E-Mobilität im Landkreis Dachau:Ausgepowert im Hinterland

E-Mobilität im Landkreis Dachau: Die Schnellladestation für Elektrofahrzeuge im Bergkirchener Gewerbegebiet Gada hat 7 von 36 öffentlich zugänglichen E-Ladepunkten im Landkreis.

Die Schnellladestation für Elektrofahrzeuge im Bergkirchener Gewerbegebiet Gada hat 7 von 36 öffentlich zugänglichen E-Ladepunkten im Landkreis.

(Foto: Toni Heigl)

Im Landkreis sind gerade mal 427 E-Autos zugelassen. Das hat auch damit zu tun, dass das Netz der Ladesäulen im Dachauer Raum immer noch löchrig ist. Ein kreisweites Infrastrukturkonzept soll helfen, die Lücken zu schließen.

Von Thomas Balbierer, Dachau/Markt Indersdorf

Volker Wenzel besitzt sein Elektroauto seit mehr als einem Jahr. Er ist glücklich mit dem Wagen des US-Herstellers Tesla - nicht nur, weil er damit umweltschonend unterwegs ist, sondern weil das Fahren mit dem PS-starken E-Auto auch noch besonders viel Freude macht. Es sei "ein abartiger Fahrspaß", sagt Wenzel. Seinen Tesla würde er niemals gegen ein Verbrennungsauto eintauschen. Nur eine Sache stört den begeisterten Elektromobilisten aus Markt Indersdorf gewaltig: Das Netz an E-Tankstellen im Landkreis Dachau empfindet er als "katastrophal". Auf dem Land gebe es zu wenige öffentliche Ladestationen und in Dachau sei es inzwischen an manchen E-Tankstellen schwer, überhaupt noch einen freien Stellplatz zu ergattern. Deshalb tankt Wenzel am liebsten an einer speziellen Tesla-Station im Nachbarlandkreis Pfaffenhofen - und das umsonst.

Die E-Mobilität soll nach dem Willen von Umweltschützern und Politik weiter wachsen, und allmählich freundet sich sogar die deutsche Autoindustrie damit an. Der Staat lockt mit Förderungen und die Reichweiten der Stromer werden besser. Bis der Verbrenner jedoch im Museum landet, muss noch viel passieren. Im Landkreis Dachau, wie auch im Rest der Nation, sei die Elektrifizierung des Verkehrs "sehr schleppend" vorangekommen, sagt Andreas Froschmayer, der als Manager beim Logistikkonzern Dachser arbeitet und für die CSU im Karlsfelder Gemeinderat sitzt. Für das Projekt "Renewbility" im Auftrag der Bundesregierung war er an der Entwicklung von Klimaschutzstrategien für den Verkehr beteiligt. Froschmayer sieht im Ausbau der Ladeinfrastruktur ein wichtiges Element, um die E-Mobilität voranzutreiben. Entscheidend sei nicht nur die Zahl der Stromtankstellen, sondern auch deren Umgebung. Sie müssten Wohnen, Einkaufen und Parken sinnvoll verbinden, um für E-Auto-Fahrer wie Volker Wenzel attraktiv zu sein. Wer will schon stundenlang auf einem Parkplatz warten, bis der Akku endlich voll ist?

Stundenlang auf dem Parkplatz warten - wer will das schon?

Aktuell diskutiert der Landkreis über ein sogenanntes Ladesäuleninfrastrukturkonzept, das helfen soll, die Begeisterung für E-Autos in der Region zu steigern. In einer Vorlage zu dem Thema, das in der jüngsten Sitzung des Umwelt- und Verkehrsausschusses besprochen wurde, wird eine "Grundversorgung an Lademöglichkeiten" in Aussicht gestellt, "damit Elektromobilität ein Teil des Alltages wird und Hemmnisse gegenüber der Reichweite abgebaut werden". Heißt konkret: Niemand soll mehr aus Angst, auf dem Weg zur nächsten Steckdose liegen zu bleiben, das E-Auto verschmähen.

