Dachau:Landrat wirft Kreisrat Leiß Populismus vor

Bürgerversammlung Süd

Stellt gern Anträge zu Dingen, die bereits beschlossen sind: der 26-jährige FW-Kreisrat Sebastian Leiß.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Sebastian Leiß von den Freien Wählern Dachau nervt seine Kollegen seit zwei Jahren. Inzwischen geht auch die CSU auf Abstand.

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Das kommunalpolitische Bündnis zwischen der CSU, ihrem Landrat Stefan Löwl und den Freien Wählern Dachau um Sebastian Leiß scheint zerrüttet zu sein. Die bereits heftige Auseinandersetzung am vergangenen Freitag im Kreisausschuss eskalierte am Montag. Fraktionsvorsitzender Leiß wirft dem kompletten Kreistag im SZ-Gespräch mangelnde Bereitschaft zu Innovationen vor: "Was ich vermisse, ist ein gesunder Wettbewerb um Ideen." Landrat Löwl attackiert ihn wegen dessen "zutiefst populistischer" Haltung. Deretwegen befinde sich Leiß in "guter Gesellschaft mit Parteien, die mit Demokratie nichts zu tun haben", sagt Löwl der SZ.

Als die Freien Wähler Dachau im März 2013 erstmals in den Kreistag gewählt wurden, fanden sie sofort engen Kontakt zur CSU - zum Nachteil der übrigen Parteien wie den Grünen, der SPD oder den Freien Wählern des Landkreises. Stadt- und Kreisrat Edgar Forster verschaffte der CSU die Mehrheit im Kreistag und wurde stellvertretender Landrat. Von diesem Zeitpunkt an präsentierten sich Forster und Sebastian Leiß, sein politischer Zögling und Neffe, demonstrativ in Löwls Schlepptau.

Laptop und Lederhose

Leiß ist 26 Jahre jung und gibt sich gerne traditionsbewusst. Zur Vernissage der Georg-Baselitz-Ausstellung am 1. Juni kam er beispielsweise in der Dachauer Tracht der Ampertaler. Er versteht sich als Typus eines Kommunalpolitikers, der Tradition und Moderne gleichermaßen verkörpert. Ganz im Sinne des CSU-Slogans von "Laptop und Lederhose" hat Sebastian Leiß die Rolle eines Motors für eine konsequent digitalisierte Landkreisverwaltung für sich auserkoren.

Zwei Jahre lang haben die Kreisräte die zahlreichen Anträge von Leiß aus ihrer Sicht mit größtmöglicher Geduld beraten. Aber am vergangenen Freitag hatten CSU und Landrat Löwl offenbar genug von den Anträgen zu E-Government, Kfz-Zulassungsstelle und längeren Öffnungszeiten. Denn aus ihrer Sicht erhob Leiß wieder einmal Forderungen, die längst behandelt, beschlossen und teilweise realisiert sind. Grünen-Sprecherin Marese Hoffmann gähnte hörbar, als Leiß seine Anträge begründete. Der reagierte ungehalten: "Frau Hoffmann, wenn es Sie nicht interessiert, gehen Sie bitte raus." Dass ein Kreisrat einen anderen zum Verlassen des Sitzungssaals aufforderte, ist im Dachauer Kreistag noch nicht vorgekommen.

"Ich würde meine Äußerung nicht überbewerten."

Aus der Distanz von drei Tagen bedauert Leiß seinen harschen Auftritt und betont, dass er sich entschuldigt hatte. Er versucht im Gespräch mit der SZ zu beschwichtigen und führt seine Reaktion auf die angespannte Atmosphäre im Kreisausschuss zurück. "Ich war vielleicht auch anmaßend. Aber ich würde meine Äußerung nicht überbewerten." Als seine grundlegende politische Aufgabe sieht er es an, eine Art Beschwerdeführer im Sinne des Bürgers zu sein: "Mit geht es um die kleinen Probleme, die ich lösen will." Bewusst stelle er keine Anträge, "in denen es um Millionen-Vorhaben geht". Vielmehr versteht er sich als Kreisrat, dessen Aufgabe es ist, die Landkreisverwaltung bürgerfreundlicher zu gestalten.

In dem Zusammenhang verweist er auf sein Studium der Betriebswirtschaft, das er mit dem Master an der katholischen Universität Eichstätt abgeschlossen habe. Er würde gerne mehrere Prinzipien, wie sie in Unternehmen üblich seien, in der Verwaltung einführen. Leiß sagt: "Wie man Dinge konsequenter angeht." Er sei ein "Anwalt der Bürger", der nach dem "Eisberg-Prinzip" handle: "Wenn drei Bürger sich beschweren, haben sich bestimmt dreißig geärgert." Schließlich hebt er zu einer grundsätzlichen Kritik an der politischen Debatte im Kreistag an, die er als ideenlos darstellt. Dieses von ihm diagnostizierte Versäumnis führt er auf den Umstand zurück, dass "im Kreistag viele hauptamtliche Politiker sitzen". Er meint die Bürgermeister und die Landtagsabgeordneten Bernhard Seidenath, Anton Kreitmair (beide CSU) und Martin Güll (SPD).

Der Landrat ist erbost über die Art, wie Beschwerdeb vorgetragen werden

Landrat Stefan Löwl kontert Leiß. Er wirft ihm vor, sich als "Beschwerdemanager" darzustellen und dabei Grundsätze politischer Arbeit von Mandatsträgern zu missachten. Es könne ja sein, dass Bürger Kreisrat Leiß tatsächlich ihren Ärger vortragen würden, sagt Löwl. Aber guter Stil wäre es, die Anliegen mit der Verwaltung zu besprechen, um sie gemeinsam zu lösen. Nicht anders verfahre ein Landtags- oder Bundestagsabgeordneter. Leiß indes generalisiere die Kritik einzelner zu einer pauschalen. Deswegen verzichte er darauf, der Verwaltung Einzelfälle zu schildern und anonymisiere sie sogar. Landrat Löwl: "Das ist reinst populistisch."

In die gleiche Kategorie gehören, wie der Landrat sagt, Anträge der Freien Wähler Dachau, in denen die laufende Arbeit der Verwaltung kommentiert werde. Beispiel Kfz-Zulassungsstelle: Anfang 2016 sei beschlossen worden, neue Stellen zu schaffen. In den nächsten Monaten werden sie besetzt. Jetzt fordere sie Leiß. Diese Methode, sich vorhandene Erfolge des gesamten Kreistags als "Schaufensteranträge" auf die Fahnen zu heften, will Löwl nicht mehr hinnehmen. "Wir haben ihm diesen Umgang zwei Jahre durchgehen lassen. Jetzt ist Schluss." Er bezeichnet es als unerträglich, dass Leiß ständig Kritik übe, um sie dann zurücknehmen zu müssen. Auf die Frage, ob er das Gespräch mit dem stellvertretenden Landrat Forster von den Freien Wählern Dachau gesucht habe, sagt Löwl: "Es hat nichts gebracht."

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Marese Hoffmann, der Sebastian Leiß empfohlen hatte, die Sitzung des Kreisausschusses zu verlassen, zeigt sich im Gespräch mit der SZ betont diplomatisch. Sie würdigt einerseits den Fleiß des jungen Kreisrats. Aber sie unterstützt Landrat Löwl in dessen Kritik, dass Leiß nicht die Bürger vertrete, "sondern instrumentalisiert". Dann erhebt auch Hoffmann noch einen Vorwurf: "Er schiebt angebliche Bürger vor und meint bloß sich selbst."

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