Biovermarktung:Angst vor dem Preisdruck

Wie viel Bio ist gut - speziell im Discounter? Darüber wurde auf dem Obergrashof beim Tag der offenen Tür diskutiert, aber nicht mit dem Publikum. Die Besucher konnten sich auch über ökologische Landwirtschaft informieren.

Von Petra Schafflik, Dachau

In der aktuellen Debatte zum Klimawandel geht es neben den Fragen einer zukunftsfähigen Mobilität stets auch um eine nachhaltige, ressourcenschonende Ernährung. 30 Prozent Biolandwirtschaft bis 2030 will man deshalb nach dem erfolgreichen Volksbegehren für den Artenschutz nun für Bayern festlegen. Beim Hoffest am Obergrashof konnten viele Besucher erleben, wie auch heute schon Gemüse ökologisch erzeugt wird.

40 unterschiedliche Sorten werden auf den weitläufigen Ackerflächen anbaut. Davon konnten sich die Gäste bei Rundfahrten selbst überzeugen. Aktiv ist der Obergrashof auch in der Saatgutzüchtung, außerdem hält er selten gewordene Murnau-Werdenfelser-Rinder. In der Hochsaison arbeiten etwa 60 Beschäftigte dort.

"Bio beim Discounter - Wo ist das Problem?"

Es ist eine Landwirtschaft, die mit den lebenden Organismen im Boden so fürsorglich umgeht, "dass es bis in die Ewigkeit geht", betonte Obergrashof-Geschäftsführer Julian Jacobs bei der Begrüßung. Als Initiator und Mitveranstalter des Hoffests präsentierte sich die Genossenschaft Tagwerk, in der sich vor 35 Jahren schon Verbraucher und Erzeuger wie der Obergrashof zusammengetan haben mit dem Ziel einer ökologisch-regionalen Landwirtschaft. Bei der Gründung des Verbunds mit Sitz in Dorfen ging es nicht nur um Naturschutz, sondern auch "um ein friedliches, transparentes Miteinander", erklärte Tagwerk-Vorstand Reinhard Gromotka. Doch die Zeiten haben sich geändert, Bio ist im Mainstream angekommen. "Wir sind nicht mehr die grünen Spinner", sagte der Geschäftsführer der Genossenschaft Michael Rittershofer. 100 Prozent Bio ist noch immer das Ziel. Doch was ist der richtige Wegs dorthin? Über die Zukunft des ökologischen Landbaus und die richtigen Vermarktungswege wurde engagiert diskutiert bei der Podiumsdiskussion zum Thema: "Bio beim Discounter - Wo ist das Problem?"

Wer zu Lidl geht, kann dort neuerdings Milch, Käse, Mehl und Kräuter von Bioland erwerben. In den Regalen steht gut ein Dutzend Produkte dieses Anbauverbands, der seinen Landwirten striktere Vorgaben macht, als sie beim EU-Standardsiegel üblich sind und der daher als Premiummarke im Biosegment gilt. Wenn nun diese hochwertigen Produkte beim Discounter vertrieben werden - bedeutet das den Durchbruch von Bio endlich auch für Leute mit kleinem Geldbeutel? Oder geraten Fachhandel und ökologische Landwirtschaft lediglich unter Preisdruck? Diese Frage diskutierte Moderator Heiner Müller-Ehrmann, ehemaliger BR-Journalist, mit Experten am Podium.

"Die Bauern werden die Zeche zahlen"

Aktuell haben Bioprodukte einen Marktanteil von fünf Prozent. In Bayern sollen beim Anbau bis 2030 nun 30 Prozent erreicht werden. "Wenn Bauern auf Bio umstellen, brauchen sie einen Marktzugang", sagt der Bioland-Landesvorsitzende Josef Wetzstein, der den Lidl-Deal ausgehandelt hat. Doch mit diesem Discounter setze man sich den Feind ins eigene Nest, Lidl stehe für Preisdumping und "billig, billig", warnte Biobauer und Bioland-Bundesdelegierter Michael Sendl. "Die Bauern werden die Zechen zahlen", fürchtet er.

