Einsatz in Dachau:Helden des Feiertags

Feiertagsdienst

Assistenzärztin Sophie Steger arbeitet dieses Jahr erstmals an Weihnachten, für ihren Kollegen Valentin Bogdan ist es schon das zweite Mal.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Während die meisten Menschen Weihnachten zuhause im Kreis ihrer Familien feiern, müssen sie arbeiten: Ärzte, Polizisten, Rettungskräfte sind an Heiligabend und den darauffolgenden Tagen im Dauereinsatz. Für viele ist das kein Problem.

Von Jacqueline Lang, Dachau

Die meisten Menschen haben an Weihnachten frei. Doch selbst in der vermeintlich besinnlichsten Zeit des Jahres kann sich jemand schwer verletzen, ein Haus in Brand geraten, ein Streit eskalieren - und dann muss jemand da sein, um Hilfe zu leisten. Auch im Landkreis Dachau gibt es deshalb eine Vielzahl an Menschen, die an Heiligabend und den Feiertagen arbeiten, damit andere unbesorgt feiern können.

So ein Mensch ist zum Beispiel Sylvia Neumeier, 58. Die Geschäftsführerin von der Drogenberatungsstelle (Drobs) macht sich nicht viel aus Weihnachten und hat deshalb kein Problem damit, am 24. Dezember zu arbeiten. Oder besser gesagt: Das, was andere vornehmlich an Heiligabend predigen - nämlich Nächstenliebe - ist für sie das ganze Jahr gelebte Realität. An Heiligabend ist Neumeier deshalb - wie an rund 330 Tagen im Jahr - zur Ausgabezeit der Ersatzmittel für Heroin, sogenannten Substituten, in der Beratungsstelle präsent. Darüber hinaus hat sie Rufbereitschaft und ist in Notfällen den ganzen Tag über erreichbar - wenn es sein muss auch mitten in der Nacht. Neumeier übernimmt den Weihnachtsdienst seit 25 Jahren jedes Jahr.

Polizeiinspektion

Polizistin Melanie Habersetzer hat in den letzten 15 Jahren ganze elf Mal auf Heiligabend mit ihrem Sohn verzichtet.

(Foto: Niels P. Joergensen)

"Meistens rufen die Menschen zur Abendsessenzeit an", sagt Neumeier. Einfach deshalb, weil diese Zeit in den meisten Familien das größte Eskalationspotenzial berge. Manchmal reicht ein kurzes, beruhigendes Gespräch am Telefon, manchmal fährt sie auch zu den Menschen in die Wohnung und in selten Fällen, da entscheidet sie sich auch für eine Einweisung. "Über die Jahre kriegt man dafür ein Gefühl", sagt Neumeier. Dass der Bedarf nach Beratung und Hilfe zunimmt, merkt die Pädagogin etwa ab der dritten Oktoberwoche, dann wenn es langsam, aber sicher auf die Feiertage zugeht. Der Grund? "Ein Wort, das mir zu Weihnachten einfällt, ist Einsamkeit."

Einer, den man an Weihnachten ebenfalls im Notfall anrufen kann, ist Ralph Schöner. Der 29-Jährige ist seit Kurzem Leiter der Stabsstelle Qualitäts- und Projektmanagement beim Dachauer Kreisverband des Bayerischen Roten Kreuz (BRK), doch er fährt auch immer noch Einsätze. Beim BRK gebe es für die Feiertage einen Wunschdienstplan, in den sich die Mitarbeiter freiwillig eintragen könnten, erklärt Schöner. Das funktioniere gut, der Dienstplan fülle sich in der Regel schnell von alleine. Diejenigen ohne Familie und Kinder würden sich meist freiwillig eintragen. So auch Schöner und seine Frau Daniela Betz, 25, die ehrenamtlich als Rettungssanitäterin beim BRK ist: In diesem Jahr übernehmen die beiden schon zum wiederholten Male am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag gemeinsam die Nachtschicht. Statt zuhause unterm Weihnachtsbaum sind sie an beiden Tagen von 14 bis 22 Uhr auf der Rettungswache und rücken aus, wenn sie gerufen werden.

