Bauernproteste:Bei der Ampel sehen sie rot

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Zeichen des Protestes: Rund 400 Fahrzeuge parken am Samstag auf der Ludwig-Thoma-Wiese in Dachau. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Rund 500 Menschen versammeln sich mit gut 400 Fahrzeugen auf der Ludwig-Thoma-Wiese, um gegen die Sparpolitik der Bundesregierung zu demonstrieren. Bei aller Kritik an Berlin distanzieren sich die Redner von rechtsextremen Strömungen.

Von Martin Wollenhaupt, Dachau

Als Landrat Stefan Löwl (CSU) am Samstagvormittag auf die Dachauer Ludwig-Thoma-Wiese fährt, steigt er nicht vom Rücksitz seiner Dienstautos, sondern von seinem Fahrrad. Auf dem Gepäckträger wartet auch keine Mütze, sondern ein Hut. Bei den vorherrschenden Minusgraden will das wohlüberlegt sein.

Umso mehr, wenn um einen die Motoren von gut 400 Traktoren und Schleppern grollen. Etwa 500 Demonstranten sind gekommen, um gegen die Politik der Ampel zu protestieren. "Ein Zahnrad greift in das andere", verkünden Protestschilder, denn nicht nur Landwirte sind da. Auf der Rednerliste stehen neben Bauernvertretern wie Dagmar Wagner (stellvertretende Kreisbäuerin) und Magdalena Eisenmann (Landesvorsitzende der Bayerischen Jungbauernschaft) auch Werner Braun (stellvertretender Landesinnungsmeister für das Metzgerhandwerk in Bayern) und Ulrich Dachs (Obermeister der Dachauer Schreinerinnung).

"In keiner Weise" wolle man unterwandert werden, sagt der BBV-Kreisobmann

"Überwältigend, wie spontan die Landwirte und auch das Gewerbe mitziehen", findet Simon Sedlmair, Dachauer Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), und strahlt unter seinen warmen Ohrenschützern hervor. Als Sedlmair an das Rednerpult tritt, überschlägt sich seine Stimme beinahe. "Wir stehen hier für den Agrardiesel und für die anderen Punkte auch", ruft er von der Ladefläche des zur Bühne umgebauten Pritschenwagens in das Mikrofon.

Auslöser für die Proteste war die Ankündigung der Bundesregierung, ihre Haushaltslücken stopfen zu wollen, indem Subventionen in der Landwirtschaft gestrichen werden. Die Forderungen des Bauernverbandes reichen allerdings über die Wiedereinführung der gestrichenen Subventionen hinaus. "Die anderen Punkte", das sind die Einführung von Subventionen auf Biokraftstoffe, ein Abbau der Bürokratie, und - als große Klammer um die Proteste - keine Benachteiligungen im europäischen Wettbewerb.

Vereinzelte "Hau-ab"-Rufe gegen Landrat Stefan Löwl

Früh kommt Sedlmair auf die Bedenken zu sprechen, die vom Beginn der Proteste an im Raum standen: Verfassungsschützer befürchteten, radikale Kräfte könnten sich in die Bauernproteste einschleichen. Sedlmair distanziert sich im Namen des BBV und des Vereins "Landwirtschaft verbindet Bayern", die beide zur Kundegebung aufgerufen haben, von extremistischen Strömungen. "In keiner Weise" wolle man von links oder von rechts unterwandert werden, ruft Sedlmair in das Mikrofon.

Ganz unbegründet ist die Sorge allerdings nicht. Recht prominent an der Einfahrt zur Thoma-Wiese steht ein Auto, das für den TV-Sender AUF1 TV wirbt. Das österreichische Medienportal bietet Rechtsextremen, Corona-Leugnern und Putin-Fans immer wieder eine Bühne. An dem Auto sind Plakate mit nationalistischen und verschwörungsideologischen Sprüchen angebracht. Ebenso hatte der Dachauer Kreisverband der AfD angekündigt, die Proteste vor Ort zu unterstützen.

