Dachau:Der Weihnachts-Wasserturm

Der ganz andere Advent mit Kunst und Kultur für einen guten Zweck von Lena, Lina, Alice und Annika. 500 begeisterte Besucher

Von Sophia Rossmann, Dachau

Schon von Weitem sieht man den Dachauer Wasserturm, der im hellen Licht erstrahlt. Je näher man ihm kommt, desto lauter wird das Stimmengewirr. Der Duft von Lagerfeuer und weihnachtlichen Leckereien steigt einem in die Nase. Alice Homann von der Initiative "Paul - Packende Aktionen. Unterstützung Leben" begrüßt die Gäste am Eingangstor zu der etwas anderen Weihnachtsfeier "Zimt und Zugehört". Gemeinsam mit Lena Heilein aus Dachau, Lina und Alice Homann (Röhrmoos) und Annika Wenzel (Dachau) haben sie das ganz andere Weihnachtsfest aufgebaut. "Ohne die viele freiwillige Unterstützung unserer Freunde hätten wir das nie geschafft."

Die viele Arbeit, welche die vier jungen Frauen im Alter von 25 bis 29 Jahren seit August in die Vorbereitungen investiert hatten, hat sich gelohnt. Schon im Hof des Wasserturms erwartet die Besucher ein kleiner feiner Weihnachtsmarkt mit zwei offenen Feuerstellen in der Mitte. In typischen Christkindlmarktbuden bieten sie gemeinsam mit Freunden Zuckerwatte, mexikanisches Chili, Crêpe oder Curry an.

Die vier von der Gruppe Paul wollen "kulturelle Ideen mit Liebe zum Detail" verwirklichen, damit einen Beitrag zu ihrer Heimat Dachau leisten und "obendrein noch etwas Gutes tun". Die Einnahmen im vierstelligen Bereich werden die vier Mädels dem Arbeitskreis Asyl in Dachau sowie dem Verein Löwenkinder gegen Benachteiligung spenden.

Ein neonorangefarbenes Klebeband weist den Weg die Treppen hinauf, eine Farbe, die sich durch das gesamte Konzept zog. Im ersten Stock dann die Mundstubn: Tausende von weißen Papierschnipsel bedeckten zentimeterhoch den Boden wie Schnee. Die Besucher nahmen auf Baumstümpfen Platz, um den ersten Programmpunkt, den Film "Der kleine Nazi" der Berliner Regisseurin Petra Lüschow, zu sehen. Ein weihnachtlicher, humoristischer Kurzfilm, der genau den Nerv der Zuschauer traf. Anschließend begeistert der Dachauer Marian Wiesner in der rappelvollen Mundstubn mit einem Impro-Märchen. Die, die keinen Platz mehr fanden, machten es sich im Papierschnee bequem. Mit seinen zwei Kollegen Katrin und Udo saß der Geschichtenerzähler in bayerischer Tracht auf einer altbackenen Sofagarnitur wie aus Großmutters Wohnzimmer. Das Märchen beginnt mit der Suche von drei Polizisten nach Marian im Dachauer Moos. Heimlicher Star der Geschichte ist aber der immer wiederkehrende Heilige Florian, Schutzpatron der Feuerwehr, der sich nur darüber Gedanken macht, wie er beim Feuerlöschen am besten aussieht.

Noch so ein Publikumsmagnet war der Münchner Poetry-Slamer Bumillo. In drei Blöcken erheiterte er das Publikum mit seinen Gedichten. Zum Beispiel mit "Mingration", ein Wortspiel aus Minga und Integration, in dem er den mangelnden Wohnraum und das undurchdringbare System der MVG-Tarife ("Ich bin weder Gandalf noch der Herr der Ringe. 16 Ringe, viermal so viel wie bei Audi") auf die Schippe nahm.

Von der Mundstubn führte das neonfarbene Klebeband weiter hoch in den zweiten Stock zur Schaustubn. Dort stellten Marian Wiesner, Matthias Metz und Lina Homann ihre Kunstwerke aus, mal Kreide auf Pappe, mal Tuche und Aquarell. An einer Wand des Raumes hingen zahlreiche goldene Umschläge, für sich genommen fast ein Kunstwerk. Tatsächlich handelte es sich um die Wunschstubn. Um einen Ort, an dem Weihnachtsgrüße und -wünsche versendet wurden.

Auch Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) war neugierig geworden, was hinter Zimt und Zugehört steckt. "Ich finde es toll, wenn junge Leute was auf die Beine stellen. Diese Kombination aus Kunst, Performance und Christkindlmarkt beleuchtet viele Jugendkulturen gleichzeitig."

Am Ende wurden alle Erwartungen übertroffen. "Es kamen mehr Leute als erwartet. Auch Bumillo war ganz begeistert, dass so viel los war", berichtete Lina. Mehr als 500 Leute besuchten die Veranstaltung, darunter nicht nur junge Leute, denn das liebevolle und gleichzeitig professionelle Konzept sprach am Ende jeden an. Viele blieben sogar bis vier Uhr morgens. Die Party mit DJs, die von 22 Uhr an geplant war, hätte es fast gar nicht mehr gebraucht, resümierte Lina, "unten beim Feuer war es einfach gemütlicher."

Genug haben die Paul-Frauen noch lange nicht. Im Sommer wird es die nächste Veranstaltung dieser Art geben, dann aber mit Sand an Stelle von Schnee aus Papierschnipseln.

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