Um mehr über die Chancen der E-Mobilität zu erfahren, hat der Landkreis zwei Büros mit der Analyse des regionalen Bedarfs an Ladesäulen und der Suche nach geeigneten Standorten in den Gemeinden beauftragt. Der Münchner Verkehrsprofessor Klaus Bogenberger, dessen Unternehmen die Studie erarbeitet hat, präsentierte den Kreisräten kürzlich seine Ergebnisse. Demnach stehen den 427 zugelassenen E-Autos im Landkreis derzeit 36 öffentlich zugängliche Ladepunkte zur Verfügung. Bogenbergers Team schlägt vor, den Bestand an Ladepunkten langfristig auf bis zu 220 zu erhöhen. Nicht einberechnet sind darin private Ladestationen in der eigenen Garage, am Supermarktparkplatz oder vor dem Hotel. In kurz-, mittel- und langfristigen Szenarien zeigen die Forscher, in welchen Gemeinden zusätzliche Standorte nötig wären. Derzeit liegt die E-Auto-Quote im Kreis bei nur 0,5 Prozent, bei einer Verdoppelung auf ein Prozent bräuchte es bis zu 20 neue Ladepunkte, so die Studie. Bedarf besteht in diesem Szenario vor allem im Süden und Osten sowie in Markt Indersdorf. Im Westen und Norden sollen erst ab einer Quote von fünf Prozent zusätzliche Stromsäulen entstehen. Die Studie regt an, Design, Bedienung und Software der Stationen im Landkreis möglichst einheitlich zu gestalten. Auch Elektrobusse, E-Carsharing oder ermäßigte Parkgebühren für E-Autos finden sich in dem Maßnahmenkatalog. Im Oktober soll das Konzept fertig sein.

"Die Realität vielleicht schneller"

Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) gab im Ausschuss zu bedenken, dass "die Realität vielleicht schneller" sei. In Dachau läuft der Ausbau nämlich längst, die Stadtwerke wollen bis zum Ende des Sommers insgesamt zwölf neue Standorte in Betrieb genommen haben - Kunden können dort sauberen Ökostrom in ihre Autos laden. Sechs Stationen, zum Beispiel in der Altstadtparkgarage oder in der Brucker Straße, sind bereits am Netz. Auch in Karlsfeld tut sich was: Laut Gemeinderat Froschmayer sind auf dem neuen Ludl-Areal mehr als 30 Ladepunkte eingeplant. Nachdem lange zu wenig passiert sei, gehe es nun etwas besser voran, findet der Mobilitätsexperte. Einen E-Auto-Boom erwartet er aber nicht.

Christian Diecke, Energievertriebsleiter der Stadtwerke, findet sogar, dass Dachau mit Ladepunkten "momentan überversorgt" sei. Einen Run auf die Steckdosen gebe es nicht, im Gegenteil. Seit im Februar die neuen Stationen ans Netz gegangen sind, seien nur etwa 800 Ladevorgänge verzeichnet worden. Die Zurückhaltung kann auch mit der Corona-Krise zusammenhängen - auch E-Autos standen während des Lockdowns oft tagelang still. Im April habe es eine regelrechte "Delle" bei den Zugriffen gegeben, so Diecke. Seit Mai steigen die Zahlen wieder. Um das Ladenetz profitabel betreiben zu können, müssten es aber noch deutlich mehr werden, sagt er. Diecke glaubt auch, dass viele E-Fahrer noch zögern, an öffentlichen Stationen Geld fürs Tanken zu bezahlen, nachdem Unternehmen zu Marketingzwecken lange Zeit Ladungen verschenkt haben. "Das war ein Fehler", sagt Diecke. Bei vielen sei eine Gratismentalität entstanden, die sich nur langsam ändere.

Gehört die Zukunft der Heim-Tankstelle?

Auch Tesla-Fahrer Wenzel hat am liebsten an der kostenlosen Ladesäule der Dachauer Sparkasse getankt, doch seit diesem Jahr bekomme er kaum noch einen Platz, sagt er. Immer mehr Stromer würden sich dort tummeln. Deshalb weicht er auf die für ihn kostenfreie Tesla-Station in Pfaffenhofen aus oder lädt seinen Akku für acht Euro an der Eon-Tankstelle in Markt Indersdorf. Wenzel würde sich mehr Steckdosen auf Supermarktparkplätzen wünschen, dann könnte er seinen Wagen ohne Zeitdruck ans Netz hängen. Das ist jedoch ein Bereich, auf den das Konzept des Landkreises keinen direkten Einfluss nehmen kann.

Stadtwerke-Mann Diecke glaubt ohnehin, dass die Zukunft der Heim-Tankstelle gehört. An der eigenen Steckdose koste der Strom weniger, und auch die Tankzeit spiele keine Rolle mehr. Weil rechtliche Fragen rund ums Laden in Mehrfamilienhäusern aber noch offen sind, seien viele Besitzer auf öffentliche Stationen angewiesen.

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