Die Trennung von seiner Partnerin hat ihn komplett aus der Bahn geworfen. Sie kam unerwartet und plötzlich stand er mit seinen beiden Kindern allein da. Ohne die Unterstützung der Familienpatin Sylke Schwarze, der alleinerziehende Dachauer wüsste gar nicht, wie er das schaffen sollte: allein mit einem Sechsjährigen und einer Dreijährigen, dazu ein Vollzeitjob. Die Mutter sehen die Geschwister nur jedes zweite Wochenende.
Doch das Angebot „Familienpaten“ der Arbeiterwohlfahrt (AWO), über das Schwarze im Mai zu dem alleinerziehenden Vater gekommen ist, steht vor dem Aus: Im Oktober hat der Kreisausschuss beschlossen, das Projekt nicht weiter zu unterstützen. Der Dachauer, der wegen eines laufenden Sorgerechtsstreits anonym bleiben will, sieht die Sparmaßnahme äußerst kritisch: „Dass Frau Schwarze in Zukunft wegfällt, ist ein schwerer Verlust für uns.“
„Das tut nicht nur mir gut, sondern auch den Kindern“
Es klingelt an der Haustür und die Kinder stürmen los, Sylke Schwarze wird sofort belagert, die Dreijährige schmiegt sich an ihre Schulter. An diesem Abend wird die 56-Jährige mit der grauen Kurzhaarfrisur wieder mit den Geschwistern mit Bügelperlen basteln, toben und ihnen etwas zu Essen machen, damit ihr alleinerziehender Vater ein paar Stunden für sich hat. Er sagt: „Das tut nicht nur mir gut, sondern auch den Kindern, weil der Papa etwas Ruhe bekommt, ausatmen kann“ – und wieder Kraft für den Familienalltag schöpfen kann.
Seit etwa sieben Jahren gehört Sylke Schwarze zu den rund 20 ehrenamtlichen Familienpaten der Dachauer AWO. Sie unterstützen Familien, wenn dort die Kräfte nicht mehr ausreichen, um allen Herausforderungen gerecht zu werden, sie betreuen Kinder, helfen den Alltag zu organisieren oder hören bei Sorgen auch einfach mal zu, meist einmal pro Woche, über mehrere Monate hinweg. Dadurch sollen laut AWO „die Selbsthilfekräfte von Familien gestärkt werden, so dass sie den Alltag wieder gut bewältigen können“. Ende April wird damit Schluss sein, dann läuft die Förderung aus.

Betreuungsangebot für junge Familien:Die Zeitspenderinnen
Ehrenamtliche von "Wellcome" kümmern sich ein paar Stunden die Woche um Kinder bis zu einem Jahr, Monika Dreseler-Wilk ist eine von ihnen. Aus Erfahrung weiß sie, wie wichtig Verschnaufpausen für junge Eltern sind.
Laut Landratsamt wurden die beiden AWO-Angebote „Familienpaten“ und „Wellcome“ seit zehn Jahren mit rund 50 500 Euro pro Jahr bezuschusst. Bei „Wellcome“ unterstützen Ehrenamtliche ebenfalls junge Familien, allerdings mit Babys von bis zu einem Jahr. Den Großteil der Zuschüsse für die Projekte hat bislang die Bundesstiftung „Frühe Hilfen“mit 33 500 Euro übernommen, rund 17 000 Euro legte der Landkreis obendrauf. Das Geld wird unter anderem dafür verwendet, um eine Haftpflicht- und Unfallversicherung für die Ehrenamtlichen abzuschließen, falls bei ihrem Einsatz in den Familien versehentlich etwas kaputtgeht.
Außerdem wurden ihnen die Fahrtkosten erstattet und die Helferinnen sich bei Schulungen weiterbilden, etwa zu Erster Hilfe oder psychosozialen Themen in Familien. Betreut werden sie von Psychologin Kerstin Schmied, die mit ihnen die Einsätze in den Familien vorbereitet und nachbespricht. Doch wegen der Sparmaßnahme verliert Schmied ihre Teilzeitstelle bei der AWO. Ab Mai wird lediglich das Projekt „Wellcome“ weiter gefördert, wobei die Zuschüsse deutlich geringer ausfallen. Es sind laut Landratsamt dann nur noch 5000 bis 7000 Euro pro Jahr.
