Süddeutsche Zeitung

Dachau:Jazz, filigran und launig

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Das Michael Musillami Trio begeistert das Publikum beim Jazzverein in der Kulturschranne.

Von Andreas Pernpeintner, Dachau

Es ist überaus charmant, wie der amerikanische Gitarrist Michael Musillami durch das Konzert seines "Michael Musillami Trio" beim Jazzverein in der Kulturschranne führt und die jeweils folgenden Darbietungen in kurzen Geschichten umreißt. Im Gedächtnis haften bleiben dabei vor allem zwei Moderationen: Musillamis berührender Bericht von seiner tragischen Hirntumorerkrankung im vergangenen Jahr, die er nun musikalisch verarbeitet, sowie eine Liebeserklärung an Dachau und an den Idealismus des Jazzvereins und seiner Mitglieder. Dachau, sagt er, sei einer seiner Lieblingsauftrittsorte, bei einem früheren Auftritt in Dachau habe seine Band ihre musikalische Identität gefunden. Das ist sehr emotional. Aber man glaubt es gerne. Und so verspricht Musillami: "We're gonna play our hearts out for you."

Wer nun glaubt, damit sei gemeint, dass Musillami zusammen mit dem Bassisten und Dachauer Stammgast Joe Fonda sowie dem Schlagzeuger George Schuller gehörig die Sau rausließe, irrt. Denn das expressive Forte ist nicht die Kernkompetenz dieses Trios. Dabei hört es sich in den ersten Minuten fast danach an: Aus der leisen Keimzelle spärlicher Impulse heraus beginnt dieser Konzertabend mit einer furiosen Klangverdichtung von Bass und Schlagzeug. Sukzessive, mächtig, in sich heftig bewegt. Auf dem Höhepunkt steigt Musillami mit seiner verstärkten Jazzgitarre ein. Doch nicht - und das ist nun ein entscheidendes Merkmal dieses Konzerts - zur nochmaligen Steigerung. Nein, Musillami räumt durch seinen Einstieg im Ensembleklang erst einmal ordentlich auf. Strukturiert die Klangeruption, reduziert, überführt die Musik in ein transparentes Melodiethema von geradezu klassischer Jazzprägung und lässt daraus schließlich eine filigran und leichtfüßig dahineilende Jazznummer werden. Das ist hübsch und durchaus launig.

Hier steckt schon viel davon drin, was sich als Eigenschaft dieses Trios erweist: Die Lust dieser drei Musiker am technisch Perfekten, ihre Fähigkeit zur ungemein feingliedrigen musikalischen Koordination und Strukturgebung, die sich nicht zuletzt in vielen geschwinden Unisono-Läufen von Gitarre und Bass äußert, die Freude an schöner Melodik und an einer liebevoll abgewogenen Klangfarbengestaltung.

Schlichte, unaufdringliche Melodien

Das Melodische wird ganz eindeutig von Musillami dominiert, und seine schlichten, unaufdringlichen Melodien sind einfach wunderbar. Die Farbe jedoch, die geben auch seine Bandkollegen bei: Schuller mit seinem Schlagzeug, bei dem neben den Drumsticks auch Besen und Paukenschlägel zum Einsatz kommen - und vor allem Joe Fonda. Sein Bass ist facettenreich und reicht von introvertierten Soli aus spärlich gezupften, singenden Tönen und leise flirrenden Oberschwingungen, die er mit einem sanft auf den Saiten springenden Bassbogen erzeugt, bis hin zu akzentuiert pulsierendem, lässigem Groove.

Damit ist man bei der Prägnanz dieses Konzerts: Keine Frage, es gibt sehr markante Momente - in Fondas Spiel und nicht zuletzt in den Drumsoli. Auch keine Frage, die Spielfreude des Trios ist in jedem Augenblick evident. Doch stets unter Kontrolle. In der ersten Programmhälfte führt das noch häufig zu markanten atmosphärischen Wechseln, die sowohl als schlüssige dramaturgische Entwicklungen als auch als bewusste Stilbrüche gestaltet werden: etwa in den Nummern "Uncle Fino's Garden" (Musillamis kriminell hochbegabter Onkel Fino vergrub sein ergaunertes Geld im Gemüsegarten), "Old Tea" oder dem erstaunlich spröden, expressiv zergliederten Stück, das Musillamis Krankheitserfahrung umschreibt.

Vor allem in der zweiten Hälfte aber herrscht dann meist ein langsamer Puls, herrschen innig versonnene Linien vor. Insbesondere Musillami erweist sich dabei als recht sanfter Gast des Jazzvereins. So bleibt trotz einiger Verdichtungsmomente am Ende das Gefühl, einen auffallend leisen, phasenweise auch durchaus kontemplativen Jazz-Abend erlebt zu haben. Das ist schön, gelingt den Musikern aber nicht immer kurzweilig. Als Zugabe weht Duke Ellingtons "In a Sentimental Mood" durch den Raum.

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Quelle:
SZ vom 30.01.2017
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