Dachau:Das Wort wird zum Bild

Ausstellung Schachtner

Die Werke von Bruno Schachtner sind noch bis einschließlich Sonntag, 18. Oktober, elf bis 18 Uhr in der KVD-Galerie zu sehen.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Wie Bruno Schachtner mit Grafiken Kunst schafft - und wie er sie mit der Zeitgeschichte verbindet

Von Bärbel Schäfer, Dachau

Unmissverständlicher kann man das Entree einer Ausstellung nicht gestalten: Die Grafik "Drucksache" kündigt an, was den Besucher erwartet. Daneben hängt eine zweite mit den Worten "Eintritt frei" und dem kleinen ironischen Zusatz "Ausgang um die Ecke". Dieser Zusatz gilt all jenen, die sich in die Kunstausstellung verirrt haben und schnell wieder hinaus wollen. Die Ausstellung "Dachau in uns. . ." in der KVD-Galerie ist ein Kaleidoskop des vielfältigen Engagements Bruno Schachtners für seine Heimatstadt, aber auch ein Musterbeispiel für die konsequente und standesbewusste Arbeit eines Grafikers, der seinen Beruf mit künstlerischer Leidenschaft ausübt, ohne sich zu verkünsteln.

Bruno Schachtner ist in seiner Arbeit als Gestalter stets objektiv. Vor allem der Bereich der Zeitgeschichte gewinnt durch diese Haltung und Zurückhaltung. Prominentestes Beispiel dafür sind die zwölf Großplakate zum "Weg des Erinnerns". Die hohen Bildfahnen mit den Gesichtern von Menschen, die als Gefangene im Konzentrationslager waren, entstanden 2005 anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung des KZ Dachau. Unter dem großen, schwarz-weißen Porträtfoto des jeweiligen Zeitzeugen, aufgenommen von der Karmelschwester Elija Bossler, steht ein persönliches Zitat, das diesen für eine Zeit lang entrechteten und geschundenen Menschen in diesen Zusammenhang rückt. Die Bilder sind weder schockierend noch dramatisch. Sie haben nichts Grausames oder Anklagendes. Sie zeigen die Gesichter von Menschen wie Du und ich. Hanna Birnfeld, Nikolaus Lehner, Mirco Giuseppe Camia. Nur die Überschrift, die Lebensdaten und das persönliche Zitat weisen auf die schreckliche Vergangenheit hin. Eine Tatsache, die nüchtern auf den Punkt kommt. Das ist die Kunst eines Grafikers.

Ganz ähnlich sind die Dachauer Hefte gestaltet. Ein formatfüllendes Schwarzweiß-Foto auf dem Cover und eine klare Überschrift in roten Lettern. Mehr braucht es nicht, um auf den Inhalt hinzuweisen. Eindringlich ist auch Bruno Schachtners Appell an den Frieden in Form einer Collage. Erich Frieds Gedicht über die Gewalt behauptet sich mit unbeirrbarer Kraft neben den großen, in Rot, Blau und Gelb changierenden Lettern "Dachau".

Neben dieser konzeptionellen gestalterischen Umsetzung von politischen Inhalten in Sieb- und Offsetdrucken schafft er mit alten Holzbuchstaben an den alten Druckmaschinen Grafiken im Hochdruckverfahren, die sich ebenfalls auf einen reduzierten und klaren Ausdruck konzentrieren. Es gibt nichts Überflüssiges, was vom wesentlichen Inhalt ablenken könnte. Dieser künstlerische Aspekt seiner Arbeit wird im Hochdruck "Landschaft" besonders augenfällig. Es ist auf das Wort reduziert. In blauen, leicht geschwungen Lettern, Typus "Berthold gotisch", tritt es dem Betrachter vor Augen. Es ist die Visualisierung des Inhaltes Landschaft. Das Wort wird zum Bild. Die blaue Farbe in unterschiedlichen Sättigungsgraden und die leicht verspielte, weich konturierte Schrift mit dem fast runden "a" und "d" lässt der Fantasie Raum. Aus der Mittellinie des Blattes genommen, schwebt das Wort über unterschiedlich dicken und langen blauen Balken und Linien. Es tritt rhythmisch nach vorne und nach hinten, wie der Himmel über der Horizontlinie oder Luftschichten über dem Wasser.

Die Spuren der Walze haben ein zweites schwächeres Bild des Wortes Landschaft aufs Papier aufgetragen und verlieren sich im Hintergrund, wie ein Nachhall oder Echo in der Luft. Das ist der Idealfall einer gelungenen Grafik. "Im Kopf eines jeden Menschen ist ein anderes Bild von Landschaft. Dieses Bild habe ich umgekehrt, um die Menschen zum Nachdenken zu bringen, was sie denn eigentlich unter Landschaft verstehen", sagt Bruno Schachtner.

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