Das Landratsamt begründet das damit, dass die beiden Angebote mit 33 500 Euro etwa 66 Prozent der verfügbaren Bundesmittel aufbrauchen: „Sie nehmen somit einen unverhältnismäßig großen Teil der verfügbaren Mittel in Anspruch, wodurch andere dringend benötigte Projekte nur in begrenztem Umfang möglich sind.“ Statt der Familienpaten sollen in Zukunft Mitarbeiter der Koordinierenden Kinderschutzstelle (Koki) des Jugendamtes Dachau in den Familien unterstützen.
„Die wollen möglichst wenig mit dem Jugendamt zu tun haben“
Schwarze kritisiert das: Die Familienpaten seien ein „niedrigschwelliges Angebot“, unter anderem für Familien mit Migrationshintergrund: „Die wollen möglichst wenig mit dem Jugendamt zu tun haben.“ Oft seien die Ängste der Eltern groß, sich den Jugendamtsmitarbeitern wirklich zu öffnen, weil sie befürchten, dadurch ihre Kinder zu verlieren, so Schwarze. Vielen Familien könnte künftig also nicht mehr weitergeholfen werden: „Das wird sich auf das Sozialverhalten der Kinder auswirken und auch auf die Leistungen in der Schule.“
Dass die Familienpatinnen wieder mehr Stabilität in das angespannte Familienleben bringen, das bestätigt auch der alleinerziehende Dachauer. Die Trennung von seiner Ex-Partnerin habe seine Kinder ziemlich mitgenommen, erzählt er. Sein sechsjähriger Sohn habe sich auf einmal sehr zurückgezogen, sei viel ängstlicher gewesen und habe wieder in die Hose gemacht. Seit Schwarze regelmäßig vorbeikomme, gehe es ihnen als Familie wieder besser, sagt er. Die Dreijährige erzählt, dass sie es mag, mit Schwarze zu spielen, zu turnen oder zu basteln.
Seit 2017 hat Sylke Schwarze bereits sechs Familien als Patin begleitet, oft waren es alleinerziehende Mütter, zum Teil mit Migrationshintergrund. Die Familienpatin half ihnen etwa dabei, schwer verständliche Formulare auszufüllen, gab Tipps bei Sorgen rund um die Familie, und sprang ein, wenn eine Mutter einen Termin beim Arzt, Therapeuten oder einer Behörde hatte oder einfach etwas Zeit für sich brauchte. Sich ehrenamtlich zu engagieren, gehört zum Leben der Übersetzerin für Französisch dazu, Schwarze sagt: „Mir geht es gut, wir haben keine Kinder und sind finanziell abgesichert, da ist es angebracht, in der Gesellschaft etwas mitzuhelfen.“
„Man kann in gewisser Weise etwas Positives in den Familien anstoßen“
Zwölf Jahre lang engagierte sie sich beim Dachauer Arbeitskreis Asyl und wurde danach Familienpatin. In ihrem Ehrenamt mache es ihr Spaß, dass sich die Kinder so freuen, wenn sie kommt. Sie findet es schön, ihre Entwicklung zu verfolgen: „Man kann in gewisser Weise etwas Positives in den Familien anstoßen, die gerade in einer schwierigen Situation sind“, sagt sie. Ab Mai muss sie sich nun umorientieren; sie überlegt, sich bei der Hausaufgabenbetreuung der AWO zu engagieren.
Laut Kerstin Schmied haben die Familienpaten in den vergangenen zehn Jahren über 200 Familien im Landkreis Dachau unterstützt und über 15 000 Stunden ehrenamtliches Engagement geleistet: „Das ist krass, wenn man sich überlegt, was diese Einsätze mit hauptamtlichen Fachkräften gekostet hätten.“
Kerstin Schmied hat eine Spendenaktion organisiert, um zumindest das Projekt „Wellcome“ auf solidere Beine zu stellen und möglichst viele Einsätze bei Familien mit Babys bis zu einem Jahr zu ermöglichen. Weitere Informationen gibt sie unter dachau@wellcome-online.de.

