Einzelhandel:Das Ladensterben geht weiter

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Noch ist die Münchner Straße Dachaus Einzelhandelsmeile Nummer eins. Doch auch hier schließen jetzt zwei Traditionsläden. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Immer mehr Einzelhandelsgeschäfte schließen in Dachau. Aktuell trifft es besonders die Münchner Straße. Doch es gibt Ideen, den Trend zumindest zu verlangsamen.

Von Alexandra Vettori, Dachau

Bisher ging es meistens um die Dachauer Altstadt, wenn die Schließung eines alteingesessenen Ladens beklagt wurde. Nun aber häufen sie sich auch in der zentralen Einzelhandelsmeile der Stadt, der Münchner Straße.  Mehr als 30 Geschäfte befinden sich hier, Ketten ebenso wie unabhängige Ladenbetreiber. Vor einigen Wochen wurde bekannt, dass Foto Sessner Ende April schließt, nach 95 Jahren. Kurz darauf gab auch Spielwaren Schmidt das Aus bekannt, 60 Jahre hat es das Geschäft gegeben.

Eigentlich ist die Münchner Straße ein idealer Standort. Es gibt eine bunte Mischung von Läden, Ketten sind ebenso vertreten wie Einzelhändler, ein Bioladen ist da, mehrere Modeläden, Bäckereien und Optiker, ein Subway, ein Trachtenladen, Drogeriemarkt, Reisebüro.  Vor allem an den Samstagen, wenn am Unteren Markt die Händler ihre Stände aufbauen, herrscht Betrieb in der Einkaufsmeile.

Konkurrenz durch Online-Handel

Doch die Geschäftswelt ist im Umbruch, die Menschen bestellen immer mehr lieber online und bleiben den Läden fern, vor allem jüngere Kunden fehlen.  Onlinehandel und Handy-Fotografie haben auch bei Guido Glück, Inhaber von Foto Sessner, zu einem Umsatzrückgang und letztlich der Entscheidung geführt zu schließen.

Die Mitarbeitenden von Foto Sessner bedanken sich zum Abschied bei ihren Kunden. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Auch die Inhaberin von Spielwaren Schmidt, Karin Märkl, nennt die Zunahme des Online-Handels als Hauptursache, zu den allgemein gestiegenen Kosten. Jetzt, erzählt sie am Telefon, sei der Laden voll, vor allem die Preisrabatte locken die Kunden. „Vorher sind sie nicht gekommen, da haben sie lieber im Internet bestellt“, sagt die Geschäftsfrau mit einem leicht bitteren Unterton.

Auch die hohe Arbeitsbelastung sei ein Grund aufzuhören, sie selbst stehe zwischen 40 und 50 Stunden die Woche im Laden, „wenn ich sonntags das Büro mache oder das Schaufenster dekoriere, ist das auch Arbeitszeit“. Natürlich finde im Einzelhandel auch gerade ein Generationswechsel statt, „aber es hat ja einen Grund, dass es kaum Nachfolger gibt“. Märkl sieht die Zukunft des Einzelhandels pessimistisch: „In fünf Jahren ist Dachau so ein Münchner Vorort wie Grünwald, wo es nur noch Bäckereien, Metzgereien, Brillen- und Handyläden gibt.“

Der Standort Dachau hat es noch gut

Auch wenn sich die Schließungen gerade häufen, im Prinzip sei Dachau noch ein gutes Pflaster, weiß Isabell Seeber, Vorsitzende des Gewerbevereins „Dachau handelt“. Hier sei die Kaufkraft sehr gut, es gebe eine treue Kundschaft, aber „das, was sich bei den alteingesessenen Läden gerade abspielt, ist schon dramatisch. In ein paar Jahren wird es nicht mehr viele geben“, fürchtet auch sie.

