Süddeutsche Zeitung

Dachau:Die nächste Generation

200 Schüler des Ignaz-Taschner-Gymnasiums diskutieren mit Landrat Stefan Löwl und Münchens Bürgermeister Josef Schmid über Fahrkartenpreise, den Wunsch nach einem Kreisjugendrat und Smartboards im Unterricht. Aber bringt das die Jugend der Politik näher?

Von Anna-Sophia Lang

Josef Schmid kommt zu spät. Per SMS teilt der Bürgermeister von München dem Dachauer Landrat Stefan Löwl mit, dass er noch fünf Minuten braucht, um den Weg in die Mensa des Ignaz-Taschner-Gymnasiums (ITG) zu finden. Und das als ehemaliger Schüler: 1989 hat der CSU-Politiker dort sein Abitur gemacht. "Ich habe viele gute Erinnerungen an meine Zeit hier", sagt Schmid. "Das Beste war, dass ich meine Frau kennengelernt habe." Der Saal, bis zum Anschlag voll mit etwa 200 Schülern der Jahrgangsstufe Q 11, johlt und pfeift. Sie sind gekommen, um bei der zweiten Bürgerdialog-Veranstaltung mit Löwl und Schmid über die Entwicklung des Landkreises zu diskutieren. Denn, so sagt Carla Schlüter am Ende: "Wir sind die Zukunft."

Nicht alle sind freiwillig da. Manch einer würde sich am liebsten nur in die Anwesenheitsliste eintragen und schnurstracks wieder nach Hause gehen. Mit Politikern über Verkehr und Wohnungsbau diskutieren - für viele nicht gerade eine reizvolle Abendbeschäftigung. Die Kritik an der Busanbindung vieler Gemeinden, die Alexa Sänn und Theresa Schmiedmayer dann am Beispiel Ampermoching vortragen, erntet trotzdem viele Lacher. Die Zustimmung ihrer Mitschüler bekommen die beiden auch für ihre Fragen zu steigenden Fahrkartenpreisen und unzuverlässigen S-Bahnen. Kim Lechner und Marco Gagliari machen ihre Sache genau so gut. "Es ist doch im Sinne der Politik, dass man junge Menschen langfristig an den Landkreis bindet", sagen sie im Hinblick auf den Wohnungsmangel und fragen nach Bebauungsplänen, Sozialwohnungen und Einheimischenmodellen.

Plötzlich wird die Stimmung hitzig. Es geht hin und her zwischen Löwl, Schmid und den Schülern. Die wünschen sich mehr Einflussmöglichkeiten auf die Kommunal- und Kreispolitik und haben konkrete Ideen: einen Kreisjugendrat etwa oder das Wahlrecht ab 16. "Der Großteil des politischen Personals ist jenseits der 40", sagt Matthias Schneider in einer süffisant-beißenden Rede, "dabei ist der Einfluss der Jugend unverzichtbar." Am Ende schalten sich drei Kreisräte ein, die zur Veranstaltung gekommen sind. "Kommt mit euren Anliegen zu uns", sagt Sebastian Leiß von den Freien Wählern, "wir schweben ja nicht fünf Meter über dem Boden." Und Schmid wie Löwl erinnern daran, dass politische Mitsprache auch Verantwortung erfordert.

Nicht weniger leidenschaftlich wird die Debatte über das technische Equipment der Schule geführt. Dort, so der Vorwurf der Arbeitsgruppe um Clara Schlüter und Stefan Feuerer, würde Geld verschwendet. Smartboards und Beamer verstaubten in den Ecken, nicht zuletzt weil viele Lehrer nicht damit umgehen könnten. Da kommt Gegenrede, von Mitschülern werden neue Aspekte ins Gespräch gebracht und Schulungen für Lehrer angeregt.

Trotz der anfänglichen Skepsis wird deutlich: Die Debattierkultur unter den Jugendlichen lebt. Viele machen sich Gedanken über den Landkreis, wollen mitreden und mitwirken. Ob sie die Politiker nun besser verstehen? "Nicht wirklich", sagt Bastian Brummer, der den Abend moderiert hat. Gehör verschafft haben sich die Schüler zwar. Aber auch nach der Veranstaltung wird der Schülersprecher das Gefühl nicht los, dass die Anliegen der Jugendlichen nicht so richtig ankommen und noch immer viel zu bürokratisch um den heißen Brei herum geredet wird. Einfach akzeptieren will er das aber nicht. Deshalb hat der Aufhausener selbst die Initiative ergriffen: Ende Februar gründete er gemeinsam mit anderen Jugendlichen einen Jugendrat in Weichs. Vielleicht wird eines Tages er der Politiker sein, der fünf Minuten zu spät zu einem Bürgergespräch kommt - wer weiß.

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Quelle:
SZ vom 18.03.2015
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