Weil im Einsatzgebiet Dachau, anders als etwa in Gröbenried oder Markt Indersdorf, meistens auch an den vermeintlich ruhigen Feiertagen ziemlich viel los sei, bleibe zwar meistens keine Zeit für ein gemütliches Abendessen, "aber trotzdem genießen wir die Zeit zu zweit und dabei gleichzeitig etwas Gutes zu tun", sagt Schöner. Dass sich die Notfälle um die Weihnachtszeit häufen, kann Schöner nicht feststellen. In den vergangenen Jahren sei es manchmal die ganze Zeit ruhig geblieben, dann wieder seien sie acht Stunden durchgehend im Einsatz gewesen. "Kontinuität gibt es in diesem Beruf nicht, man muss immer auf alles vorbereitet sein." Er spürt an Weihnachten bei vielen Menschen, zu denen sie kommen, eine besondere Dankbarkeit. "Da weiß man dann, wofür man den Job macht", sagt Schöner.

Weihnachtsdienst

Ralph Schöner und seine Frau Daniela Betz fahren für den BRK schon zum wiederholten Male gemeinsame Einsätze an den Feiertagen.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Für die Unfallchirurgin Sophie Steger ist dieses Jahr eine Premiere. Zum ersten Mal hat die 27-Jährige an Weihnachten Dienst: Vom 24. bis 28. Dezember hat sie jeweils von 15.30 bis 23 Uhr Schicht und danach bis sieben Uhr morgens Rufbereitschaft. "Ich stelle mir das relativ stressig vor", sagt die Assistenzärztin, die im Helios Amper-Klinikum in Dachau arbeitet. Von ihrem Kollegen Valentin Bogdan, 30, hat sie aber schon gehört, dass es an Weihnachten im Vergleich zu Silvester meist eher ruhig zugeht. "An Weihnachten wird in der Regel nicht so verrückt gefeiert", sagt Bogdan, der seit Samstag und noch bis einschließlich Heiligabend jeweils von 20 bis 9 Uhr im Dienst ist. Außer vergangenes Jahr, da sei es genau anders herum gewesen. In Zahlen: 2018 waren es am 24. Dezember 111 Fälle innerhalb von 24 Stunden. Darunter viele Unfälle aufgrund von Trunkenheit. Viele Patienten würden stolpern oder vom Fahrrad stürzen, erzählt Valentin Bogdan. "Die fallen dann einfach um." Verbrennungen indes kämen an Weihnachten anders als an Silvester kaum noch vor, weil mittlerweile die meisten von echten Kerzen auf Lichterketten umgestiegen seien.

Dass Melanie Habersetzer, 49, dieses Jahr vom 23. bis 25. Dezember arbeiten muss, weiß sie schon lange, dem Schichtrhythmus sei Dank. Die Dienstgruppenleiterin der Polizeiinspektion Dachau hat in den vergangenen 15 Jahren deshalb auch nur vier Mal Heiligabend mit ihrem mittlerweile 14-jährigen Sohn verbringen können. "Der ist das schon gewohnt", sagt Habersetzer. Die Bescherung findet am 25. Dezember nach Schichtende statt.

Mit ihren sieben Kollegen kocht die Polizistin dieses Jahr an Heiligabend Rouladen, sie selbst steuert Mousse au Chocolat bei. Dass alle gemeinsam essen werden, sei allerdings unwahrscheinlich. Zwei Streifen seien ja eigentlich immer unterwegs. Wie viel dieses Jahr los sein wird, sei schwer abzuschätzen, sagt die Dachauer Polizistin. Letztes Jahr seien sie beispielsweise zu 23 Einsätzen gerufen worden, 2015 seien es nur zehn gewesen. Richtig los gehe es für sie und ihre Kollegen in der Regel aber erst um Mitternacht. Meistens gehe es dann um Ruhestörungen oder familiäre Streitigkeiten, nichts Weihnachtsspezifisches. Woran man trotzdem merkt, dass Weihnachten ist? Daran, dass die Menschen das Gespräch mit diesen Worten beginnen: "Ich wünsche ihnen frohe Weihnachten, aber..."

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