Dachau:Der Kälte trotzen

Nachtjogging

"Nach einem ganzen Tag im Büro tut es einfach sehr gut, sich zu bewegen": Elke Morlok, Babett Erl und Daniela Seidl laufen durch den Schnee.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Warum eine Dachauer Joggerinnen-Gruppe auch in dieser Jahreszeit an der Amper entlang läuft

Von Horst Kramer, Dachau

Es ist arktisch kalt an diesem Winterabend. Minus zehn Grad mindestens. Drei Frauen im Alter zwischen Mitte Dreißig und Ende Vierzig joggen an der Amper entlang. Warum setzt sich das Trio einer derartigen Tortur aus? "Nach einem ganzen Tag im Büro tut es einfach sehr gut, sich zu bewegen und dabei ein bisschen zu ratschen", erklärt Daniela Seidl. "Und die Kälte merkt man schon nach wenigen Minuten nicht mehr", ergänzt Babett Erl. Sie ist wie ihre Kolleginnen in mehrere Schichten Funktionswäsche gehüllt. An den Füßen trägt sie Trailschuhe mit grob geriffelter Sohle, über der Mütze eine Stirnlampe. Die Dritte im Bunde heißt Elke Morlok. Sie ist seit vielen Jahren als Wettkampfläuferin und Triathletin aktiv, zudem fungiert sie als Vize-Abteilungsleiterin beim Radsportverein Soli Dachau. Morlok coacht die Gruppe, die eigentlich ein Dutzend Personen umfasst. Doch heute fehlen überraschend viele Teilnehmer, darunter alle Männer. "Vielleicht haben einige Männerschnupfen", sagt Seidl schmunzelnd. Bei der eisigen Kälte wollen die Männer wohl nicht so gern ins Freie, sondern lieber im Warmen bleiben. "Vielleicht fühlen sie sich auch überflüssig", mutmaßt Morlok mit einem Augenzwinkern. Nach dem Überfall auf eine 45 Jahre alte Joggerin Ende Dezember an der Isar bei Oberföhring haben viele Frauen ein mulmiges Gefühl, wenn sie abends in der Dunkelheit allein Sport treiben wollen. Die drei Dachauerinnen zählen aber offenbar nicht dazu. Das Gefühl der Unsicherheit kennen sie allerdings auch. "Selbst wenn man einen Weg im Hellen schon tausendmal gelaufen ist, im Dunklen wirkt er fremd", beschreibt Morlok ein Phänomen, das wohl viele Joggerinnen und Jogger kennen. Erl pflichtet bei: "Ich laufe im Dunkeln ungern alleine. Ich bin dann immer irgendwie angespannt - das genaue Gegenteil von dem, was ich eigentlich durch das Laufen erreichen will." Deswegen sei sie am liebsten in der Gruppe unterwegs.

Daniela Seidl berichtet von einem Erlebnis im Oberschleißheimer Schlosspark, wo sie abends mit einer Freundin einige Runden drehte: "Vor uns flackerten einige Lichter auf einer Stelle. Als ob jemand auf uns zu warten schien." Den beiden Joggerinnen war es zwar etwas unheimlich zumute, sie drehten aber nicht ab. Und waren kurz darauf erleichtert: Das Lichterspiel stellte sich als festlich illuminierter Dackel samt dessen Besitzerin heraus.

Tatsächlich hat bis dato noch keine der Hobbysportlerinnen gefährliche Situationen bewältigen müssen, unangenehme gibt es dagegen aber schon. Wie zum Beweis brettert in diesem Augenblick ein Mountainbiker auf dem vereisten Weg von hinten heran, klingelt wie wild und flucht wie ein Holzknecht, als die Läuferinnen nicht sofort zur Seite springen.

Der Zwischenfall hat zwar weniger mit einem geschlechterspezifischen Konflikt zu tun, sondern wohl eher mit dem alten Antagonismus zwischen Radlern und Fußgängern. Einige Kilometer weiter wird es aber klischeehaft, als die Gruppe eine Kneipe passiert. Einige Männer drängeln sich um einen Heizpilz, mit Kippe und Bierglas in der Hand. Als sie die Frauen erblicken, johlen und pfeifen sie. Was die Männer damit bewirken wollen, bleibt unklar. Die Läuferinnen würdigen die Trinker jedenfalls mit keinem Blick. Schließlich kommentiert Morlok mit leiser Ironie: "So etwas passiert eigentlich eher im Sommer. Im Winter sind einfach weniger Männer draußen." Rund eine Stunde joggen die drei Frauen durch die Eiseskälte, eine fröhliche Stunde, in der über Gott und die Welt geredet wird.

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