände bis Jahresende saniert sein. Dann könnte man theoretisch beginnen zu bauen. Müssen Sie die Eigentümer in den Gesprächen einbremsen?

Natürlich ist es der Wunsch eines Investors, dass es schnell geht. Aber die Beteiligten sind Profis genug, dass sie wissen, wie lange solche Verfahren dauern. Unser Ansporn ist, dass wir eine Planung machen, die in die Zukunft gerichtet ist. Die nächsten Generationen müssen schließlich damit leben. Und deshalb wollen wir als Stadt ein lebendiges Quartier schaffen mit Nahversorgungs-, Mobilitäts- und Wohnangeboten oder Museumsstrukturen. Wir wollen mit diesem Gelände die Stadt nicht belasten, sondern die Attraktivität Dachaus steigern. Wir wollen das Beste für die Stadt rausholen, deshalb lassen wir in den Verhandlungen nicht locker. Und bisher haben wir gute Ergebnisse erzielt.

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