Ein Auto parkt zwischen den Traktoren auf der Ludwig-Thoma-Wiese und wirbt für das rechte Medienportal AUF1. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Viele Landwirte haben an ihren Traktoren Protestschilder angebracht. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Dieses Auto ist kein Traktor, wäre aber gerne einer. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Auch Vertreter des Handwerks beteiligen sich an der Demonstration, die... (Foto: Niels P. Jørgensen)
von der Polizei beobachtet wird und friedlich verläuft. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Auf der Kundgebung selbst sind einzelne "Hau-ab"-Rufe gegen Löwl zu vernehmen, als er den Demonstrierenden im Hinblick auf die AfD ans Herz legt, es gebe "bessere Alternativen als die Alternative". Von einer Unterwanderung der Demo in Dachau durch radikale Kräfte kann aber keine Rede sein. Der Großteil der Teilnehmer nimmt sowohl das Auto als auch die "Hau-ab"-Rufe eher misstrauisch wahr.

Mit einem "So" beginnt Michael Murr, stellvertretender LSV-Vorstand, seine Rede, als sei es nach langem Warten jetzt endlich an der Zeit, etwas zu sagen. In den nächsten Minuten wird er sich in Rage reden: Bürgergeldempfänger, die Idee, elektrische Schlepper für die Landwirtschaft zu nutzen, Entwicklungshilfen nach Peru, Indien, China - alles das macht ihn wütend.

Wechselnde politische Vorgaben für die Landwirtschaft, auch das ist Thema. Langfristiges Planen sei für den Landwirt, der seinen Hof auf 20 Jahre abschreiben wolle, nicht mehr möglich. Einen Rücktritt der Ampel fordert Murr deshalb nicht. Stattdessen gehe es ihm um einen "Politikwandel". Auch plädiert er für eine "hundertprozentig klare Herkunftskennzeichnung". Bei Fertigprodukten müsse ersichtlich werden, woher die Zutaten stammen.

Dabei wird im Laufe der Kundgebung zunehmend klar, dass die Liste der Forderungen die Unzufriedenheit der Demonstrierenden nicht ausreichend erklären kann. Für sie scheinen die Proteste auch eine Art soziokulturelles Rangeln zu sein. Traditionelle Werte wie Arbeit, Leistung und Fleiß nehmen sie als entwertet wahr. Sie müssen verteidigt werden. Die Proteste sollen ihnen wieder Anerkennung verschaffen. "Durch harte Arbeit haben wir dieses Land aufgebaut", erinnert beispielsweise Sedlmair.

Rund 500 Menschen versammeln sich bei Minusgraden auf dem Dachauer Volksfestplatz. (Foto: Niels P. Jørgensen)
BBV-Kreisobmann Simon Sedlmair distanziert sich von rechtsextremen Kräften. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Die Bundesregierung würde nur "gescheit daherreden", sagt Metzger Wener Braun. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Auch Landrat Stefan Löwl (CSU) kritisiert die Ampel scharf. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Lebensstile, die sich an anderen Werten orientieren, werden als Bedrohung der eigenen Identität wahrgenommen, die Ampelregierung als deren Handlanger. So beschreibt Werner Braun, stellvertretender Landesinnungsmeister für das Metzgerhandwerk Bayern und Obermeister der Innung Dachau-Freising, die Ampel mit den Worten: "Nur bla bla, nur gescheit daherreden. Das ist eine Hinterfotzigkeit, das dürfen wir uns nicht mehr gefallen lassen." Dafür erntet Braun lauten Beifall.

Die Ampel als Schuldträger für die Probleme in der Landwirtschaft, mit dieser Behauptung sind nicht alle einverstanden. Thomas Obeser, Ortsvorsitzender der FDP Dachau, ist da anderer Meinung. Auf Facebook kommentiert er einen Beitrag von Löwl, er unterstütze die Demonstrationen "in großen Teilen", empfinde es aber als "scheinheilig", der Ampel die Schuld an der Situation in der Landwirtschaft zuzuschieben. "Die CSU und die CDU verantworten 16 Jahre schlechte Landwirtschaftspolitik, das hat nicht allein die Ampel in zwei Jahren geschafft."

Für die Landwirte und deren Mitstreiter sind mit der Samstagsdemo die Proteste noch nicht beendet. Am Montag gehe es, so Sedlmair, zum Demonstrieren nach Berlin. "Mit Bussen und Lkws." Politisch komme schon etwas in Bewegung. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat für diesen Montag ein Gespräch angeboten.

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