Dachau diskutiert Verbot von Silvesterfeuerwerk:Alte Tradition, neues Problem

Volksfest Feuerwerk

Bilder wie dieses mit vielen Menschen dicht an dicht wird es in diesem Jahr definitiv nicht geben. Ob überhaupt geböllert werden darf, ist nicht entschieden.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Schon vor der Coronakrise wurde im Stadtrat darüber diskutiert, ob Feuerwerke an Silvester noch zeitgemäß sind. Ein Verbot in diesem Jahr stößt auf Zuspruch, doch OB Hartmann ist skeptisch, ob es auch durchsetzbar ist

Von Julia Putzger, Dachau

Bereits das Osterfest fiel dieses Jahr den Beschränkungen durch die Coronapandemie zum Opfer. Nun bangen viele darum, die Weihnachtsfeiertage möglichst ohne Einschränkungen feiern zu dürfen. Heftig diskutiert wird dabei auch über Silvester und das mitternächtliche Feuerwerk: Zu den schon in den vergangenen Jahren immer wieder angeprangerten hohen Feinstaubbelastungen und den Beeinträchtigungen für Tiere kommen nun noch zwei weitere, durch die Pandemie bedingte Argumente hinzu: Große Menschenansammlungen sollen vermieden, die Kliniken nicht mit durch Böllerei Verletzten belastet werden.

Nach der Konferenz der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin gibt es bundesweit bereits einen Kurs: Demnach soll es kein öffentlich veranstaltetes Feuerwerk geben und das Böllern auf belebten Straßen und Plätzen untersagt sein. Privat sind aber keine Einschränkungen zu erwarten. Welche Regeln genau an Ort und Stelle gelten, das müssen die Kommunen selbst entscheiden. Stadtrat Michael Eisenmann (Bündnis) geht diese Regelung nicht weit genug: Bereits vor der entsprechenden Entscheidung hatte seine Fraktion einen Antrag gestellt, wonach Feuerwerk zum Jahreswechsel 2020/2021 in der Stadt Dachau komplett verboten werden soll. Denn: "Alles andere wäre nur Kosmetik. Wie soll man überhaupt ein partielles Verbot kontrollieren?", so der Fraktionsvorsitzende auf Nachfrage.

Der Bündnis-Vorschlag findet Anklang unter den anderen Stadtratsfraktionen: "In der aktuellen Situation ist eine Entscheidung gegen Feuerwerke zwingend geboten. Wir unterstützen das Verbot ausdrücklich", sagt Jasmin Lang, Fraktionssprecherin der Grünen. Ein komplettes Verbot von Feuerwerk in der Stadt - und zwar nicht nur in diesem Jahr, sondern generell - befürwortet auch Stadtrat Wolfgang Moll (Wir): "Das rennt bei mir offene Türen ein." Zwar glaubt er, dass die Ahndung derjenigen, die trotzdem nicht auf Raketen und Knallerei verzichten wollen, schwierig werden könnte. Dennoch sei es wichtig, ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen. "Viele würden sich daran halten und so könnten wir die Dynamik einbremsen", sagt Moll und meint damit unter anderem die hohe Feinstaubbelastung. Schon in der Vergangenheit hatte er sich für Alternativen zum Feuerwerk stark gemacht und deshalb einen Antrag gestellt, auf dem Dachauer Volksfest statt eines Feuerwerks eine Lasershow zu veranstalten. Der Antrag fand jedoch keine Mehrheit.

Ob es diesmal klappt, das sieht zumindest Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) etwas skeptisch: "Zunächst ist es so, dass da auf Ebene einer Gemeinde oder Stadt relativ wenig entschieden werden kann", erklärt er. Denn welche Verbote es zu beachten gilt, ist im Bundessprengstoffgesetz beziehungsweise dessen erster Verordnung zu lesen. Ohnehin ist beispielsweise "das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie besonders brandempfindlichen Gebäuden oder Anlagen" verboten. Weitere Einschränkungen durch die zuständige Behörde sind möglich, etwa ein Verbot von pyrotechnischen Gegenständen mit "ausschließlicher Knallwirkung in bestimmten dicht besiedelten Gemeinden oder Teilen von Gemeinden". Hartmann glaubt, dass es auf dieser Grundlage schwierig sei, ein Verbot in Dachau einzuführen. Er hofft deshalb auf möglichst konkrete Vorgaben der Bundesebene und appelliert an die Vernunft der Bürger, sich in Zeiten von Corona zurückzuhalten.

Florian Schiller, Fraktionsvorsitzender der Dachauer CSU, hat sich in dieser Frage zwar noch nicht mit seinen Parteikollegen abgesprochen, ist jedoch persönlich der Meinung: "Wir müssen alles tun, um dieses Jahr Massenansammlungen zu vermeiden." Es stelle sich somit für ihn durchaus die Frage, ob ein generelles Verbot in diesem Jahr nicht tatsächlich eine Lösung sein könnte, da es sonst möglicherweise im Privatbereich zu größeren Festen kommen könnte und "das würden wir im Januar bitter bereuen", so Schiller. Die jährlich zum Jahresende diskutierte Frage nach einem gänzlichen Verbot nun mit der Pandemiesituation zu vermischen, das findet er jedoch falsch: "Längerfristig fände ich eine zentrale Lösung in Dachau schön, weil ein Feuerwerk gehört schon zu Silvester dazu." Diesbezüglich hat auch das Bündnis in seinem Antrag bereits einen Vorschlag gemacht: In den Folgejahren könnte es zum Beispiel ausgewiesene Plätze für privates Feuerwerk geben. Davon wiederum hält Wolfgang Moll wenig: "Da würde Extremisten Tür und Tor geöffnet, ihre Böllerlust auszuüben und das wäre definitiv nicht angebracht." Lang von den Grünen hält ein generelles Verbot auch in Zukunft für "überlegenswert", denn das Begrüßen des neuen Jahres mit Böllern und Feuerwerk sei zwar "eine schöne Tradition", aber eben mit "unschönen Begleiterscheinungen". Wenn sich die Situation und das Miteinander wieder normalisiert hätten, solle man entsprechend abwägen.

Selbst wenn derzeit also noch nicht vollends klar ist, ob private Feiern - mit oder ohne Feuerwerk aber jedenfalls mit höherem Ansteckungsrisiko bei einer größeren Personenzahl - dieses Jahr überhaupt möglich sein werden, ist klar: Ganz unbegründet ist das Argument nicht, den Kliniken Arbeit zu ersparen, indem sie keine Patienten mit Verletzungen durch Feuerwerkskörper behandeln müssen. Denn allein im Dachauer Helios-Amper-Klinikum wurden sowohl in der Nacht von 2018 auf 2019 als auch in der Nacht von 2019 auf 2020 jeweils vier Patienten - alle zwischen 19 und 25 Jahren alt - behandelt, die sich überwiegend Verbrennungen an den Händen und im Gesicht durch Feuerwerkskörper zugezogen hatten.

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