Süddeutsche Zeitung

Dachau:Der Koloss von Etzenhausen

Lesezeit: 2 min

Seit einigen Tagen drehen sich die Rotoren des ersten großen Windrads im Landkreis. Die Landwirte Josef Gasteiger und Michael Walcher setzten das Projekt nach langem Rechtsstreit durch.

Von Benjamin Emonts

Der Ort liegt 524 Meter über dem Meeresspiegel und ist nur über einen Feldweg zu erreichen. Hier, am höchst gelegenen Punkt im Dachauer Stadtgebiet in Etzenhausen, bietet sich ein beeindruckendes Panorama: Auf der einen Seite sieht man bis nach München, auf der anderen in ein Tal mit Feldern und Wäldern. Josef Gasteiger und sein Geschäftspartner Michael Walcher aber blicken auf den Koloss, der inmitten der ländlichen Idylle steht. Er ist 138 Meter hoch, hat am Sockel einen Durchmesser von elf Metern und trägt drei 40 Meter lange Flügel, die den Rotor bilden. Walcher, dem die Windkraftanlage zu einem Viertel gehört, blickt hinauf und setzt dabei ein breites Grinsen auf. "Das ist schon ein gigantisches Gefühl", sagt er. Und was denkt Gasteiger? "Ich bin einfach nur froh, dass es fertig ist."

Das Windrad ist das erste im Landkreis Dachau überhaupt, das macht es zu einer Attraktion. Wenn Gasteiger mit seinem Traktor die anliegenden Felder bestellt, sieht er oft Menschen, die es sich an seinem Windrad gemütlich machen. Das permanente, tinnitusartige Piepsgeräusch, das der Generator erzeugt, scheint keinen zu stören. Irgendwie hat auch jeder schon einmal über das Etzenhausener Windrad gesprochen. "Hast du den Kran gesehen?" "Der Turm ist wieder höher geworden." "Jetzt drehen sich die Rotorblätter." Das Windrad ist durch seine Größe omnipräsent. Dafür, dass es gebaut werden konnte, mussten Gasteiger und Walcher lange kämpfen. Mehrmals zogen die Etzenhausener gegen die Stadt Dachau, die das Bauvorhaben unterbinden wollte, vor Gericht. Und als das Landratsamt endlich die Baugenehmigung erteilte, klagte die Stadt sogar gegen das Landratsamt. Knapp zwei Jahre ging das Hin und Her. "Ein paar Mal hatte ich das Fundament im Kopf schon wieder zugeschüttet. Über die wahre Geschichte des Windrades könnte man ein ganzes Buch schreiben", sagt Gasteiger und schüttelt den Kopf. Im Februar 2013 war es dann endlich so weit: Es wurde mit dem Erdaushub begonnen. Und jetzt, Ende August, steht die hochmoderne Windkraftanlage mit einer Leistung von 2,4 Megawatt - und ihre Rotorblätter drehen sich.

Natürlich fragten sie sich, ob in Etzenhausen überhaupt genug Wind weht, um ein Windrad zu betreiben. Das Gutachten, das einen hohen fünfstelligen Betrag gekostet hat, ergab: Ja, es lohnt sich. Zwischen zweieinhalb und drei Meter in der Sekunde muss der Wind zurücklegen, damit sich das Rad dreht. Je stärker der Wind, desto rentabler das Rad. Trotzdem gingen und gehen Gasteiger und Walcher ein hohes Risiko ein. "Man weiß ja nicht, ob der Wind so weht, wie er soll", sagt Gasteiger, "ich habe viele schlaflose Nächte verbracht." Auch jetzt können die Landwirte nicht abschätzen, ob in der Übergabestation, die 150 Meter entfernt hinter einigen Bäumen versteckt ist, genug Strom ins Netz eingespeist wird. Aber wenn der Plan aufgeht, "rentiert sich das Rad in zehn bis 20 Jahren, je nach Wind", sagt Walcher.

So oder so. Gasteiger und Walcher sind zu hundert Prozent von ihrem Projekt überzeugt. "Die Energiewende muss unterstützt werden. Als Landwirte gehen wir immer mit der Ökologie", sagt Walcher. Sein Kollege nickt. Am liebsten hätten die beiden einen Windpark mit mehreren Rädern gebaut, "das wäre rentabler". Doch finanzierbar ist er für die Landwirte nicht. Beide glauben zu wissen, dass sie schon bald nicht mehr die Einzigen sind, die eine Windkraftanlage betreiben. "Ich habe gehört, dass einige schon massiv am Planen sind", sagt Gasteiger. Wer das ist, möchte er nicht verraten.

Bleibt die Frage, wie so ein Windrad eigentlich funktioniert. "Wie die Technik funktioniert, weiß ich auch nicht genau", gesteht Gasteiger, "der Drehstrom wird jedenfalls über einen Generator zu Gleichstrom und dann wieder zu Wechselstrom umgewandelt." Inzwischen steht der 49-Jährige im Garten seines Bauernhofes, der einen halben Kilometer entfernt liegt. Er blickt in Richtung Windrad, nur die Nabe und der Rotor sind zu sehen. "Von hier gefällt es mir am besten."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1753572
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.08.2013
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.