Süddeutsche Zeitung

Dachau:Wenn Flüchtlinge als Billigkräfte herhalten müssen

Lesezeit: 4 min

Der Malier Keita Abou Bakry und Helferkreise erzählen eine traurige Geschichte von der Ausbeutung der Schwächsten.

Von Manuel Kronenberg, Dachau

Keita Abou Bakry hat gefunden, worauf viele Asylbewerber in Deutschland hoffen: Er hat einen Vollzeitjob. Er verdient sein eigenes Geld und ist unabhängig von Asylleistungen. Aber bis er diesen Job gefunden hatte, musste Abou Bakry einiges über sich ergehen lassen. Zweimal schon wurde er Opfer von Ausbeutung, zwei Arbeitgeber nutzten seine Not aus - so erzählt er es. Zuletzt machte der 42-jähriger Malier demnach schlechte Erfahrungen mit dem Betreiber der Burger-King-Filiale in Dachau. Astrid Perrotton vom Helferkreis Schwabhausen, die Abou Bakry betreut, bestätigt: "Ich war entsetzt über das Verhalten von Burger King." Eine Firmensprecherin wies im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung die Vorwürfe jedoch zurück.

Aber zunächst die Geschichte von Keita Abou Bakry, der in der Stadt Mopti geboren wurde. Vor etwas mehr als zwei Jahren kam er nach Deutschland, jetzt lebt er in Schwabhausen. Seine drei Kinder sind nicht bei ihm, sie sind noch im Senegal im Kirchenasyl. Seitdem Abou Bakry in Deutschland ist, bemühte er sich um eine Arbeitsstelle. In seiner Heimat war er in einem Hotel beschäftigt, anschließend als Safari-Mitarbeiter. Deshalb suchte er mit der Hilfe von Perrotton im Landkreis nach einem Job in der Gastronomie.

Aus drei Stunden wurden zehn

Er wurde auf eine Stelle aufmerksam, die bei der Agentur für Arbeit ausgeschrieben war. Die "R.O.I. Gastro Holding", Betreiber der Burger-King-Filiale in Dachau, suchte nach einer Hilfskraft für die Küche. Abou Bakry bewarb sich und konnte einen Termin zum Probearbeiten vereinbaren. Es sollte ein "Kennenlernen" werden, ausgemacht waren drei Stunden. Vormittags um zehn Uhr traf Abou Bakry bei Burger King ein. "Als erstes wurde mir mein Handy abgenommen", berichtet er auf Französisch. "Dann musste ich bis 20 Uhr arbeiten." Erst dann habe er sein Handy wiederbekommen. Und den Chef, an den seine Bewerbung ging und der über eine Einstellung hätte entscheiden sollen, habe er nie gesehen. Abou Bakry half in der Küche, schnitt Zwiebeln, briet Fleisch. Auch außerhalb der Küche musste er mit anpacken. Er habe die Magazine geordnet und Flyer an die Scheiben parkender Autos geklemmt, sagt der Malier. "Gegen 14 Uhr durfte ich eine Pause machen. Ich habe etwas gegessen und getrunken. Nach 20 Minuten musste ich weiterarbeiten."

Eine Frau, die in der Küche arbeitete, habe ihm alle Anweisungen gegeben, sagt Abou Bakry. Sie soll unter anderem zu ihm gesagt haben, dass sie ihn eigentlich gar nicht brauchen, weil sie nach einer weiblichen Person für den Job suchen. "Als er vom Arbeiten zurückkam, hatte er ein ganz schreckliches Gefühl wegen dieser Frau", sagt Perrotton.

