Süddeutsche Zeitung

Rohstoffe:Wertvoller Klärschlamm

  • Der Freistaat hat die Kläranlagen verpflichtet, Phosphor aus Klärschlamm zurückzugewinnen.
  • Das Mineral ist für den Menschen lebenswichtig. Das Problem: Die Vorkommen sind begrenzt, und synthetisch herstellen lässt sich Phosphor nicht.
  • Kommunen stellt die neue Vorgabe vor Probleme, denn das Verfahren ist teuer - und häufig müssen die Anlagen umgerüstet werden.

Von Viktoria Großmann, Dachau

Auch im Klärschlamm gibt es noch wertvolles. Und von 2029 an sind Abwasserbetriebe verpflichtet, es herauszufiltern und zu verwerten: Phosphor. Ein teurer und wichtiger Mineralstoff. Für den Menschen ist er lebenswichtig. Gebunden als Phosphatverbindung wird er aus Mineralien gewonnen, die etwa in der Sahara in Nordafrika abgebaut werden. Bedeutend ist unter anderem der Einsatz als Düngemittel in der Landwirtschaft. Die Vorkommen sind endlich. Das ist ein Grund dafür, dass nun Wege gesucht werden, ihn zurückzugewinnen und wieder aufzubereiten.

Für die Landkreise Dachau und Fürstenfeldbruck beschäftigen sich bereits der kommunale Amperverband als Abwasserdienstleister und das kommunale Abfallunternehmen GfA in Geiselbullach damit. Es ist ein weltweites Problem, das regional gelöst werden soll. Und wohl auch kann. Fraglich ist, wer für diese Umweltschutzmaßnahme zahlen wird - vermutlich die Verbraucher. Noch fehlt zudem die notwendige, wirtschaftliche Technik.

Eine endliche Ressource, die sich unendlich oft recyceln lässt

Die Grünen-Kreisrätin Marese Hoffmann will darüber eine Debatte im Kreistag anstoßen. Sie hat einen Antrag gestellt und möchte damit erreichen, dass im Verwaltungsrat der GfA über Phosphorrecycling gesprochen wird. Wie können sich Landkreis und Gemeinden beteiligen, möchte sie wissen. Laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe werden weltweit jedes Jahr etwa 40 Millionen Tonnen Phosphat eingesetzt, davon 90 Prozent in der Landwirtschaft. Europa besitzt keine eigenen Vorkommen. Phosphor ist eine endliche Ressource und nicht synthetisch herstellbar, lässt sich aber unendlich oft recyceln.

Einfach ausgedrückt, machte man das bisher, indem man einfach den Klärschlamm auf die Felder ausbrachte. Doch dieser natürlich Dünger enthält nicht nur Phosphorverbindungen, sondern auch immer mehr Schadstoffe. Schwermetalle etwa, Arzneimittelrückstände, Enzyme oder Hormone. Kurz, die Gülle ist auch nicht mehr, was sie einmal war. Das Landesamt für Umweltschutz Bayern teilt mit, aus diesem Grund "verfolgt Bayern das Ziel, die landwirtschaftliche, landschaftsbauliche und gärtnerische Verwertung des Klärschlamms zu beenden".

"Die Kommunen könnten ein konkretes Problem bekommen", sagt Thomas König von GfA in Geiselbullach. Denn langfristig müssen sich alle überlegen, wohin dann mit dem Klärschlamm. Bereits jetzt werden in Bayern zwar 64 Prozent davon verbrannt und dabei oft zur Wärmeerzeugung genutzt, aber nun muss auch für den Rest eine Lösung gefunden werden. Noch dazu eine, welche die wertvollen Inhaltsstoffe trennt und aufbereitet.

Die Frage ist, wie gut das gelingen kann. Der Amperverband ist gerade dabei, herauszufinden, ob die Phosphorrückgewinnung auf den bestehenden Anlagen möglich ist. Grundsätzlich kann das Phosphor aus dem noch flüssigen Klärschlamm gewonnen werden. Doch ist das auch wirtschaftlich? Und von welcher Qualität ist das recycelte Phosphor. Bisher seien die Verfahren nicht kostendeckend, erklärt Ingenieurin Daniela Gerstner vom Amperverband. Bereits bis zum Jahr 2023 muss der kommunale Abwasserverband erklären, wie er die Phosphorrückgewinnung bewerkstelligen will. Von 2029 muss es funktionieren. Das sei nicht viel Zeit, sagt Gerstner. "Verschiedene Verfahren befinden sich gerade in der Entwicklung." Noch keines funktioniere auf großen Anlagen. Zudem sei der Markt für das recycelte Phosphor noch nicht vorhanden. Gut möglich, dass Subventionen benötigt werden oder dass für die Verbraucher in einigen Jahren die Abwassergebühren steigen.

Möglicherweise ist die Rückgewinnung aus verbranntem Klärschlamm leichter. Hier kommt die kommunale Abfallgesellschaft GfA ins Spiel. Sie arbeitet mit dem Amperverband eng zusammen. Bereits jetzt verbrennt das Unternehmen Klärschlamm - aber nur kleinere Mengen. Phosphor wird dabei noch nicht verwertet. Die GfA will nun herausfinden, was auf den bestehenden Anlagen möglich ist und sucht sich ein Büro für eine Grundsatzstudie. Eine gute Lösung für die Rückgewinnung von Phosphor aus der Asche, die auf großen Anlagen funktioniert, gebe es nämlich noch nicht, sagt Thomas König. Das passiere bisher auf der Ebene von Laborversuchen oder in kleinen Probebetrieben. Auch wenn es technisch funktioniere, bleibe die Frage, wie teuer das wird.

Die Stadtwerke Dachau lassen ihren Klärschlamm zur Zeit in den Schongau transportieren. In einem spezialisierten Unternehmen in Altenstadt wird der Klärschlamm verbrannt und dabei zumindest schon Phosphatgrundstoff rückgewonnen. Möglich wäre, dass sich die Kläranlagen-Betreiber der Kommunen in beiden Landkreisen zusammen schließen und der GfA einen gemeinsamen Auftrag zur Verwertung erteilen - die dann in eine entsprechende Anlage investieren könnte.

Das hätte einen weiteren Vorteil für die Umwelt: kurze Wege. Wie Daniela Gerstner betont auch König die Bedeutung einer regionalen Lösung. "Der Abfall sollte möglichst da verarbeitet werden, wo er anfällt und nicht auch noch in der Gegend herum gefahren werden."

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Quelle:
SZ vom 28.01.2019
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