Familienbad:Die Bürger verdienen Klarheit

Die Öffnung der Freibäder durch die bayerische Staatsregierung hat Stadt und Stadtwerke kalt erwischt.

Kommentar von Thomas Balbierer

Die Öffnung der Freibäder durch die bayerische Staatsregierung hat Stadt und Stadtwerke kalt erwischt. Auf einen Badebetrieb im Juni waren die Verantwortlichen nicht eingestellt. Wo sonst Schwimmer ihre Bahnen ziehen, klafft eine große Baustelle. Ja, die Corona-Pandemie hat in diesem Jahr alles auf den Kopf gestellt. Dass Kommunen und kommunale Betriebe nicht sofort springen, wenn Markus Söder ein Kommando erteilt, ist verständlich. Derzeit werden im Wochentakt Lockerungen angekündigt, die großen Worte des Ministerpräsidenten müssen aber in kleinteilige Verwaltungstexte übersetzt werden, das kann dauern.

Dass Stadt und Stadtwerke nun aber den Eindruck erwecken, sie wären nicht allzu traurig, wenn das Freibad heuer komplett geschlossen bliebe, ist ein schlechtes Signal. Denn viele Bürger freuen sich trotz wohl strenger Hygieneregeln aufs Schwimmen und Planschen. Entbehrungen hatten sie in den vergangenen Wochen reichlich, ein Verzicht aufs Freibad wäre schmerzhaft. Von Stadtwerken und Rathaus kommt wenig Hoffnungsvolles. Stattdessen wird aufgezählt, welche Einschränkungen die Corona-Auflagen für Freibadbesucher haben könnten: Maskenpflicht, geschlossene Toiletten, verkürzte Besuchszeiten - sogar das Rutschen sei wegen des Abstandsgebots fraglich. Die Botschaft: Erwartet besser nicht zu viel. Der Oberbürgermeister verweist vorsorglich auf die Badeseen, die seien ja auch "attraktiv". Aber ließen sich Abstands- und Hygieneregeln im abgesperrten Schwimmbad nicht viel besser kontrollieren als an einem Weiher? Zumal sich das Coronavirus im Chlorwasser offensichtlich nicht verbreitet. Klar ist, dass Erstellung und Umsetzung eines Hygienekonzepts für das Bad viel Arbeit und hohen Personalaufwand bedeuten würden. Niedrige Besucherzahlen und hohe Betriebskosten könnten das Minusgeschäft des defizitären Betriebs verschärfen. Das würde wehtun, gerade jetzt, wo der Kommune durch Corona ohnehin Steuerverluste in Millionenhöhe drohen. Aber mit ihrer Zurückhaltung lassen die Verantwortlichen die Bevölkerung im Unklaren.

Die CSU fordert als Anwalt der corona-geplagten Heimatzwangsurlauber sogleich die schnelle Öffnung, am besten schon am 8. Juni. Das ist populär, aber unrealistisch angesichts der aufgerissenen Becken. Gerechtfertigt hingegen ist die Sorge, dass die Stadt und ihre Stadtwerke Corona als Chance begreifen, das defizitäre Freibadgeschäft trockenzulegen. Das Familienbad wäre nicht das erste kommunale Bad, das dem Rotstift zum Opfer fällt. Und was, wenn sich die finanzielle Lage auch im nächsten Jahr nicht ändert, bleibt das Bad dann geschlossen? Die Bürger verdienen Klarheit. Sie dürfen erwarten, dass dem Freibad nicht so einfach der Stöpsel gezogen wird.

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