Dachau:Eine Geste der Versöhnung

Am heutigen Montag starten 40 Radsportler von der KZ-Gedenkstätte Dachau aus nach Oradour.

Von Walter Gierlich

Die 40 Radfahrer, die an diesem Montagmorgen an der Dachauer KZ-Gedenkstätte aufbrechen, haben sich einiges vorgenommen: 1167 Kilometer wollen 33 Radsportler der Soli Dachau samt Freunden aus Österreich und sieben Fahrer aus Frankreich in sieben Etappen von durchschnittlich 165 Kilometern zurücklegen. Am Pfingstsonntag, 8. Juni, wollen sie dann in Oradour-sur-Glane ankommen und dort am 10. Juni an der Gedenkfeier zum 70. Jahrestag eines Massakers der SS teilnehmen. SS-Männer hatten damals etwa 650 Männer, Frauen und Kinder ermordet, und den Ort zerstört. Nach dem Krieg wurde neben den Ruinen des alten Dorfes ein neuer Ort errichtet.

Oradour ist in Frankreich ein zentraler Erinnerungsort an die Gräuel der Nazi-Besetzung. An den jährlichen Gedenkfeiern nahm der bis April amtierende Dachauer Oberbürgermeister Peter Bürgel (CSU) seit 2009 offiziell teil.

Die Fahrt der Dachauer Radsportler soll eine Geste der Versöhnung sein. "Dachau symbolisiert mit dem Konzentrationslager den Anfang des Terrors des Nationalsozialismus. In Oradour wurde der Gipfel der Grausamkeit auf abartigste Weise verdeutlicht", sagte Wolfgang Moll, der Vorsitzende des Radsportvereins Soli Dachau und CSU-Stadtrat, vor einigen Wochen bei der öffentlichen Vorstellung des großen Vorhabens. Moll war im vergangenen August beim Dachauer Bergkriterium auf die Idee mit der "Freundschafts- und Versöhnungsfahrt" gekommen, die von Soli und Stadt gemeinsam veranstaltet wird. Zu dem Radrennen war damals eine Delegation aus Oradour nach Dachau gekommen, zu der auch die französische Radsportlegende Raymond Poulidor gehörte. Trotz seiner 78 Jahre überlegt er, in Frankreich ein Stück weit mitzuradeln. Von Dachau aus will nach Molls Worten ein deutscher Radsportstar vergangener Tage mitfahren, der 75-jährige Rolf Wolfshohl, dreimal Weltmeister im Radcross und neunmal Tour-de-France-Teilnehmer.

Moll hatte den Besuchern aus Oradour bereits beim Bergkriterium seine Idee vorgetragen. Im Herbst dann war aus Frankreich eine positive Rückmeldung gekommen. Als der damalige OB Bürgel und Moll im Januar nach Frankreich reisten, wurde für die große Fahrt endgültig alles klar gemacht. "Das war das finale Vorgespräch, danach ging es an die Detailplanung", berichtet Moll, in dessen Verein das Projekt teilweise begeistert, aber zum Teil auch skeptisch aufgenommen wurde. "Man hat schon hinterfragt, ob das für einen Radsportverein das Richtige ist. Doch für mich ist das ein Beitrag der Gesellschaft, ist der Radsport Mittel zum Zweck einer Geste", sagt der Soli-Vorsitzende.

Die 40 Radler, die ein Trikot mit der Aufschrift "Dachau-Oradour 2014" tragen, werden von einem MAN-Bus und einem Ford Transit des Sponsors Volksbank Raiffeisenbank begleitet. Die ersten drei Etappen dürften die schwierigsten sein: Die erste bis Lonsingen auf der Schwäbischen Alb im Landkreis Reutlingen ist mit 197 Kilometer die längste. Die nächsten beiden - über den Schwarzwald bis Straßburg und weiter von Straßburg über die Vogesen bis in die Nähe von Nancy - sind die bergigsten. Auf der Europabrücke über den Rhein, die zwischen Kehl und Straßburg die deutsch-französische Grenze bildet, wird es für die Radsportler einen großen Empfang geben, wie Moll ankündigt.

In Straßburg werden auch weitere französische Radsportler zum Tross aus Dachau stoßen. Auch der im Frühjahr neu gewählte Dachauer OB Florian Hartmann (SPD) wird am 10. Juni an der Gedenkfeier in Oradour-sur-Glane teilnehmen. Er reist allerdings nicht mit dem Fahrrad an.

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