Eine Absage kam nicht: zu viel Arbeit

Nach dem zehnstündigen Arbeitstag, so Abou Bakry, sagte man ihm, dass man sich telefonisch bei ihm melden werde. Doch niemand rief an, der Malier bekam nicht einmal eine Absage. Astrid Perrotton glaubte zunächst noch an ein Missverständnis, wie sie sagt, und rief im Personalbüro der Firma an. Wenigstens eine schriftliche Absage wollte sie, damit der Fall bei der Agentur für Arbeit abgehakt werden konnte. Zufriedenstellende Antworten habe sie aber nicht bekommen, sagt Perrotton. Es habe nur geheißen, dass es grundsätzlich keine schriftlichen Absagen gebe. Und: Der Bewerber hätte keine zehn Stunden arbeiten müssen, er hätte ja nach vier Stunden einfach gehen können. Eine Mitarbeiterin aus dem Personalbüro von Burger King sagte der SZ: "Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass er unfair behandelt wurde." Und dass Abou Bakry keine Absage bekommen habe, sei ganz normal: "Bei uns ist es so, dass die Bewerber gesagt bekommen: Wenn wir sie nehmen, dann melden wir uns." Ansonsten nicht. Denn: "Wir haben ungefähr 200 Bewerbungen im Monat, davon laden wir auch an die 150 Leute ein." Allen abzusagen, sei also viel zu viel Arbeit.

Eine Sache macht Perrotton jedoch stutzig: Das Stellenangebot, auf das sich Abou Bakry beworben hatte, ist immer noch bei der Agentur für Arbeit ausgeschrieben, seit September 2014 auch online. Sie befürchtet daher, es habe System, Schichten mit kostenlosen Probearbeitern zu besetzen. Eine Mitarbeiterin der Agentur für Arbeit erklärt indes, das Inserat sei monatlich auf Aktualität geprüft worden, und es habe keine Unregelmäßigkeiten gegeben. Beschwerden von Arbeitnehmern seien nicht registriert worden.

Timo Günther vom Deutschen Gewerkschaftsbund in Bayern hat schon von einigen solcher Fälle gehört. Asylbewerber seien besonders gefährdet, Opfer von Ausbeutung und Lohndumping zu werden. "Sie gehen schnell gewisse Risiken ein, weil sie unser Arbeitsrecht nicht kennen. Außerdem haben sie meistens eine lange Flucht hinter sich. Sie haben sich in Lebensgefahr begeben und wollen jetzt schnell arbeiten. Dann sind sie froh, wenn sie etwas haben", sagt Günther. "Das kann ein großes Problem werden. Davor dürfen wir die Augen nicht verschließen." Abou Bakry hatte zuvor bei einer Cateringfirma gearbeitet. Wie er sagt, musste er dort viel mehr arbeiten als vereinbart und bekam keinen Cent für Überstunden.

Überwiegend positive Erfahrungen

Auch bei anderen Asylhelferkreisen im Landkreis ist das Problem bekannt. So hat Peter Barth vom Helferkreis in Hebertshausen schlechte Erfahrungen gemacht. Er vermittelte beispielsweise einem Asylbewerber aus Nigeria einen Job bei einer Reinigungsfirma. Für seine Arbeit dort habe der aber nie einen Cent gesehen. Ihm sei gesagt worden, dass er Blankoquittungen unterschreiben müsse, damit sein Lohn überwiesen werde. Als dann kein Geld kam und der Nigerianer nachfragte, habe es mit Verweis auf die Quittungen geheißen, dass das Geld schon bar ausbezahlt worden sei. "Es gibt immer ein paar schwarze Schafe, die eine schwache Gruppe in der Gesellschaft schlecht behandeln und ausbeuten", sagt Barth. Er möchte aber betonen, dass von den 45 arbeitsfähigen Asylbewerbern in Hebertshausen bereits 38 einen Job haben. "Die Erfahrungen sind überwiegend positiv."

Auch Keita Abou Bakry hat inzwischen einen neuen Job gefunden. Seit Anfang Dezember ist er als Küchenhilfe in dem afrikanischen Restaurant "Makula" in München angestellt. Für ihn nahm die Geschichte schließlich noch ein gutes Ende.

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Quelle:
SZ vom 15.12.2015
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