Doch seit langem schon fänden sich mehr und mehr Bioprodukte - Eigenmarken des Handels, Produkte mit dem EU-Siegel oder Ware der Verbände Naturland, Bioland und Demeter - in den Regalen von Supermärkten wie Edeka oder Rewe, sagte Willi Pfaff, Geschäftsführer der Bioladen-Kette Vollcorner. Wenn nun auch die Discounter dazu kämen, "sehe ich das nicht so pessimistisch." 80 Prozent der Lebensmittel würden von den vier großen Handelsketten vertrieben, wer mehr Kunden mit Bio erreichen möchte, komme an diesem Vertriebsweg nicht vorbei. Schon jetzt stünden Landwirte vor dem Problem, dass sie nach der Umstellung ihres Betriebs, Milch weiter zum niedrigen Preis als konventionelles Produkt vermarkten müssen, weil Bio-Molkereien keine weiteren Lieferanten annehmen, so Moderator Müller-Ehrmann.

Lassen sich Qualität und Preis halten?

Doch günstige Bioprodukte und regional-partnerschaftlich erzeugte Lebensmittel - das sei ein Widerspruch, sagte Stephan Illi, Berater für Kooperationen im ökologischen Landbau. Der Kontakt vom Verbraucher zum Produzenten gehe dabei völlig verloren. Auch Tagwerk-Vorstand Gomolka ist skeptisch, "ob es klappt, den Lidl-Kunden von hochwertigen Bioland-Produkten zu überzeugen." Zu Mut und Zuversicht riet Barbara Scheitz von der Andechser Molkerei. Das Bewusstsein der Menschen verändere sich. "Die nächste Generation hat vielleicht andere Ziele."

Nicht auf dem Podium saß der Obergrashof-Geschäftsführer Julian Jacobs. Er ist sich sicher: Eine Ausdehnung des Biolandbaus ohne Vertrieb auch über Discounter, "das wird nicht gehen." Bleibt die Frage, die alle umtreibt, ob sich Qualität und Preis halten lassen. Eine Diskussion mit dem Publikum gab es nicht. Dabei haben es gerade die Kunden in der Hand, ob sie Bio-Lebensmittel kaufen oder nicht, so Dachaus dritte Bürgermeisterin Gertrud Schmidt-Podolsky in ihrem Grußwort. Allen voran die Verbraucherinnen, die in den Familien nach wie vor "bestimmen, was auf den Tisch kommt, was eingekauft wird." Für wichtig hält es Schmidt-Podolsky, die lebendige ökologische Landwirtschaft mit Regionalität in Verbindung zu bringen, damit Produkte nicht "hunderte von Kilometern transportiert werden müssen". Wenn ein Erzeuger wie die Gärtnerei Obergrashof 40 Sorten Gemüse anbaut, diese dann im eigenen Hofladen, über Öko-Kisten und regionale Großhändler wie die Tagwerk-Genossenschaft vertreibt, dann ist regionale Vielfalt gewährleistet.

Der Obergrashof ist auch in der Saatgutzucht aktiv. Ziel sind sogenannte samenfeste Sorten, die vom Gärtner oder Bauern immer wieder ausgesät werden können und nicht jedes Jahr neu gekauft werden müssen. Kürzlich erst, sagt Julian Jacobs, wurde die am Obergrashof gezüchtete Kohlrabi-Sorte "Fridolin" vom Bundessortenamt zugelassen. Damit die Philosophie der ökologischen Landwirtschaft weitergetragen wird, kooperiert der Obergrashof mit einem Kindergarten direkt am Hof, der mit einem Neubau erweitert werden soll. CSU-Stadträtin Schmidt-Podolsky sagte, die Unterstützung der politischen Gremien der Stadt zu, damit das Projekt nach langwierigen Vertragsverhandlungen "endlich aus den Startlöchern herauskommen kann."

Doch nicht nur über den Obergrashof, auch über den offiziellen Veranstalter Tagwerk konnten sich die Gäste an Aktionsständen informieren. Außerdem gab es vom fruchtigen Smoothie über den veganen Wrap bis hin zur Bratwurst auf dem im lauschigen Hofgelände viele ökologische Lebensmittel zu probieren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: