Süddeutsche Zeitung

Dachau:"Die Ideologie der Nazis ist wieder da"

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Der Holocaust-Überlebende Ernst Grube zur Bedeutung der diesjährigen Gedenkfeiern

Ernst Grube ist 86 Jahre alt und hat die Verfolgung der Juden in München und nach seiner Deportation das Lager Theresienstadt überlebt. Tanten und Onkel sowie Freundinnen und Freunde aus dem jüdischen Kinderheim sind dem Massenmord an den europäischen Juden zum Opfer gefallen. Der Vorsitzende der Lagergemeinschaft Dachau hätte wie so viele andere Überlebende nicht geglaubt, "dass heute Organisationen in Parlamenten oder in anderen Einrichtungen gegen Ausländer hetzen, gegen andere hetzen, dass das alles möglich ist - irgendwo ist die Ideologie der Nazis wieder da". Grube sagt: "Ich fühle mich als einen notwendigen Streiter für Frieden, gegen Rassismus, vor allen Dingen auch gegen den Antisemitismus." Dagegen sollen auch die Feierlichkeiten am Sonntag ein Zeichen setzen.

Die diesjährigen Gedenkfeiern zum 74. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau stehen denn auch im Schatten eines zunehmend aggressiven Antisemitismus in Bayern und ganz Deutschland. Grube ist einer der letzten Zeitzeugen, deren Zahl zunehmend schwindet. Er wird am Sonntag, 5. Mai, um 13 Uhr auf der Gedenkfeier am ehemaligen "SS-Schießplatz Hebertshausen" sprechen. 1941/42 wurden von der Lager-SS mehr als viertausend sowjetische Kriegsgefangene an diesem Ort erschossen. An den Feierlichkeiten nehmen noch sieben weitere ehemalige KZ-Häftlinge teil: Jean Samuel (Frankreich), Erich Finsches (Österreich), Györgi Csillag (Ungarn), Max Volpert und Jehuda Beiles (beide aus Litauen, heute Israel), Vladimir Feierabend (Tschechien) und Clément Quentin (Frankreich).

In zwölf Jahren bis zur Befreiung am 29. April 1945 waren im KZ und seinen vielen Außenlagern mehr als 200 000 Menschen aus ganz Europa inhaftiert. Mehr als 41 500 Häftlinge wurden ermordet oder starben durch Krankheit, Hunger und Zwangsarbeit. Das Comité International de Dachau (CID) lädt zu folgenden Veranstaltungen ein: Am Freitag, 3. Mai, 17 Uhr, Kranzniederlegung an der Urne mit Asche des unbekannten Häftlings am Internationalen Mahnmal in der KZ-Gedenkstätte; 18 Uhr folgt eine Kranzniederlegung am Leitenberg und am Waldfriedhof in Dachau-Etzenhausen. Am Sonntag, 5. Mai, beginnt um 9.30 Uhr eine Ökumenische Gedenkfeier im Kloster Karmel Heilig Blut auf dem Gelände der Gedenkstätte, ebenso um 9.30 Uhr der russisch-orthodoxe Gottesdienst in der Christi-Auferstehungs-Gedächtniskapelle.

Um 9.45 Uhr beginnt die Gedenkfeier des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern am jüdischen Mahnmal, Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, sowie Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, werden dort sprechen. Um 10.45 Uhr folgen die zentralen Gedenkveranstaltungen des CID am ehemaligen Krematorium und dann Appellplatz, wo CID-Präsident Jean-Michel Thomas spricht. Im Anschluss findet der Tag der Begegnung im Max-Mannheimer-Haus in der Roßwachtstraße 15 statt.

Schon am Samstag, 4. Mai, findet um 18 Uhr die Gedenkfeier des Trägerkreises Todesmarschmahnmal in Erinnerung an die Todesmärsche statt, an der Bronzeplastik von Hubertus von Pilgrim, Theodor-Heuss-Straße/Ecke Sudetenlandstraße.

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SZ vom 02.05.2019 / hz
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