Handwerk und Kunst in Dachau:Porträt eines Gugelhupfs

Handwerk und Kunst in Dachau: Zum Anbeißen: Der Künstler Heinz Eder (links) und der Konditor Hans-Jürgen Eder (rechts) präsentieren ihre neuesten Werke.

Zum Anbeißen: Der Künstler Heinz Eder (links) und der Konditor Hans-Jürgen Eder (rechts) präsentieren ihre neuesten Werke.

(Foto: Toni Heigl)

Bei der Übergabe eines Auftragswerks von Heinz Eder an Hans-Jürgen Eder erkennt man schnell: In der Malerei wie in der Konditorei kommt es auf Können, Leidenschaft und die richtigen Zutaten an.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Klein von Gestalt ist er doch eine einnehmende Persönlichkeit. Das Profil besticht durch die klassisch anmutende Form, das Haupt schimmert in herrschaftlichem Puderzuckerweiß, das Antlitz verbindet mit seinem nussbraunen Teint und der feinporigen Ebenmäßigkeit Eleganz mit unverbildeter Lebensfreude. Seine inneren Werte werden sichtbar, als Hans-Jürgen Eder zum Messer greift, ein Stück herausschneidet und auf den Teller legt: butterseidig glänzt der helle Teig, durch den ein Wirbel von Kakao seine kühnen dunkelbraunen Wirbel zieht: ein Marmorkuchen in Gugelhupfformat. Und gut schmeckt er, du meine Güte!

Eders Leidenschaft fürs Konditorenhandwerk ist schon früh entflammt, schon mit 18 hat er angefangen, sich in den süßen Künsten ausbilden zu lassen. "Ich habe nie etwas anderes gemacht und wollte auch nie was anderes machen." Seit 25 Jahren hat er seine Backstube mit angeschlossenem Café in der Martin-Huber-Straße. Der Gugelhupf ziert das Logo, das ihm seine Schwester, eine Innenarchitektin, für das Café designt hat. Ein Eisbecher und eine Kaffeetasse gehören auch dazu, aber heute, in Eders Garten, gibt es nur den Guglhupf. "Das ist ja der Kuchen schlechthin", sinniert er.

"Ich mag schöne Sachen, und der Heinz hat schon immer schöne Sachen gemacht"

Der Garten gehört aber nicht dem Konditor Eder, wie noch anzumerken wäre, sondern dem Maler Eder: Heinz Eder dürfte in der Stadt Dachau ähnlich bekannt sein für seine Künste wie Hans-Jürgen Eder. Was der 75-Jährige schon alles gemacht hat, kann man in ein paar wenigen Zeilen höchstens anreißen: Gemälde, Zeichnungen, Möbel, sogar Häuser hat er schon mitgestaltet und an Schulen und Behindertenwerkstätte mit Kindern gemalt. Diese Arbeit hatte viel Einfluss auf sein Schaffen: "Ich bin zu den Farben gekommen durch die Schulen und die Kinder", sagt Heinz Eder. So heiter, bunt und verspielt wie seine Arbeiten sind nur wenige Kunstwerke.

Auf dem Gartentisch präsentiert er seine neueste Arbeit, nennen wir sie einfachheitshalber: "Der Gugelhupf". Es ist eine Auftragsarbeit vom Konditor Eder an den Maler Eder. Von Eder für Eder, könnte man sagen. Die beiden Eders sind übrigens nicht verwandt. Heinz Eder ist ein Dachauer Urgewächs, in der Großen Kreisstadt geboren und aufgewachsen. Hans-Jürgen Eder bezeichnet sich als "Wahl-Dachauer"; erst bei einem Frühstück an Heinz Eders Tisch sei er damals in die Dachauer Gesellschaft eingeführt worden. Das schafft eine Verbindung, war aber nicht ausschlaggebend für den Auftrag: "Ich mag schöne Sachen, und der Heinz hat schon immer schöne Sachen gemacht."

