Dachau:Ein Platz im Ort und im Herzen

Beim Elbhochwasser 2002 hat die Dachauer Feuerwehr dem Dorf Retzau in Sachsen-Anhalt geholfen - jetzt bedankt sich der Ort auf besondere Weise.

Melanie Staudinger

Die Freiwillige Feuerwehr Dachau kam in der größten Not nach Retzau. In diesem Ort in Sachsen-Anhalt war 2002 die Mulde über die Ufer getreten, die Keller liefen voll. Die Dachauer Feuerwehrleute trennten das Wasser vom Öl der Heiztanks und legten die Häuser trocken. Das haben die Retzauer nicht vergessen: Sie haben ihren Helfern nun eine Straße gewidmet, den Dachauer Platz, der als Begegnungsstätte in der Kommune dient.

Freiwillige Feuerwehr Dachau in Retzau

Der einstige Kastanienweg in Retzau heißt jetzt Dachauer Platz.

(Foto: privat)

Jörg Merwerth erinnert sich noch genau an das Elbhochwasser von vor neun Jahren. Er ist Gruppenführer bei der Feuerwehr in Dachau. Acht Mann seien damals gut 460 Kilometer nach Retzau in der Nähe von Dessau gefahren. Mit dem sogenannten Ölsanimat haben sie in den vollgelaufenen Kellern Wasser vom Heizöl getrennt und anschließend in die Kanalisation abgepumpt. Die Maschine hat mehrere Kammern, in denen sich das Wasser absetzt und das Öl oben schwimmt. Das Öl wurde in weiße Kanister verfüllt und entsorgt. Alles in allem ein harter Job. Bis zu den Knien standen die Kameraden im Wasser, weil der Strom bereits eine Woche ausgefallen war, stank es fürchterlich nach verfaulten Lebensmitteln und dem ausgelaufenen Öl. Geschlafen wurde auf Luftmatratzen in einer Schule, wegen des Hochwassers fiel der Unterricht aus. Auch Roland Meißner, Gruppenführer bei der Freiwilligen Feuerwehr Retzau, wird diese Tage nicht vergessen. "Wir haben uns mit den Dachauern sofort verstanden", sagt er.

Und das, obwohl der Kontakt rein zufällig zustande kam. Für den Katastrophenfall halte die Feuerwehr Dachau stets einige Fahrzeuge, die dann nicht dringend im Landkreis für Brandschutz und technische Hilfeleistungen benötigt würden, und bis zu 150 Helfer bereit, darunter immer einige Führungskräfte, die den Einsatz später leiten werden, wie Dachaus Feuerwehr-Pressesprecher Wolfgang Reichelt erklärt. Innerhalb weniger Stunden müssten sie fahrbereit sein - wo dieses Hilfskontingent bei einem Großalarm eingesetzt wird, entscheide die Einsatzleitung in den betroffenen Orten.

Seit 2002 sind beide Feuerwehren nun schon in ständigem Kontakt. Die Dachauer fahren nach Retzau und die Anhaltiner kommen zu Grillfesten nach Bayern. Dabei geht es vor allem, aber nicht nur, ums Gesellige. Auch fachlich tauschen sich die Wehren aus. Im vergangenen Jahr bekam die Retzauer Feuerwehr, die 31 aktive Mitglieder zählt, eine neue Fahne - ihre Kollegen aus Dachau übernahmen die Patenschaft. Zur 95-Jahr-Feier der Feuerwehr Retzau pflanzten die beiden Wehren eine Eiche. "Da ist wirklich was gewachsen", sagt der Anhaltiner Meißner. Dem kann Merwerth nur zustimmen: "Es hat sich über die Jahre eine Freundschaft entwickelt." Dass die Retzauer jetzt einen Dachauer Platz haben, ist für den Feuerwehrmann eine "sehr, sehr große Ehre". So etwas habe er noch nie erlebt. "Sie sind wirklich dankbar für unsere Hilfe", sagt Merwerth.

In Retzau - der Ort wurde erstmals im Jahr 1200 erwähnt - fand kürzlich eine Gebietsreform statt. Die Gemeinde mit gut 400 Einwohnern gehört nun zur Stadt Raguhn-Jeßnitz im Kreis Anhalt-Bitterfeld. Durch die Gebietsreform gab es einige Straßennamen doppelt - sie mussten umbenannt werden. Zu diesen Straßen zählte auch der Kastanienweg, an dem sich das Feuerwehrhaus und ein Platz mit Sitzgelegenheiten befinden. "Wir dachten uns, dass hier der Name Dachauer Platz sehr gut passt", sagt Meißner. Zur Umbenennung fand in Retzau ein großes Dorffest statt, zu dem auch die Feuerwehrler aus Dachau eingeladen waren. Einige von ihnen kamen ganz traditionell in der Tracht Dachaus. Eine besondere Überraschung hatten die Retzauer für den Dachauer Feuerwehrler Kurt Zehrer. Für seine Verdienste um das Feuerwehrwesen ernannten sie ihn zum Ehrenmitglied.

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