Ausstellung:Farben im Advent

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Landrat Stefan Löwl (CSU) eröffnet die Ausstellung der Neuen Galerie über Malerei in der Nachfolge von Adolf Hölzel mit einer erstaunlichen These über einen inneren Bezug der Bilder zu vorweihnachtlichen Zeit. Ein Erklärungsversuch

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Dass die aktuelle Ausstellung über Schokolade im Dachauer Bezirksmuseum mit dem Advent in Verbindung gebracht werden kann, leuchtet ein. Insofern war die Rede des Dachauer Landrats Stefan Löwl (CSU), der im Stile seines Vorgänger Hansjörg Christmann, gerne den großen Bogen zu Kunst und Kultur zu schlagen versucht, noch einleuchtend. Aber wieso sollen Farbexplosionen von Michael Toenges den Betrachter "nicht minder gut" adventlich stimmen als Süßigkeiten? Der Landrat behauptete es als Eröffnungsredner in der Neuen Galerie über Beispiele der Farbfeldmalerei in der Nachfolge des wohl berühmtesten Vertreters der Dachauer Künstlerkolonie, Adolf Hölzel. Seine Komposition in Rot aus dem Jahr 1905 gilt als eines der ersten Werke der abstrakten Kunst, man weiß nur nicht, ob er es in Dachau noch malte oder schon an der Stuttgarter Kunstakademie, wo er im selben Jahr berufen wurde.

Also Michael Toenges aus Pfaffenhofen an der Ilm zeigt eine Farbexplosion, die ironisch-heiter anmutet, als würde er sich einen Schabernack mit der Farbe treiben. Da sind Spuren der Hände zu sehen, sodass das Bild wie ein Relief wirkt. Ingrid Floss aus München wiederum bezieht sich explizit auf die Hölzel-Vorlage und lässt den Betrachter eintauchen in eine Fülle von Details, Farbflecken und gestischen Ergänzungen. Petra Amerell aus München sucht danach, wie die Leuchtkraft der Farbe verstärkt werden kann, Claudia Desgranges aus Frankfurt arbeitet ähnlich wie die Dachauer Künstlern Annekathrin Norrmann mit opaken Farb- und Spiegelflächen. Bei Susanne Zuehlke aus Karlsruhe ist noch die Nähe zur Landschaftsmalerei spürbar, wobei sich mehrfach brechende und durchscheinende Bildebenen entstehen. Schließlich übernimmt die gebürtige Brasilianerin Doris Hahlweg das Credo von Adolf Hölzel insofern, als Formen allein aus dem Farbauftrag heraus entstehen und kein Kalkül darstellen. Übrigens zeigte sich Landrat Löwl von den Lebensläufen fünf Frauen und des einen Mannes beeindruckt: "Schön, was sich in Dachau trifft."

Doris Hahlweg zeigt eine gewisse Nähe zu Adolf Hölzel, weil sie dessen Credo folgt, dass Formen allein aus der Farbe heraus entstehen sollen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Kann man so sagen. Der prominenteste Gast dürfte Ewald Schade aus Karlsruhe auf der Vernissage gewesen sein. Er zählt zu den arrivierten Galeristen in Deutschland. Er ist der Lebensgefährte von Susanne Zuehlke. Der Schweizer Schriftseller Silvio Blatter war da und mit ihm der ehemalige Münchner Kunstprofessor Jerry Zeniuk. Dazu begleiteten die Kreisräte Edgar Forster und Sebastian Leiß von den Freien Wählern Dachau Landrat Löwl in anheimelnder Nähe durch die Ausstellung, als wären sie dessen persönlichen Referenten.

Die Dachauer Künstler Alfred Ullrich und Monika Siebmanns unterhielten sich angeregt darüber, wie gut es sei, dass am Donnerstagabend gleich zwei Ausstellungen hintereinander eröffnet würden. Um 18.30 Uhr war die Neue Galerie dran. Um 19.30 Uhr die KVD-Galerie mit Selbstporträts der Mitglieder. Siebmanns meinte: "Wir sollten das immer so machen." Dazu müsste der kommunale Zweckverband Dachauer Museen den Etat für die Neue Galerie erheblich aufbesser, weil er mit der Schlagzahl an Ausstellungen binnen eines Jahres in der KVD nicht mitkommt.

Landrat Löwl erheitert die Zuhörer in der Neuen Galerie. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Wilhelm Warning, der frühere Kulturredakteur des Bayerischen Rundfunks, nahm Löwls Freude über die spannenden Biografien der Künstler selbstironisch auf und begann seine Rede mit dem Hinweis, dass er eben bloß in Nymphenburg geboren worden sei und München eigentlich nie verlassen habe. Maler Michael Toenges schaffte es immerhin von Pfaffenhofen a.d. Ilm nach Köln.

Das bedeutet allerdings nicht, dass Warning aufs Reisen verzichtet hätte. Eine für die Rede und sein Thema wichtige führte ihn nach Venedig, wo er in der Kirche San Salvatore an zwei Tizian-Gemälden erlebte, wie die Farbe sich verändert, wie sie zusprechen beginnt und neue Dimensionen eröffnet. Im Gegensatz zu zahlreichen sonstigen Eröffnungsreden verzichtete Warning darauf, nun durch die Bilder der Ausstellung zu führen. Er breitete stattdessen den Kosmos der Farbe und ihrer Wirkung aus.

Auch deswegen gelang es Kuratorin Jutta Mannes in einer kurzen Ansprache stellvertretend für Landrat Löwl doch noch den Bogen von der Farbfeldmalerei hin zum Advent und der staaden Zeit zu ziehen. Angesichts des nasskalten Wetters draußen, sagte sie, wirkten die Farben drinnen allesamt sehr warm. Also. Geht doch.

© SZ vom 07.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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