Isabell Seeber betreibt selbst einen Laden in der Münchner Straße, die Candisserie Dachau. Seit 28 Jahren gibt es ihn, seit 2017  mit eigener Schokoladen-Manufaktur. Inzwischen werden 70 Prozent der verkauften Pralinen und Schokoladen selbst hergestellt. „Unsere Sachen gibt es ausschließlich bei uns“, sagt Seeber stolz. Die Kundschaft schätze das und auch das Einkaufserlebnis im Laden, der Pralinen-Bestseller trägt den Namen „Dachauer Hüftgold“. So etwas verbindet. Trotzdem gibt es auch in der Candisserie längst nicht mehr nur Süßes. „Du kannst selten noch mit nur einem Produkt überleben“, sagt Seeber. Das Sortiment wurde auf Tees erweitert, dazu veranstaltet Seeber Pralinen-Workshops, auch für Kinder.

Einkaufserlebnis statt Online-Shopping

In Mitmach-Aktionen im weitesten Sinne sieht die Geschäftsfrau auch die Chancen für den lokalen Einzelhandel. Statt anonymen Shoppings allein vor dem heimischen Bildschirm böten Geschäfte einen Erlebniswert und die Möglichkeit, mit anderen Menschen real in Kontakt zu treten, sich Rat bei versiertem Verkaufspersonal zu holen oder auch, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. „Man kann den Trend nicht aufhalten, aber gegensteuern“, sagt Seeber. Die jungen Ladenbetreiberinnen und -betreiber, die in der Altstadt nachrückten, seien da sehr umtriebig, zollt Seeber Respekt. „Viele bieten eine Dienstleistung mit an, zum Beispiel einen Kreativladen oder einen Strickladen mit Stricktreff und -workshops. Da können sich Strickerinnen wunderbar austauschen.“

Der Gewerbeverein Dachau handelt, dem Seeber vorsteht, stellt deshalb immer wieder Aktionen auf die Beine. Jüngste Beispiele sind die Dachau-Decke, deren Motive von Künstlern aus Dachau entworfen wurden, oder eine kulinarische Tour, bei der Dachauer Stadtführerinnen die Teilnehmer von Gastronomie zu Gastronomie führten, überall wurde ein Gang aufgetischt, fünf insgesamt. Das war sofort ausverkauft, die erste Führung innerhalb einer Stunde, erinnert sich Seeber. Auch die Aktion digitale Einkaufsstadt, ein gemeinsames Projekt von Stadt und Landkreis, im vergangenen Jahr sei sehr gut angenommen worden.

Stefan Müller betreibt die Stern-Apotheke in der Münchner Straße. Auch er betont, am Standort an sich liege es vermutlich nicht, dass Traditionsgeschäfte schließen. Sondern an der Internet-Konkurrenz. „Es müsste Instrumente geben, mit denen man die Internet-Konzerne dazu zwingt, sich am Gemeinwohl zu beteiligen.“ So wie es die Läden täten, indem sie ausbilden, Arbeitsplätze vor Ort schaffen und dort Steuern zahlen.

Ungerechte Honorierung

Auch er als Apotheker sei davon betroffen, betont Müller: „Nachtdienst, Rezeptur, Akut-Versorgung mit Hilfsmittel, das leisten die Online-Apotheken nicht. Wir schon, aber da gibt es keinen Unterschied in der Honorierung.“ Müller zufolge rechnen Fachkreise damit, dass in den nächsten Jahren ein Drittel der Apotheken schließt. „In Dachau ist das kein Problem, aber auf dem Land schon.“

Die Ladenbesitzer, weiß Müller, seien sich ihrer Verantwortung für die Geschäftswelt bewusst. So soll das Umfeld des Edeka in der Münchner Straße attraktiver werden, wenn der neue Marktleiter demnächst den Laden übernimmt. Auch das Gebäude, in dem sich die Kinderarzt-Praxis befindet, werde renoviert. „Es ist wichtig, dass ein Lebensmittelmarkt da ist und auch ein Kinderarzt. Da wird langfristig gedacht und nicht nur auf Mieteinnahmen geschaut“, sagt Müller.

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