Süddeutsche Zeitung

Alle wollen helfen:Für eine gute Sache

Der Fairweltladen in der Dachauer Altstadt beteiligt sich zum ersten Mal an einer deutschlandweit stattfindenden "Fairen Woche" und hat sich etwas Besonderes ausgedacht: Elf Prominente übernehmen den Verkauf

Von Jacqueline Lang, Dachau

Die Lücke zwischen Theorie und Praxis ist besonders groß, wenn es um das Thema Gleichberechtigung geht. Vor allem in vielen der ärmsten Länder dieser Welt, werden Frauen immer noch unterdrückt und unfair behandelt - aber auch in Deutschland kann man im 21. Jahrhundert noch nicht von absoluter Geschlechtergerechtigkeit sprechen. Genau auf diesen Umstand will eine deutschlandweite Aktionswoche des Vereins Fairer Handel aufmerksam machen. Zum ersten Mal beteiligt sich in diesem Jahr an den seit 18 Jahren stattfindenden Aktion auch der Fairweltladen in der Dachauer Altstadt.

Die Aktionswoche startet in Dachau an diesem Freitag, 13. September und läuft bis einschließlich Mittwoch, 25. September. Das Thema der Woche ist in ganz Deutschland dasselbe, für die Ausgestaltung sind die einzelnen Läden allerdings selbst verantwortlich und Brigitte Hinterscheid und ihr Team haben sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen: An allen elf Tagen wird eine bekannte Dachauer Persönlichkeit den Verkauf für zwei Stunden unterstützen. Über die große Bereitschaft aller Beteiligten freut sich die Betreiberin des Weltladens ganz Besonders, weil es ein Zeichen der Wertschätzung auch für ihre Arbeit ist.

Den Anfang macht Stefan Löwl (CSU) am Freitag von 16 bis 18 Uhr. "Wir müssen ein deutlich höheres Bewusstsein für eine gerechte Welt schaffen; also dass es eine Welt ist und diese gerechter sein muss", sagt der Dachauer Landrat auf die Frage nach seiner Motivation, die Aktionswoche zu unterstützen. Gemeinsam mit den ehrenamtlichen Helfern, die sonst den Verkauf übernehmen, wird er Produkte anbieten, die zum Teil oder sogar vollständig von Frauenkooperativen hergestellt und vermarktet werden. Neben Stefan Löwl haben sich noch zehn weitere Prominente gefunden, die das Projekt unterstützen, unter ihnen sind Pfarrerin Christiane Döring, Bezirkstagspräsident Josef Mederer (CSU), Pastoralreferentin Susanne Deininger und die Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath (CSU), Michael Schrodi (SPD) sowie Pfarrverbandsleiter Heinrich denk von der Heilig Kreuz Kirche.

Natürlich ist aber auch Florian Hartmann (SPD) an einem Tag mit von der Partie. Er wird am Donnerstag, 19. September von 14 bis 16 Uhr fair gehandelte Produkte verkaufen. Für den Dachauer Oberbürgermeister ist es selbstverständlich die Aktion mit seiner Teilnahme "publikumswirksam zu unterstützen", wie er sagt. Das Thema der Aktionswoche sei für ihn nicht ausschlaggebend für die Teilnahme gewesen, aber das Geschlechtergleichberechtigung sei natürlich ein besonders wichtiges. "Bei dem Thema könnte es ja selbst in Deutschland noch ein Sprung nach oben geben", so Hartmann. Und tatsächlich, sagt Hinterscheid, sei es gar nicht so leicht gewesen, bei der teilnehmenden Dachauer Prominenz für ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu sorgen. "Das zeigt: Das Thema betrifft uns auch vor der eigenen Haustür", so die Weltladenbetreiberin. Letztlich ist das Verhältnis dann aber doch noch recht ausgewogen ausgefallen: fünf Frauen, sechs Männer. Aus der Politik sind aber nur zwei der fünf Frauen: die Bundestagsabgeordneten Katrin Staffler (CSU) und Beate Walter-Rosenheimer (Bündnis 90/Die Grünen). Die Teilnahme sei ihr "ein Herzensanliegen", sagt Staffler. "In einer Zeit in der die Zahl internationaler Konflikte immer weiter zunimmt, können wir durch die Verbesserung der Lebensbedingungen in den jeweilig betroffenen Krisenregionen für Stabilität sorgen. Der Schlüssel dazu liegt im fairen Handel", so die Dachauer Politikerin. Besonders die Unterstützung von Frauen in Entwicklungsländern hält Staffler für zentral, weil es besonders sie seien, die die nachhaltige Entwicklungen vorantreiben und so zu einer positiven Entwicklung in ihren Ländern beitragen würden. "Wo wir können, sollten wir diese Bemühungen im Kleinen wie im Großen fördern und unterstützen", sagt Staffler. Auch Walter-Rosenheimer sieht das ähnlich: "Mich in diesem Bereich zu engagieren ist für mich Ehrensache." Die Themen Fair Trade und Gleichstellungspolitik seien seit jeher zentrale Themen der Grünen. Besonders freue sie in diesem Zusammenhang, dass sich immer mehr junge Frauen politisch engagieren würden. Neben der Politik sind es vor allem Personen aus dem Umfeld der Kirche, die sich in der Fairen Woche im Verkauf engagieren werden. Eine von ihnen Antonia Ehemann. Die Vikarin der Dachauer Gnadenkirche habe sich gefreut, gefragt worden zu sein, weil das Thema Fairer Handel ein wichtiges sei, sagt sie. Beim Thema Gleichberechtigung sieht auch sie noch "Luft nach oben". Trotzdem sei es ihr nicht in erster Linie darum gegangen, dezidiert als Frau an der Aktionswoche teilzunehmen, sondern eben als Mensch.

Wenn das Wetter mitspielt, will Hinterscheid die Verkostung von fair gehandeltem Kaffee und Schokolade vor dem Laden organisieren, damit auch Passanten, die nur zufällig vorbeilaufen, von der Aktionswoche erfahren. Wer möchte kann dann auch gleich sein Wissen zu den Themen Fairer Handel und Gleichberechtigung in einem Quiz testen. Bewusst wird nicht nur Wissen über die Lage weltweit abgefragt, sondern auch in Deutschland. So lautet eine Frage etwa "Wie hoch ist der Anteil an Frauen im Deutschen Bundestag?", eine andere "Bis wann durften Männer ihren Frauen die Erwerbstätigkeit in Deutschland verbieten?". Die Antworten dürften den ein oder anderen sicherlich zum Nachdenken anregen, glaubt Hinterscheid.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir fälschlicherweise geschrieben, die CSU-Politikerin Katrin Staffler sei Landtagsabgeordnete. Richtig ist, dass sie seit 2017 im Bundestag sitzt.

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Quelle:
SZ vom 13.09.2019/cat
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