Des Motivs wegen konnte man das Bild als Stillleben einordnen, aber eigentlich ist es eher das Portrait eines Gugelhupfs. Wie der Kopf eines Edelmanns blickt er von einem langhalsigen Präsentierteller herunter, ausgearbeitet mit fast naturalistischem Detailreichtum, während sich die darunter drapierten Tücher zu einer farbenfrohen Landschaft formieren, ein Tuch windet sich dem Gugelhupf wie eine Schärpe um den ofengebräunten Kuchenleib.

"Hauptsache verrückt"

Diese vielen malerischen Ebenen sind nicht der einzige Kunstgriff, um räumliche Tiefe zu erzeugen. Heinz Eder arbeitet mit Mischtechnik. Aquarellfarbe gibt den Tüchern luftige Leichtigkeit und Transparenz, während die matte Dispersionsfarbe eine Ecke des Stoffs auch mal auf eine abstrakte monochrome Fläche reduziert. Das aufgetragene Blattgold verleiht der Szenerie eine Note opulenter Festlichkeit. "Wenn ich das alles mit einer Farbe deckend machen würde, wäre das ja langweilig", sagt Heinz Eder und lacht.

Besonders schön im Sonnenschein wirkt ist die funkelnde, leicht zerklüftete Oberfläche der Glasschale; sie kommt der Optik von Kristallglas verblüffend nahe. Gebildet wird sie von einem aufgesprungenen Firnis, den Glanz verdankt die netzartige Struktur farblosem Autolack. "Der ist hitze- und kältebeständig", sagt Heinz Eder. Auch beim Malen kommt es auf die richtigen Zutaten an, damit das Werk aufgeht wie ein fluffiger Marmorkuchen.

Womit wir schon wieder beim Konditormeister Eder wären. Eigentlich werde der Gugelhupf traditionell aus schwerem Hefeteig gemacht, garniert min Mandelblättchen, so bekomme man ihn auch heute noch im Elsass serviert. "Das schmeckt mir hervorragend", schwärmt Eder, der sich auf seiner Homepage selbst als "Tortenkomponist" präsentiert. Nur muss eben auch die Kundschaft von dem Werk überzeugt sein. "Das habe ich schon versucht bei uns, aber das geht nicht." Gebäck aus Hefeteig essen die Dachauer gerne, aber dann bitte als Osterfladen und nicht als Gugelhupf, letztlich entscheidet der Geschmack des Publikums. Das gilt auch fürs Motiv des Backwerks: Als der Pfizer-Konzern die Potenzpille Viagra auf den Markt brachte, wurde Eder zu Geburtstagen reiferer Herren eine Zeit lang immer wieder mit Tortenkreationen im Viagra-Design beauftragt; für alleinstehende Damen musste er "Männer backen". Gott nahm Lehm, Eder Teig. Das größte Mannsbild, das er ausgeliefert hat, soll 1,60 Meter groß und 50 Kilo schwer gewesen sein. "Gehen tut alles", sagt Eder. Ist alles nur eine Frage des Preises.

Für Heinz Eder sind Auftragsarbeiten natürlich noch bedeutend wichtiger als für seinen Namensvetter aus der Backstube. Genascht wird im Lockdown mehr denn je, Maler tun sich dagegen schwer, sich in Zeiten geschlossener Galerien zu präsentieren und ihre Arbeiten zu verkaufen. Auftragsarbeiten sind da ein willkommenes Zubrot. Sogar eine Schützenscheibe hat er schon designt, natürlich nicht in der altbackenen Optik des hirschbrünstigen Vereinswesens, sondern unkonventionell, bunt und fantasievoll. Ein "echter Eder eben". Der Guglhupf hängt mittlerweile zwischen zahlreichen anderen Kuchenbildern im Gastraum des Cafés von Hans-Jürgen Eder, und in seinem Atelier wartet Heinz Eder bereits auf seinen nächsten Auftrag. Wird es eine Schweinshaxe sein? Oder ein Osterei? Heinz Eder ist da nicht wählerisch: "Hauptsache verrückt."

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