Dachau:Die Besucher wollen unterhalten sein

Anni Härtl, "das Gesicht" der Dachauer Gästeführerinnen, übergibt den Vorsitz an Brigitte Fiedler. Auch künftig wollen sie lebendig über die Stadt und ihre Geschichte informieren.

Petra Schafflik

Dachau: Das "Gesicht" der Dachauer Gästeführerinnen: Anni Härtl (links) mit ihrer Schwiegertochter Angelika beim Erzählabend im Hofgarten.

Das "Gesicht" der Dachauer Gästeführerinnen: Anni Härtl (links) mit ihrer Schwiegertochter Angelika beim Erzählabend im Hofgarten.

(Foto: © joergensen.com)

Nur kurz blitzt Wehmut auf und Anni Härtl muss ein wenig schlucken. Dann erklärt sie offiziell, was alle Anwesenden schon wissen: Als Gründungsvorsitzende des Dachauer Gästeführer-Vereins wird sie den Vereinsvorsitz abgeben. "Nicht aus Altersgründen, nicht weil ich nicht mehr mag, aber zehn Jahre sind ein guter Zeitpunkt für einen Schnitt", sagt Härtl. Wer die engagierte Netzwerkerin und rührige Botschafterin der Stadt kennt, ist nicht überrascht, dass sie diesen Schritt lange und solide vorbereitet hat. "Ein harmonischer Übergang" soll gelingen. Und zwar mit der neuen Vorsitzenden Brigitte Fiedler, die bei der Wahl die volle Unterstützung der Mitglieder bekommt und sofort aus der Hand der jetzt wieder lächelnden Vorgängerin eine Art Amtszepter erhält. "Bewährtes fortführen, im Stadtgeschehen weiter präsent sein, aber auch Neues entwickeln" - das benennt die 56-jährige Fiedler als ihre Ziele.

Mit Brigitte Fiedler kommt kein Greenhorn ins Amt, sondern eine gebürtige Dachauerin, die seit 1998 Besucher durch die KZ-Gedenkstätte führt und vor zehn Jahren dann zusätzlich die Ausbildung zur Gästeführerin absolviert hat. Seit seiner Gründung hat Fiedler auch bereits den Gästeführer-Verein als Mitglied begleitet. Damals war der Erfolg dieses Zusammenschlusses noch nicht absehbar, die Vereinsgründung erfolgte "aus der Not heraus", erinnert sich Anni Härtl.

Die Stadt hatte die zehn Jahre zuvor eigens ausgebildeten Gästeführerinnen nicht mehr selbst beschäftigen wollen. Ein organisatorischer Rahmen musste her, der Verein war die Lösung. "Daraus ist etwas Ordentliches und eine große Vielfalt entstanden", blickt die scheidende Vorsitzende Anni Härtl nicht ohne Stolz zurück. Die derzeit 23 aktiven Mitglieder, alle in der Stadt tätigen Gästeführerinnen, bieten längst mehr als Standardführungen durch Stadt und Schloss. Nicht weniger als 54 unterschiedliche Themenspaziergänge wurden über die Jahre ausgearbeitet, auch Kinderrallyes, informative Radtouren und ein Flyer zu den Künstlergräbern konzipiert. Parallel engagieren sich die Gästeführerinnen ehrenamtlich mit diversen Rahmenprogrammen und Angeboten bei Veranstaltungen. "Dabei wollen wir die Zeitgeschichte nicht vergessen, uns liegt an einem ausgewogenen Bild der Stadt", erklärt Brigitte Fiedler. Zu einem Markenzeichen hat Anni Härtl aufwändige Eventführungen entwickelt, wie im vorigen Jahr die Veranstaltung "Es war in keinem fernen Land", wo zum Schluss 900 Kerzen in der Altstadt leuchteten. "Das war mein Traum", sagt Härtl strahlend. Nach ihrem Rückzug vom Vorstandsposten möchte sie weiter als Gästeführerin aktiv sein.

Um Besucher anzuziehen, reiche heute simple Information nicht mehr aus, "der Gast will unterhalten sein", erklärt Anni Härtl. Da ist sie sich mit ihrer Nachfolgerin einig, die nüchtern feststellt: "Daten und Fakten lassen sich als App herunterladen." Aber Kostümführungen erfreuten sich nach wie vor großer Beliebtheit, auch Verköstigungen lockten Besuchern, erklärt Brigitte Fiedler. Wie gut die Kombination aus unterhaltsamer Information und Speisen funktioniert, hat Fiedler selbst überrascht erlebt. Unter dem Motto "Weißwürste mit einem besonderen Senf" hat sie eine Art unterhaltsam-informativen Frühschoppen im Biergarten der Schranne angeboten, sofort mit enormer Resonanz. Zunehmend sei auch das Interesse von Dachauern, die auswärtigen Gästen ihre Heimatstadt nicht selbst zeigen wollen, sondern gerne auf die Kompetenz der Gästeführerinnen zurückgreifen. Auch Bürger und vor allem junge Familien, die von auswärts zugezogen sind, wollten ihre neue Heimat näher kennen lernen und seien deshalb aufgeschlossen für entsprechende Angebote.

Um aber auch in Zukunft Besucher für die Stadt Dachau und ihre Geschichte zu interessieren, sind neue, möglichst ungewöhnliche Ideen gefragt. Die Dachauer Gästeführerinnen wollen diese Herausforderung mit Elan annehmen. So fehlten immer noch an Straßen, die nach Künstlern benannt sind, die erläuternden Texte an den Straßenschilder. Einen entsprechenden Stadtratsbeschluss gebe es seit 2008, so Härtl, "da gilt es nachzuhaken". Damit als Namensgeber der Uhdestraße nicht der Münchner OB vermutet wird, wie Härtl im Gespräch mit Passanten gehört hat. Sobald die Schilder ergänzt sind, wollen die Gästeführerinnen kurze Abendführungen in den Straßen anbieten, "für die Leute, die im Umkreis wohnen". Neu entwickeln die Gästeführerinnen gerade auch gemeinsam mit zwei Dachauer Grundschulen das Projekt "Erzähl mir doch eine Geschichte", das sich an Kinder und deren Eltern richtet. Am 13. Juni werden die Schüler im Hofgarten Märchen inszenieren, die Gästeführerinnen erzählen dazu Geschichten rund ums Schloss. "Wieder eine neue Idee", sagt Fiedler, weitere sollen folgen.

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