Dachau:Die Schicksale hinter den Zahlen

Flüchtlinge berichten über ihre Probleme im Alltag

Von Fam Marie Schaper, Dachau

Qasem hat vor zwei Jahren seine Heimat Afghanistan verlassen. Damals war er 14 Jahre alt. Zusammen mit seinem Vater und seiner ältesten Schwester kam er nach Deutschland. Doch mit der Ankunft waren die Probleme nicht vorbei: Noch immer wartet er auf seine Aufenthaltsgenehmigung, um in dem Land bleiben zu können, das er jetzt sein Zuhause nennt.

Um Schülern und ihren Eltern den Alltag der Flüchtlinge, die schon seit mehreren Jahren in Deutschland leben, näher zu bringen, veranstaltete das Josef-Effner-Gymnasium in Dachau im Rahmen des Schulprojekts "Flucht aus der Heimat", das zu der Kampagne "Einer für alle, alle für bunt" gehört, ein Erzählcafé. Die vier Schülerinnen Theresa Eberl, Julia Franke, Jessica Rohrbach und Kristin Majewski hatten diese Veranstaltung zusammen mit den ehrenamtlichen Helferinnen des Arbeitskreises Asyl Dachau, Ursula Burkner und Christina Johannsen, organisiert. Somaia und Qasem aus Afghanistan, Yahia aus Syrien sowie Vater und Tochter der Familie Zedo aus dem Irak erzählten von ihrem Leben in Deutschland. Etwa 40 Leute nahmen an der Veranstaltung teil, darunter auch Landrat Stefan Löwl. Er unterstrich die Bedeutung des Projekts: "Es ist wichtig, den Zahlen ein persönliches Schicksal zu geben."

Die Teilnehmer hatten Gelegenheit, Fragen an die Flüchtlinge zu stellen. Viele wollten wissen, wie die Asylbewerber ihren Alltag erleben. Die Probleme, die sich den Flüchtlingen stellen, resultieren vor allem aus ihren fehlenden Sprachkenntnissen: Qasem berichtete, dass er zunächst nicht von der Dachauer Realschule aufgenommen worden sei, weil die Schule befürchtete, dass er dem Unterricht wegen mangelnder Deutschkenntnisse nicht folgen könne. Doch er und seine Eltern gaben nicht auf. Die Schule erklärte sich mit einer Probezeit einverstanden. Qasems Hartnäckigkeit zahlte sich aus: Er hat sich mittlerweile in der Schule integriert, schreibt gute Noten und hat Freude am Lernen.

Aber auch die Teilnahme an den Sprachkursen ist nicht immer leicht. Zunächst muss ein Flüchtling anerkannt werden, um einen Sprachkurs besuchen zu können. Erst wenn sich ein Flüchtling Deutschkenntnisse angeeignet hat, steigen für ihn die Chancen, eine Arbeit zu finden. Aus diesem Grund war es auch für die Familie Zedo schwierig, in Deutschland Fuß zu fassen. Die Familie floh vor sechs Jahren aus dem Irak. Fast genauso lange dauerte auch ihr Verfahren, um als Flüchtlinge anerkannt zu werden.

Selbst wenn Flüchtlinge an einem Kurs teilnehmen dürfen, sind nicht alle Probleme gelöst. Das musste auch Somaia erfahren. Sie kam vor sieben Jahren aus Afghanistan mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern nach Deutschland. Sie floh, weil sie ihren Kindern eine Perspektive geben wollte. Da diese noch im Kindergartenalter sind, musste sie sich um sie kümmern und konnte nicht den Deutschkurs in München besuchen. Erst seitdem ein Kurs in Dachau angeboten wird, lernt sie Deutsch.

Flüchtlinge müssen auch mit vielen Problemen im Alltag kämpfen. Bürokratische Hürden und schwer verständliche Fachausdrücke machen es ihnen nicht leicht, eine Wohnung zu finden oder sich beim Arbeitsamt anzumelden. In solchen Situationen versuchen Integrationspaten, zu helfen - so wie Ursula Burkner und Christina Johannsen vom Arbeitskreis Asyl. Sie versuchen den Familien einen Weg durch den deutschen Bürokratiedschungel zu weisen. Integrationspaten arbeiten mit den Flüchtlingsfamilien von Anfang an zusammen und unterstützen sie, damit sie sich in ihrer neuen sozialen und kulturellen Umgebung zurechtfinden. Aber auch Ursula Burkner gibt zu, dass sie immer wieder an ihre Grenzen stößt. Die Wohnungs- und Arbeitssuche ist sehr aufwendig, den Ehrenamtlichen fehlt oft die nötige Zeit.

Trotz ihrer Probleme sind die Flüchtlinge froh, dass sie in Deutschland aufgenommen wurden und von vielen Stellen Hilfe erhalten. Die Fragen der Schülerinnen und Schüler, wie sie sich ihre Zukunft vorstellen und welche Dinge ihnen Freude machen, beantworten sie gerne. Qasem ist ehrgeizig und möchte das Abitur nachholen, um anschließend studieren zu können. Er hofft, dass er einmal einen guten Beruf ergreifen kann. Die zwölfjährige Tochter der Familie Zedo ist sehr stolz darauf, dass sie innerhalb eines Jahres in der Schule Deutsch lernte. Einen Sprachkurs benötigte sie dafür nicht. Sie erzählt, dass Freunde ihr geholfen hätten. Der 27-jährige Yahia aus Syrien lebt seit zwei Jahren in Deutschland. Er berichtet von seinem Plan, eine Malerlehre zu beginnen. Doch erst muss er seinen Deutschkurs erfolgreich beenden. Und Somaia wünscht sich, irgendwann als Schneiderin zu arbeiten. Das Handwerk hat sie in Afghanistan von ihrer Schwester gelernt. Somaia will in einer Dachauer Schneiderei anfangen. Doch dazu muss sie eine Ausbildung absolvieren.

Die Flüchtlinge hoffen, dass sie alle Hürden meistern können. Sie glauben an eine schöne Zukunft in Deutschland - in Sicherheit und in Frieden.

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