Franz Josef Strauß:"Desaströs, aber sprachfähig"

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Ein Hinterzimmergespräch mit interessanten Geschichten: Tobias Stephan, Godel Rosenberg und Dominik Härtl (von links). (Foto: Toni Heigl)

Zehn Jahre lang war Godel Rosenberg Pressesprecher von Franz Josef Strauß. Jetzt hat der heutige Repräsentant Bayerns in Israel seine Autobiografie geschrieben.

Von Johannes Korsche, Dachau

Zum Abschluss des dritten "Hinterzimmergesprächs am schwarzen Tisch" lasen Dominik Härtl, CSU-Fraktionssprecher im Dachauer Stadtrat, und Godel Rosenberg, von 1978 bis 1988 Pressesprecher von Franz Josef Strauß, eine Geschichte. Dabei ging es um das Zusammenleben und die Probleme eines seit vielen Jahren verheirateten Paares. Es war ein passendes Ende für einen vergnüglichen Abend, bei dem vor allem ein Politiker im Mittelpunkt stand, zu dem die CSU auch 27 Jahre nach dessen Tod ein besonderes Verhältnis pflegt: Franz Josef Strauß. Anlässlich des 100. Geburtstags des CSU-Politikers hat Godel Rosenberg seine Autobiografie "Franz Josef Strauß und sein Jude" im Allitera Verlag veröffentlicht.

Etwa 70 Gäste waren ins Autohaus Kratzmeier gekommen, als Tobias Stephan, Ortsvorsitzender der CSU, Rosenberg in Dachau begrüßte. Auf einem Podium stand der namensgebende schwarze Tisch, der aus dem Hinterzimmer in das Autohaus gebracht worden war; auf dem Tisch stand eine vom Thema des Abends inspirierte Dekoration: zwei Tassen mit dem Aufdruck "100 Jahre FJS". Regina Eisner begleitete den Abend mit kurzen musikalischen Ausflügen in die traditionelle, jiddische Klezmer-Musik. Eine Geste des Willkommens an den inzwischen in Israel lebenden Godel Rosenberg.

"Mein Sohn würde sagen, die geilste Zeit meines Lebens"

Zu Beginn lernte das Publikum Rosenberg kennen. Er erzählte von seinem Lieblingsbuch - "die Bibel" -, von seinen Hobbys - "lesen, lesen, lesen" - und davon, wie er im November 1977 als 31-jähriger Journalist das Angebot bekam, Pressesprecher von Strauß zu werden. Obwohl damals wie heute kein Mitglied der CSU, überlegte er als "konservativer Mensch" nicht lange und nahm an. Es folgten jene zehn Jahre, die er rückblickend so beschreibt: "Das war die spannendste, interessanteste - mein Sohn würde sagen - geilste Zeit meines Lebens."

Und so widmete Rosenberg den Abend hauptsächlich seinen Erlebnissen mit Strauß. Und darüber erzählte Rosenberg, der an diesem Abend gut aufgelegt war, spannend. Der Zuhörer lernte den Politiker und Menschen Franz Josef Strauß so kennen, wie ihn sein damaliger Pressesprecher erlebt hatte. Rosenberg erinnerte sich zum Beispiel an eine Anekdote, die den pflichtbewussten Politiker und den lebensfrohen Privatmann zeige.

Brillanter Analytiker

Anfang der 1980er Jahre besuchte der damalige israelische Wissenschaftsminister Gideon Patt München - ein Treffen mit dem bayerischen Ministerpräsidenten war verabredet. Strauß aber war an dem Tag kurzfristig beschäftigt: Der FC Bayern München feierte seine frisch gewonnene Deutsche Meisterschaft und er ließ es sich nicht nehmen, "mit allen Spielern und Spielerfrauen vom FCB anzustoßen". Rosenbergs Eindruck von Strauß, als dieser schließlich eineinhalb Stunden verspätet bei Patt eintraf: "Desaströs, aber sprachfähig." Rosenberg brachte den israelischen Gast nach dem halbstündigen Gespräch zum Flughafen, während der Autofahrt habe sich dieser gar nicht mehr beruhigen können: "Was für ein toller Mann, wie präzise dieser Mann die Zusammenhänge im Nahen Osten analysiert." Rosenberg beendete die Anekdote mit den Worten: "Er war wie immer in der Sache brillant."

Selten setzte sich das Gespräch kritisch mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten auseinander - obwohl doch Franz Josef Strauß zu den am meisten umstrittenen Politikerpersönlichkeiten zählte. Lediglich "seine übertriebene Emotionalität in manchen Dingen", störte Rosenberg. Manche Äußerung müsse man unter den damals gegebenen Umständen verstehen, so auch Strauß' Satz: "Ein Volk, das diese wirtschaftlichen Leistungen vollbracht hat, hat ein Recht darauf, von Auschwitz nichts mehr hören zu wollen." Rosenberg erklärt diese Äußerung über das Nachkriegsdeutschland mit der politischen Furcht von Franz Josef Strauß, "dass sich rechts der CSU eine Partei etabliert." Deswegen habe er dieses Klientel eben auch bedienen müssen. Wer Strauß allerdings gekannt habe, könne ihm keinen Antisemitismus unterstellen. Leider spann Härtl an dieser Stelle nicht den Bogen zur momentanen Flüchtlingsdebatte, in der die CSU und ihr Ministerpräsident Horst Seehofer wieder einmal den rechten Rand bedienen. Zumal die ebenfalls anwesenden Landrat Stefan Löwl und der CSU-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath aktive Teilnehmer an dieser Debatte sind.

Lokalpolitiker brauchen Geduld und Sensibilität

Einen Tipp an die anwesenden Lokalpolitiker hatte Godel Rosenberg aber trotzdem dabei. Gemeinsam mit dem ehemaligen Dachauer Bürgermeister Peter Bürgel (CSU) hatte er sich 2007 bemüht eine israelische Partnerstadt für Dachau zu finden. Das Projekt scheiterte damals an der "unterschätzten Emotionalität in Israel", erklärte Rosenberg. Der Lokalpolitik riet er daher in dieser Frage Geduld und Sensibilität: "Man kann nichts erzwingen, aber alles erwarten."

Rosenbergs Engagement als bayerischer Repräsentant in Israel wurde im letzten Abschnitt des Abends besprochen. Nach knapp zwei Stunden endete "einer der spannendsten und interessantesten Abende des Jahres", wie Stephan in seiner Verabschiedung sagte. Für eben so spannende Abende ist auch im kommenden Jahr gesorgt, wie er verspricht: "Es wird weitere Hinterzimmergespräche geben." Den Gästen hat diese Ankündigung sichtlich gefallen.

© SZ vom 03.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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