Dachau:Eigentlich schüchtern

Der Prozess gegen den mutmaßlichen Dachauer Bankräuber hat begonnen: Vor Gericht präsentiert er sich als Mann ohne Selbstwertgefühl.

Von Benjamin Emonts

Dachau: "Ich brauchte Geld, weil ich vielen Menschen etwas versprochen hatte" - aus diesem Grund überfiel der Angeklagte die Sparkassen-Hauptstelle in Dachau.

"Ich brauchte Geld, weil ich vielen Menschen etwas versprochen hatte" - aus diesem Grund überfiel der Angeklagte die Sparkassen-Hauptstelle in Dachau.

(Foto: Toni Heigl)

Nein, angsteinflößend wirkt der klein gewachsene, leise sprechende Mann nicht. Eher schüchtern, gebrochen, kleinlaut - wie einer, der sich nicht gerne im Spiegel anschaut. Man kann sich gut vorstellen, dass er mehrmals vor der Bank stand und sich nicht traute, seinen Plan wirklich durchzuziehen. Auch ist es vorstellbar, dass die Bankangestellte ihn im ersten Moment nicht für voll nahm, wie der 45-Jährige aussagt. Trotzdem: Am Dienstagvormittag sitzt der Mann vor dem Münchner Landgericht und muss sich der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Führen einer Schusswaffe verantworten. Am 20. Februar hatte er die Hauptfiliale der Dachauer Sparkasse ausgeraubt - und wurde in der Nacht darauf gefasst.

Fast sieben Monate später wird dem Bankräuber am Münchner Landgericht der Prozess gemacht. Der Angeklagte wird von einem Polizisten in den Sitzungssaal geführt, weil er wegen einer anderen Straftat in Vollstreckungshaft im Gefängnis München-Stadelheim sitzt. Die Staatsanwaltschaft verliest die Anklageschrift, die den 45-Jährigen schwer belastet.

Am 20. Februar, um 8.31 Uhr, soll der Mann mit Baseball-Kappe, Sonnenbrille und angeklebtem Oberlippenbart die Bank am Sparkassenplatz betreten und sich zunächst in die Schlange der wartenden Kunden eingereiht haben. Dann, so heißt es weiter, hat sich der Angeklagte an den Schalter gestellt und gesagt: "Überfall, große Scheine." Als die Bankangestellte die Äußerungen zunächst nicht ernst nimmt, soll der Angeklagte eine Gaspistole auf die Frau gerichtet haben. Die händigte ihm 24 990 Euro aus.

"Aber warum Dachau?", fragt der Vorsitzende Richter. Der Angeklagte will die Frage zunächst nicht beantworten. Dann aber erzählt er von einer Gesprächsrunde in einem Münchner Lokal mit Leuten, die wissen, wo es in Dachau etwas zu holen gibt. Ein, zwei Namen gibt er preis: Von Bulgaren und Rumänen ist die Rede. "Es ging darum, schnell für alle Geld zu haben. Alle fanden den Vorschlag gut. Aber ich wollte das alleine machen, niemanden mit reinziehen." Ein Raub in München sei nicht in Frage gekommen, "weil ich Angst hatte, das mich jemand erkennen könnte". Und die Bank in Dachau? "War abgelegen und nah an der S-Bahn.

Der Mann, der zum Tatzeitpunkt in Karlsruhe lebte, sagt vor Gericht aus, er habe aus Angst mehrere Male den Überfall in letzter Sekunde abgebrochen. Dann, am Tattag, habe er auf der S-Bahnfahrt von München nach Dachau sechs bis acht Flaschen Feigling getrunken, um sich Mut zu machen. Auch sagt er aus, dass seine Waffe nicht geladen gewesen sei. "Ich hatte nicht vor, die Waffe zu nutzen. Ich habe selbst Angst vor Waffen." Aber warum nehmen sie eine Waffe mit", fragt der Richter. Die Antwort: "Es sieht besser aus mit Waffe."

Die Antwort ist ebenso naiv wie das Tatmotiv. "Ich brauchte Geld, weil ich vielen Menschen etwas versprochen hatte." Eines der Versprechen: "Ich wollte mit zwei Bekannten eine Erlebnisgastronomie eröffnen." Tatsächlich traf sich der 45-Jährige noch am Nachmittag nach der Tat mit einem der Bekannten in Karlsruhe. Dort zahlte er laut Anklageschrift 17 000 Euro auf ein Konto ein. Anschließend, sagt der Angeklagte, fuhr er wieder nach München, checkte in ein Hotel am Hauptbahnhof ein, und gibt einem ehemaligen Stricher in einer Schwulenkneipe 500 Euro.

Der Angeklagte, der angibt, Alkoholiker und homosexuell zu sein, hält sich in den Monaten vor der Tat regelmäßig im Münchner Schwulen-Milieu auf. Als Kind sei er sexuell missbraucht worden, er möchte Strichern helfen - ein Motiv, das er immer wieder nennt. Seine Anwältin spricht von einem "Selbstwertproblem" ihres Klienten. Er biedere sich immer wieder Bekanntschaften an, schäme sich für seine Homosexualität. Tatsächlich hat der Mann schon mehrere Haftstrafen für Einbruchsdiebstähle verbüßt. Immer wieder habe er Geld gebraucht: Für Alkohol und um seinen "Freunden" zu helfen. Vor dem Landgericht sagt der Angeklagte: "In Haft geht es mir besser. Da habe ich keinen Druck und muss niemandem etwas versprechen." Für den morgigen Donnerstag wird das Urteil in dem Prozess vor dem Landgericht erwartet.

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